
Nhor - Within the darkness between the starlight
Prophecy / SoulfoodVÖ: 30.08.2013
Im Supermarkt, todtraurig
Die Kinder dürften in etwa vier Jahre alt sein. Brav sitzen sie da, eine Kindergärtnerin an ihrer Seite, einige sehen abgelenkt in die Kamera. Der Raum ist hell ausgeleuchtet, im Zentrum des Bildes drei Musiker. Zwei mit Gitarren, jeweils eine Flying-V, ein putziger Verstärker steht dahinter. Die Gitarristen wirken konzentriert, der Sänger recht lässig daneben. Alle drei sind schwarz gekleidet, komplett, natürlich. Sie tragen Corpsepaint, ihre Gesichter sind zu böse dreinschauenden Fratzen geschminkt. Die Kinder gucken. Angst sieht anders aus.
Die ziemlich herrliche Seite "Black Metallers doing normal stuff" versammelt viele solcher absurden Bilder: Black Metaller in voller Montur mit Pokémon-Shirt, auf der Spielplatzrutsche, beim Hot-Dog-Essen. Diese Zusammenstellungen sind keineswegs böse gemeint, das lässt sich wegen der liebevollen Kommentare vermuten, und sie beweisen Humor. Sie treffen jedoch auch klug einen Punkt: Wie geht das, permanent im Kriegszustand leben und doch einen so harmlosen wie routinierten Alltag haben?
Wer alles zum Schicksalereignis aufbauscht und wer glaubt, allerorten sei just die Welt aus den Fugen geraten, der muss die Spannung zwischen innerer Mobilmachung und äußerer Unbeirrbarkeit an der Supermarktkasse aushalten lernen. Die britische Einmannband Nhor besteht seit 2009 und hat seitdem zwei Alben mit melancholischer Klaviermusik im Stile Mamiffers veröffentlicht, eines Projekts aus dem Isis-Umfeld. Dann schoben sich zwischen all die Traurigkeiten Gitarrenwände und Black-Metal-Gekeife. Der Deal mit Prophecy kam, eine Facebook-Seite wurde gestaltet und nun steht "Within the darkness between the starlight" offiziell im Laden. Ganz klar, auch Nhor hat sich verkauft.
Ruhig, letzteres war nur ein Scherz. Auch wenn "Within the darkness between the starlight" nicht gerade dazu einlädt. Nhor übt sich in der romantischen Verklärung der Natur, postet Bild um Bild mit Waldmotiven ohne jede Spur menschlichen Lebens. Ohne Menschen kein Grinsen, das ist klar. Aber eigentlich auch kein rechtes Leid, kein trauriger Untergang, keine willige Zerstörung. Das alles bedient sich in den Sujets wie im Klang bei den brutal einflussreichen Wolves In The Throne Room, bei dem brillanten Schweizer Paysage D'Hiver und erinnert in den Ausbrüchen, die interessanterweise mehr haben von Kontemplation als von Destruktion, sehr deutlich an Burzum. Bloß nicht lachen also.
Den alles in den Schatten stellenden Höhepunkt des Albums markiert der Titelsong, der entgegen dem erwartbaren Schema mit einem strahlend schönen Riff für den Black-Metal-Himmel einsteigt, und erst nach dem Wüten über Zweiminutendreißig Zeit zum Durchatmen findet. Das ätherische "Patient hunter, patient night" rauscht so überoffensichtlich mit mächtig Feedbackfiepen ins Delirium, dass einem beim etwas später einsetzenden Blast Beat glatt die Räucherstäbchen aus der Hand fallen. Das süße "Alnilam" funktioniert schließlich sogar als Wiegenlied. Nhor hält die Spannungen mit Bravour aus, Melancholie und Wut fallen sich in die Arme. Ein Album für jung und alt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Within the darkness between the starlight
- Patient hunter, patient night
Tracklist
- A forest draped in moonlight
- Within the darkness between the starlight
- Patient hunter, patient night
- The fall of Orion
- An awakening earth
- Rohmet Etarnu
- The temple of growth & glimmer ascends
- Alnilam
Referenzen