Elyas Khan - Brawl in paradise

BBE / Al!ve
VÖ: 20.09.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Der Radgeber

"She looks like a girl / But she's the whole wide world." Vielleicht war es letztlich die Geschwindigkeit, mit der Elyas Khan auf dem Drahtesel durch die Straßen Berlins tingelte, die ihm eine solch präzise und einschmeichelnde Zeile diktierte. Ja, vielleicht wurde es ihm, die Kopfhörer voller Soundschnipsel und Ideen, die irgendwann einmal sein erstes Soloalbum "Brawl in paradise" ergeben sollten, gar schummerig vor Augen, und was er eben noch für ein Mädchen gehalten hatte, war zum nächsten Gedanken bereits drei Straßenecken her und fortan unheilvoll verschränkt mit allem Weiteren vor diesen Augen, zwischen diesen Ohren. Eine Aufnahme-Session später ist auf "Brawl in paradise" endlich alles an seinem Platz. Und insbesondere die erste Viertelstunde spart dabei nicht an Großem und Größerem.

So zeigt sich "Top of the world" als poppiges Mitschnipp-Monster, ausgestattet mit leichten Dancehall-Phrasierungen, einem unwiderstechlichen Groove, Panjab-Schlusssatz und kantigem Standbass. Der Titelsong kocht darauf auf kleinerer, doch nicht minder kickender Flamme – balladesk zwar mit all seinen mollenden Klavieren und schwitzigen Streichern, doch auch vielseitig und distanziert. Und zu "Lowest of the low" zieht sich Khan schließlich endgültig das Rüschenhemd aus und probiert zwischen Primus-Funk, Beck-Beat und Zappa-Größenwahn erneut ganze Sonnenbrillenkollektionen durch. Man muss sagen: Allein in diesem Song-Dreigestirn stecken mehr Pop, Soul und Groove als sämtliche Radio-Stationen in Simultan-Schaltung ausspucken könnten.

Genau von hier an verlässt "Brawl in paradise" der unbedingte Pop-Wille allerdings spürbar – dies jedoch nur deshalb, weil Khan noch so einige Zungenschläge mehr aufs Parkett zu werfen hat. So fungiert "Alien in waiting" als zweiminütige Transfer-Marke, mit der sich Khans ebenso hochtönende wie bauchige Stimme um ein paar zwielichtige Loopschleifen herum immer hinein ins Art-Rock-Universum dreht. "The river" lässt dann über Es-erprobten Düster-Frequenzen die Geigen wimmern und die Percussions tickern, bis sich alles zu einem urweltlichen Veitstanz verdichtet, der als Refrain durchgehen könnte, wenn in jenen Zeiten, von denen auch "Three merry boys" fabuliert, schon so etwas wie eine Klimax zugegen gewesen wäre. Oder gar ein Happy end? "Three merry boys make their own toys / Your mamas gone with Hep C / Girls sing in church with HIV / They smile at you / They'e lonely" – nun gut, das klingt dann wohl doch sehr anders. Und Khan gibt seinen Texten halt stets die Musik, die sie verdienen.

So wird es auch erst im Restdrittel von "Brawl in paradise" wieder zunehmend schwül-warm. Allerdings bleiben "Bells" und "Cook the ocean" nun eher lässig als aufgeregt, trotz beinahe klassischem P-Funk-Basslauf und ein wenig Nachtreter-Gitarren, die – neben seiner Stimme – noch am ehesten an Khans New Yorker Hauptband Nervous Cabaret erinnern. Und da eben dieser final selbst nicht mehr zu wissen scheint, wie das noch gleich war mit der Senkrechten, lässt er den Disco-HipPop des abschließenden "Dear Eliza" lieber gleich von Mit-Wahl-Berlinerin Saudia Young vom Sofa schubsen. Das funktioniert, ebenso wie alles weitere, was Khan auf "Brawl in paradise" zwischen den Lauschlappen klingelt – und endlich den geordneten Rückzug nach draußen angetreten hat.

(Tobias Hinrichs)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Top of the world
  • Brawl in paradise
  • Lowest of the low
  • Three merry boys
  • Dear Eliza (feat. Saudia Young)

Tracklist

  1. Transmission room 804
  2. Top of the world
  3. Brawl in paradise
  4. Lowest of the low
  5. Alien in waiting
  6. The river
  7. Three merry boys
  8. Just a shadow
  9. Bells
  10. Cook the ocean
  11. What a party
  12. Dear Eliza (feat. Saudia Young)
Gesamtspielzeit: 39:40 min

Spotify