Pearl Jam - Lightning bolt

Republic / Universal
VÖ: 11.10.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Von innen nach außen

Privates ist politisch, Politisches privat? Bei Pearl Jam ist man ja immer versucht, große Gründe dafür zu finden, warum "Lightning bolt" nun deutlich düsterer und experimentierfreudiger als "Backspacer" geworden ist. Die ersten vier Amtsjahre von Barack Obama können auch für Eddie Vedder in vielen Punkten nur eine Enttäuschung gewesen sein. Was hatten sich Vedder und viele andere alles erhofft, was wurde versprochen! Und was nicht alles gebrochen und verschoben. Guantanamo Bay bildet hier nur die Spitze des Eisberges. Allein die Gewissheit, dass es unter republikanischer Führung noch schlimmer wäre, lässt den Glauben an Besserung nicht komplett entschwinden. Und doch lässt sich "Lightning bolt" nicht wie "Backspacer", dem Aufbruchsalbum nach Dubya, in der politische Zeitrechnung der Vereinigten Staaten verankern. Pearl Jams zehntes Studioalbum emanzipiert sich wieder vom politischen Status Quo, ohne dabei unpolitisch zu sein.

"Lightning bolt" lässt sich grob in zwei Abschnitte teilen. Der eine umfasst die ersten fünf Songs, die gewohnte und damit exquisite Pearl-Jam-Kost bieten. Wie bereits "Backspacer" beginnt auch "Lightning bolt" mit einem furiosen Rundumschlag und dem Triumvirat aus "Getaway", "Mind your manners" und "Father's son", die alle wütend kratzen, fauchen und beißen, als gäbe es das Wort "Versöhnung" in Eddie Vedders Vokabular nicht mehr. So als könne man das Böse in der Welt da draußen einfach niederschreien. Oder die Dämonen im Inneren nach Außen pressen. Mit "Sirens" wartet eine größer angelegte Mid-Tempo-Ballade, die ähnlich schön wie "I am mine" daherkommt. Und der Titeltrack bewegt sich irgendwo zwischen diesen beiden Polen und suhlt sich in seiner Positivität. Alles wird gut, ganz bestimmt, scheint "Lightning bolt" in den Ruhephasen zwischen den schreddernden Gitarren sagen zu wollen.

Die zweite Hälfte der Platte ist deutlich komplizierter. Und das nicht nur, weil Pearl Jam hier wieder mehr wagen, mehr experimentieren. Obwohl es sich verbietet, bei diesen letztendlich doch recht klassischen Songs das große "No code" in den Mund zu nehmen. Komplizierter vor allem deswegen, weil Pearl Jam sich mit "Sleeping by myself" und "Future days" zwei Ausrutscher erlauben, die "Lightning bolt" hinten raus etwas runterziehen. Die Songs für sich genommen sind beileibe nicht schlecht, aber sie passen einfach nicht in die Statik dieser ansonsten stimmigen und hervorragend gelungenen Platte. "Sleeping by myself" ist ein leichter, etwas melancholischer Schunkler und "Future days" ein zu groß aufgeblasener, recht plumper Abschlusspomp, dessen größtes Problem ist, dass Pearl Jam mit "Yellow moon" den deutlich schöneren, subtileren und dadurch besseren Closer direkt davor gesetzt haben.

Es bleibt aber bei nur diesen zwei Problembären. Denn die kleineren Experimente auf der zweiten Albumhälte sitzen ansonsten passgenau. "Infallible" stolpert durch und über seinen seltsam holpernden Sound, während "Pendulum" der dunkelste Track ist, den Pearl Jam seit vielen Jahren aufgenommen haben und der in Vedders Heulen "Easy left me a long time ago" gipfelt. Mit "Let the records play" schütteln die Fünf noch veritablen Bluesrock aus dem Ärmel. Mit "Lightning bolt" verfolgen Pearl Jam die Politik der kleinen Schritte. Denn auch wenn dieses Album manchmal nicht den Anschein hat: Alles geht weiter, den Blick nach vorn.

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Getaway
  • Mind your manners
  • Sirens

Tracklist

  1. Getaway
  2. Mind your manners
  3. My father's son
  4. Sirens
  5. Lightning bolt
  6. Infallible
  7. Pendulum
  8. Swallowed whole
  9. Let the records play
  10. Sleeping by myself
  11. Yellow moon
  12. Future days
Gesamtspielzeit: 47:14 min

Im Forum kommentieren

fuzzmyass

2021-04-19 10:02:46

Ich finds zu großen Teilen ziemlich gut und besser als der Vorgänger, mit Ausnahme von 2-3 schwachen Songs (Let The Records Play und Future Days)... finde aber viele Highlights auf dem Album, u.a. Yellow Moon, Pendulum, Infallible... Sirens finde ich auch klasse - knapp am Rande zum Kitsch schlitternd, aber trotzdem den Rand nicht überschreitend, gute etwas düstere Lyrics auch

VelvetCell

2021-04-19 09:40:13

Dann höre vielleicht doch noch mal "Sirens".

Felix H

2021-04-19 08:20:19

Für mich der Inbegriff von "halt ein weiteres PJ-Album".
Ich find's nicht schlecht, aber hab auch kaum Lust, es wieder mal zu hören.

VelvetCell

2021-04-19 08:19:17

Das Album wird – glaube ich – auch wenig geschätzt. Vor allem von Kritikern. Ich hingegen mag es sehr, weil die Songs größtenteils super sind. "Let the records play" mag ich allerdings auch nicht.

Die Hafen-Trulla

2021-04-19 03:40:28

Ich bin kein Pearl Jam-Experte.

Aber das Album scheint hier ja echt niemanden zu jucken, wenn es seit 7 Jahren (!) keinen einzigen Eintrag mehr gab. Und das Album kam auch erst 2013 raus.

Vielleicht gibts ja mal eine "100 PJ-Songs für die Ewigkeit"-Umfrage

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