Antun Opic - No offense

Antuned
VÖ: 27.09.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Kein Pardon

"No offense", fügt der Anglofone gern zum Relativierungszwecke an. Es ist das zivile "Bei allem Respekt, Sir", welches trotz Einhaltung gültiger Höflichkeitsnormen erlaubt, seinem Gegenüber mal kräftig die Meinung zu geigen, frei nach dem Schema "Du bist ein Arschloch, aber hey, ist nicht böse gemeint." Dieser simple Kniff vereinfacht das Leben des gemeinen Cholerikers enorm. Und auch die "Scheißegal"-Fraktion ist verzückt: "Yes, we don't give a damn", singt Antun Opic, Deutsch-Kroate, Wahlmünchner, Anfangdreißiger und Singer-Songwriter auf seiner neuen Platte. Aber hier geht es nicht um "Scheiß drauf, Malle ist nur einmal im Jahr" und um eimerweise Hartsprit, sondern um eine zynische Grundeinstellung zur Überlebenssicherung eines klugen jungen Mannes. Manch einer mag schon von Opic gehört haben, spielte dieser doch bei der Akustik-Folk-Band Wildwuxx und beim Akustik-Punk-Kabarett Strom & Wasser die Gitarre.

"Mit Balkanmusik hat das nichts zu tun", behauptet Opic forsch. Naja, da lügt er, aber ihn kümmerts eh nicht. Opic schmückt und verkleidet seine Musik in vielfältiger Manier: Mal bildet die Balkan-Anleihe das Hauptgewand und die Klezmer den Unterrock, ein anderes Mal tanzt ein ganzer Gospelchor in Latzhosen Flamenco. Wer dem Abstempeln zugeneigt ist, der verbuche Opics Schaffen am besten unter Weltmusik. Mitunter erinnert Opic an einen Bob Dylan, der in seinen Siebzigern noch gelernt hätte, das "R" zu rollen, an anderer Stelle klingt er wie ein originärer Straßenmusiker mit leidenschaftlich gespielter Gypsy-Gitarre. Auch an Tom Waits oder David Gray ist zwischenzeitlich zu denken. Der Mann kann was, der Mann hat was. Mittlerweile tourt er durch halb Europa, sogar im UK hat er sich einen Namen gemacht. Seine Musik ist so international wie er selbst, der deutsch-kroatische Bayer, der seine Weisen auf Englisch unters Volk bringt. Dabei hat er stets ein Pfeifen auf den Lippen und einen Witz in der Westentasche.

Die Erstauskopplung "Hospital" verfrachtet Opic in ein Krankenhaus, das einem Jahrmarkt gleicht: Gitarre und Balalaika schunkeln, Opic schnippt sich mit dem Gehstock die Melone auf den Kopf. Dabei folgt er den lauten Rufen der Zuhörerschaft und lässt sich zu köstlichen Tiraden hinreißen, die Tonleiter einmal hoch und runter, ein Zungenroller inmitten, ein kratziges Fauchen im Umfeld. "Bulletproof vest" erzählt vom Schutzbedürfnis, steigt ein mit Bongos und zart besaitetem Gitarrenspiel. Behutsam umsorgt der Protagonist sein Gegenüber und versichert ihm schützendes Geleit für alle Zeit. "I'm your bulletproof vest / I wear your heart in my chest", haucht Opic. Ja, mit kroatischen Bodyguards legt man sich besser nicht an, das weiß doch jedes Kind. "Juanita Guerolita" verfällt erneut der Clownerie, die Lo-Fi-Stimme und Opics akzentuiertes Palaver weichen einer stöhnenden Trompete, wenn der Barde seine Balzgeräusche nicht mehr zu unterdrücken weiß: "Too much talk is masturbation."

Doch Opic ist lange kein eindimensionaler Spaßvogel, sondern unterliegt genauso dem ewigen Drängen, dem überdauernden Streben. In "Good friends" besingt er eine wenig erfreuliche Episode der Freundschaft. "We just wanna dance, dance, dance", doch es ist keiner da. Eine bedrückte Posaune hält den Abgesang an das Miteinander. "Rootless tree" schlägt in die gleiche Kerbe und vollendet die Entwurzelung des Protagonisten. Der Kontrabass lädt zum Totentanz, bis das Zupfen ins Slappen schwenkt und eine E-Gitarre ein fantastisches Solo anreiht. "Oh na na na", erklingt Opics Stimme fröhlich in den Nachthimmel. Manchmal ist die Zynik das letzte rettende Element. Was nicht passt, wird weggelacht, Witzigkeit kennt kein Pardon. Bisweilen muss die bittere Wahrheit von Wortschachteln umschlossen werden, damit ein kritischer Hinweis überhaupt fruchtet – nach außen hin wie autospektiv. Manchmal ist einfach alles beschissen, manchmal kommen die Arschlöcher von allen Seiten. Aber hey, ist nicht böse gemeint. No offense.

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hospital
  • Bulletproof vest
  • Juanita Guerolita
  • Rootless tree

Tracklist

  1. Hospital
  2. Bulletproof vest
  3. No offense
  4. The informer
  5. Moses (Let my people go)
  6. We don't give a damn
  7. Juanita Guerolita
  8. Don't forget
  9. Warm
  10. Troubled waltz
  11. Good friends
  12. Rootless tree
Gesamtspielzeit: 48:49 min

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