Future Of The Left - How to stop your brain in an accident

Prescriptions / Rough Trade
VÖ: 08.11.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Masse will Krach

Crowdfunding bahnt sich langsam seinen Weg in alle Bereiche der Unterhaltungskultur. Der Erfolg der vielen teuren und großen Projekte, die während des ersten Kickstarter-Booms (manche würden sagen: der Kickstarter-Blase) Geld wie Heu gesammelt haben, zeigt sich so langsam. Oder eben der Misserfolg. Die Ouya-Konsole, das Double Fine Adventure, das Brettspiel Zombicide, das E-Paper Smartwatch, Amanda Palmers Orchester-Album und der "Veronica Mars"-Film - nicht alle dieser Crowdfunding-Erfolge sind bereits erschienen, aber es lässt sich mittlerweile abschätzen, was gut läuft und was nicht. Bei Future Of The Left läuft es ziemlich gut.

Die Waliser haben ihr neues Album "How to stop your brain in an accident" über die Plattform PledgeMusic finanziert und dabei bis Mitte des Jahres 2013 über 250 Prozent des Betrages eingesammelt, den sie ursprünglich haben wollten. Nicht einmal ein halbes Jahr später ist alles fertig und ausgeliefert. Organisatorisch ist das ein Musterbeispiel. Das Problem ist, dass Musik Geschmackssache ist. Nur weil das Album rein technisch funktioniert und mit Hilfe des Geldes nach einer vernünftigen Studioaufnahme klingt, ist es noch lange nicht gut. Ob man mit dem Ergebnis zufrieden ist, kann man erst im Nachhinein einschätzen. Und wer Geld gegeben hat, redet sich die 14 Songs vielleicht schöner als sie tatsächlich sind.

Der Autor dieser Zeilen - das sei zur Transparenz dazugesagt - hat sich mit 18 Britischen Pfund an der Aktion beteiligt und dafür die Platte auf CD signiert und dazu noch eine EP mit sechs weiteren Songs bekommen. Eine Investition war das nicht, nur der in monetären Werten ausgedrückte Wunsch, ein weiteres Album der Band zu hören. Wer Future Of The Left nicht kennt, hat der Band höchstwahrscheinlich kein Geld gegeben. Zum Glück kennen (und schätzen) offenbar genug Leute Andrew Falkous und seine drei Krachkameraden. "How to stop your brain in an accident" ist ein Album für genau diese Menschen.

Mainstream-Appeal sucht man hier noch erfolgloser als früher. Fingen die bisherigen Future Of The Left-Platten noch mit schmissigen Punkrockern an, schmirgelt sich "Bread, cheese, bow and arrow" genauso umständlich in die Gehörgänge wie sein Titel. Der langsame, zersplitterte Beat changiert zusammen mit dem synchronen Riff zwischen absoluter Stille (also langen Pausen) und angemessenem Krach. Auf Keyboards und anderen Schnickschnack verzichten Future Of The Left diesmal, aber ansonsten ist ihr viertes Album eindeutig ihr experimentierfreudigstes und variabelstes. Erfreulicherweise geht es nicht nur darum, auf neue Art Lärm zu machen. "French lessons" ist eine fast schon zarte Fingerübung in Sachen Melodie und Schönklang, "Singing of the bonesaws" dagegen ein nahezu völlig melodiebefreiter Monolog, mehr Satire als Musik. Und in dem abschließenden "Why aren't I going to hell?" macht Falkous ziemlich erfolgreich einen auf Crooner.

Langweilig wird die Platte aber auch nicht, wenn sich die Band auf ihre Kernkompetenzen konzentriert und sich in "Future child embarrassment matrix" selbst zerlegt oder mit "Johnny Borrell afterlife" und "The male gaze" fröhlich auf den Abgrund zusteuert. Um mehr Wumms hinter die Songs zu legen, gesellt sich hier ein zweiter Tieftöner zum klassischen Rockaufgebot aus Gitarre, Bass und Schlagzeug. So richtig sperrig (nicht nur in Sachen Songtitel) wird es in "I don't know what you ketamine (But I think I love you)" und "Things to say to friendly policemen", deren fiese Gitarren Erinnerungen an Mclusky wecken. Und dann sind da natürlich die Texte, die in ihrer genialen Sinnbefreitheit (oder Sinnüberfrachtung) irgendwie den Gegenpol zur stringenten Crowdfunding-Kampagne darstellen, aus der das Album entstanden ist. "At least that's what it says on my cereal packet / That's what it says on my receipt from the Apple Store. Good Lord!"

(Maik Maerten)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bread, cheese, bow and arrow
  • Singing of the bonesaws
  • She gets passed around at parties

Tracklist

  1. Bread, cheese, bow and arrow
  2. Johnny Borrell afterlife
  3. Future child embarrassment matrix
  4. The male gaze
  5. Singing of the bonesaws
  6. I don't know what you ketamine (But I think I love you)
  7. French lessons
  8. How to spot a record company
  9. Donny of the decks
  10. She gets passed around at parties
  11. Something happened
  12. The real meaning of Christmas
  13. Things to say to friendly policemen
  14. Why aren't I going to hell?
Gesamtspielzeit: 45:58 min

Im Forum kommentieren

Fiep()

2015-12-04 10:02:42

Hab von seinem 2. Projekt schon was gehört, aber bin noch nicht dazu gekommen...und dann drauf vergessen. Thx für die erinnerung!

Uh, neues. ich glaub da pledge ich mal mit nach dem letzten.

Tom

2015-12-04 09:40:41

Das nächste Album wird demnächst aufgenommen und kommt am 1.4.2016 raus. Pledger bekommen das Album schon am 25.3.

http://www.pledgemusic.com/projects/thepeaceandtruceoffutureoftheleft

Falcos zweites Album seiner "One-man-band" gibt auch schon eine Weile, nur hört man im deutschsprachigen Raum irgendwie nix davon (http://christianfitness.bandcamp.com/).

Fiep()

2015-12-03 18:55:37

Weis nicht was alle haben. Ich mags noch immer. Sehr sogar. =D

schaummund

2013-11-27 20:46:20

Was wäre das für ein tolles Album wenn es die Schwuchtel namens Castorp nicht feiern würde.

Pole

2013-11-27 20:07:05

Was wäre das für ein tolles Album mit besserer Produktion :(

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