Crocodiles - Crimes of passion

Zoo / Cargo
VÖ: 23.08.2013
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Sado ohne Maso

Menschen, die alle schludrigen Rock'n'Roll-Meisterwerke der 60er- und 70er-Jahre inklusive sämtlicher satanischer Botschaften in- und auswendig kennen und nach neuem Stoff für den heimischen Wohnzimmer-Riot dürsten, sollten aufpassen: Crocodiles, die Band von Brandon Welchez und Charles Rowell, hat wieder Material am Start und blickt mit den neuen Stücken zurück in eine Zeit, als im Fernsehen "Der Kommissar" lief und Frauen noch Willy wählten. Die Buben, die ehemals in diversen Krach-Kombos aktiv waren, sind also relativ fleißig, denn geneigte Leser bzw. Hörer werden sich noch daran erinnern, dass die letzte Platte "Endless flowers" (ja, die mit dem Pimmel auf dem Cover!) erst ein Jahr alt ist. Das ist doch mal ein Arbeitsethos, von dem man sich eine Scheibe abschneiden kann.

Gut, der Meckerrentner in uns wird sich denken: Sollten sie sich doch mal ein bisschen Zeit nehmen und eine Platte raushauen, die weniger schlampig klingt und ohne Füllmaterial auskommt, doch Welchez, Rowell und Co. ist das egal, ihr Modus Operandi folgt ganz offensichtlich dem Paradigma "Alles raus, was keine Miete zahlt" und das ist ja in dieser gelebten Akribie irgendwie schon wieder sympathisch. "Crimes of passion" zelebriert auf diese Weise windschiefen Retrorock mit Velvet-Underground-Schlagseite, der hin und wieder auch an den guten Shoegaze-Sound gemahnt, der vor 25 Jahren den tristen Alltag britischer Jugendlicher erhellte. Was Crocodiles dabei leider fehlt, ist die nötige Konsequenz: Ihre Lieder handeln von Marquis de Sade, von Sex, Tod, Drogen und Gitarren, doch ihr Sound bleibt zu brav, um die Gefahr, die Rock'n'Roll auch mal gerne ausstrahlen darf, widerzuspiegeln. In anderen Worten: Crocodiles klingen auf ihrer vierten Platte zu lieblich, um dauerhaft zu begeistern, auch wenn einzelne Songs einen durchaus charmanten Kontrollverlust andeuten.

Die erste Albumhälfte feiert noch nebulösen Twee-Rock, der vor allem diejenigen begeistern dürfte, die den Großteil des Tages damit zubringen, auf dem Teppichboden zu liegen und mit hypnotischem Blick an die Decke zu starren. Wenig aufregend ist das also, aber immer schön narkotisierend. Erst in der zweiten Hälfte gelingt es Crocodiles mehr Druck in die Stücke zu pumpen. In "Me and my machine gun" inszenieren sich Welchez und Co. als böse Zwillinge von Veronica Falls und im besten Song des Albums, dem angenehm unterkomplexen "Virgin" klingen sie so zwingend wie noch nie. "Un chant d'amour" stellt dann den semi-elegischen Abschluss dar, der definitiv Lust auf mehr macht. Die fantastische Aufholjagd im zweiten Abschnitt sorgt dafür, dass man Crocodiles sicherlich weiter auf dem Schirm haben muss: Das Potential ist da, wenn mit Album fünf die Substanz folgt, dann spielen wir auch mal Crocodiles-Songs rückwärts ab.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Me and my machine gun
  • Virgin
  • Un chant d'amour

Tracklist

  1. I like it in the dark
  2. Marquis de Sade
  3. Cockroach
  4. Heavy metal clouds
  5. Teardrop guitar
  6. She splits me up
  7. Me and my machine gun
  8. Gimme some annihilation
  9. Virgin
  10. Un chant d'amour
Gesamtspielzeit: 33:56 min

Im Forum kommentieren

XTRMNTR

2015-10-07 21:40:57

"Boys" noch nicht gehört.
Mein Lieblingssong der Crocodiles bleibt vorerst "Mirrors".

jeckyll

2015-10-04 17:09:07

@ xtrmntr

Zustimmung. "Boys" schon gehört? Etwas rocknrolliger insgesamt.

XTRMNTR

2015-10-02 08:47:04

Das Album läuft in meinem Player immer mal wieder. Ich sehe es eigentlich komplett anders als die Rezi.
Finde die erste Hälfte deutlich stärker als die zweite.

"Marquis de Sade" und "Teardrop Guitar" sind tolle Songs.

gelbwurst!

2013-09-02 14:50:28

she splits me up sogar noch um einiges bessssserrr! !

Desare Nezitic

2013-09-02 14:45:40

Wann kommt das denn in D raus und wird es hier auch rezensiert?
Schönes Album, dass sich immer wieder zwischen Lo-Fi und Post-Punk bewegt. In manchen Songs spürt man die geistige Anwesenheit der Bunnymen.

"Me and My Machine Gun" mit seinem hypnotischen Gitarrenakkord und der starken Bassline einer der Songs des Jahres.

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