Nicoffeine - Au revoir golden air
Blunoise / Al!veVÖ: 20.09.2013
Nur für geladene Gäste
Nach und nach, peu à peu oder besser Arschtritt für Arschtritt scheinen Nicoffeine Gefallen am Album-Turnus zu finden. Denn immerhin ist ihre sechste Langrille "Au revoir golden air" bereits die dritte innerhalb von sechs Jahren. Ein weiteres Zeichen für die neugewonnene Konstanz: Blunoise-Chef Guido Lucas ist bereits zum zweiten Mal in Folge und damit wohl fest nicht nur am Produzentenpult, sondern auch am Viersaiter installiert. Und Jörg A. Schneider (Gaffa, Les Hommes Qui Wear Espandrillos) mischt ebenfalls wieder am Schlagwerk mit, da ihn inzwischen wie Nicoffeine-Mastermind Soheyl Nassary eher die Extremitäten des Noise zu interessieren scheinen. Und auf eben diese Extreme sattelt der Beginn von "Au revoir golden air" noch mal ordentlich eins drauf.
"Goldenbergersteeg" und "Wolf in bathtub" haben keinerlei Kopfnicker-Riff oder -Beat im Angebot, dafür aber wahleise elegische Motorpsycho-Gesänge, schief geschredderte Gitarren-Sechzehntel, tief dängelnde Schlagzeugwirbel und – letztlich – lupenreinen Chaoscore, zu dem Nassary durch seine Gitarrensaiten kreischt. Doch schnell macht das nicht minder schreddernde und kreischende, sich aber auch zu kaputten Eintaktern bündelnde "Ando Guerillo" deutlich: Dieser Beginn war lediglich ein Statement oder, eher noch, ein wie irre blinkendes Warnschild – vor den Dingen, die von Nicoffeine zu erwarten wären, wenn sie eines Tages vollends durchklinken sollten. Und ein Hinweis, dass der Hörer sich gepriesen fühlen sollte, wenn sie ihre Musik wie für den Rest von "Au revoir golden air" wieder aufs "Normal"maß zurückschrauben. Denn schließlich gibt es in eben diesem Normalzustand noch Tropfen genug, die das Fass zum Überlaufen bringen.
"Easy metal" ist ein einziges Highspeed-Noise-Wabern, zu dem Lucas' Bass lediglich ab und an zwischen den Zählzeiten heraufbrummt und Schneiders Snare wie gewohnt jede einzelne Achtelnote bedroht. Dennoch gibt sich Nassary zwischendrin auch gnädig und spielt ein paar Solo-Splitter, die den Songtitel ansatzweise goutieren. "Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es nicht wahr" entdeckt die Motorpsycho-Gesänge wieder, kleidet sie diesmal aber in einen für Nicoffeine-Verhältnisse ultrastraighten Rocker. Und der Titelsong zeigt in all seiner durchgängigen, doch zickigen Melancholie einmal mehr, wie sich Postrock anhören könnte, wenn er von Freejazzern gespielt werden würde. Na klar: Nach wie vor ist das eine Party, zu der gewiss kein Coldplay-, Rihanna- oder Maskenmetal-Fan eingeladen ist – und zwar aus Rücksicht, nicht aus Überheblichkeit. Denn Nicoffeine sind auf "Au revoir golden air" erneut derart geladen, dass teils selbst den geladenen Gäste vor lauter (An)Spannung ganz wunderbar die Haare zu Berge stehen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ando Guerillo
- Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es nicht wahr
- Au revoir golden air
Tracklist
- Goldenbergersteeg
- Wolf in bathtub
- Ando Guerillo
- Easy metal
- Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es nicht wahr
- Sunstudio wizard
- Au revoir golden air
Referenzen
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Nicoffeine - Admiring those artholes (5 Beiträge / Letzter am 04.12.2014 - 23:15 Uhr)