Watain - The wild hunt

Century Media / EMI
VÖ: 16.08.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Blutsbrüder

Normalerweise haben Hardrock- und Black-Metal-Bands nicht allzu viel gemeinsam. Es sei denn, es ist die Rede von den mittlerweile aufgelösten The Devil's Blood und Watain, deren Frontmänner Selim Lemouchi und Erik Danielsson wahrhaft Brüder im Geiste sind – aufgrund ihrer okkulten, zutiefst misanthropen Lebenseinstellungen und einigermaßen bizarrer, mit diversen Blutsauereien verbundenen Bühnenvorbereitungen. Andere wiederum behaupten, beide hätten gleichermaßen gewaltig einen an der Waffel – eine Einstellung, die Lemouchi auf dem letztjährigen "Bang Your Head"-Festival gegenüber einem aufmüpfigen Fan per Faustschlag untermauerte. Ganz objektiv allerdings eint beide Bands die konsequente Verachtung aller Konventionen – als Beispiel dafür sei einmal der Auftritt Watains in Wacken 2012 genannt, der für Black-Metal-Fans einer Anbiederung an den Overground gleichgekommen sein dürfte.

Insofern darf der erste Eindruck von "The wild hunt" getrost als ein Schlag ins Gesicht der selbsternannten Konventionshüter gelten. Denn wer sagt denn, dass Black Metal immer so klingen muss, als sei die Katze des Produzenten übers Mischpult gelaufen? Denn nach dem düster drohenden Intro "Night vision" gibt es bei "De profundis" statt Lo-Fi-Geschepper machtvolle Schläge in die Magengrube des Hörers. Treibende Blastbeats, vorangeschrien durch den geradezu pervers kranken Gesang Danielssons und nur zerrissen durch wuchtig-bombastische Midtempo-Breaks – diese Mixtur aus wahnwitziger Raserei und erhabener Düsternis ist genau das, was Black Metal so faszinierend macht. Erst recht, wenn sich dazu mitreißende Riffs wie beim folgenden "Black flames march" gesellen.

Diese neue Eingängigkeit wird den Fundamentalisten zwar die Zornesröte ins Gesicht treiben, sorgt aber dafür, dass der Wahnsinn der Schweden noch machtvoller wird, noch tiefer in die Seele eindringt und das Herz erkalten lässt. Grandioses Zeugnis hierfür ist die knapp neunminütige Ballade (sic!) "They rode on", bei der Danielsson zwar gesanglich durchaus an Nick Cave erinnert, dabei jedoch eine derart unfassbare, abgrundtiefe Bosheit versprüht, dass Caves "Murder ballads" dagegen wie kuschelige Wiegenlieder wirken. Und dass die Schweden trotzdem noch das Chaos beherrschen, zeigt der abschließende, geistesgestörte Speed-Bolzen "Holocaust dawn".

Es ist schon schizophren: Auf der einen Seite ist eines der Selbstverständnisse des Black Metal, Grenzen einzureißen und in neue Dimensionen vorzudringen. Auf der anderen Seite gibt es für Genrefans nach wie vor keine bessere Provokation als das Ausbrechen aus ebendiesen Grenzen – doch die Meinung der Stilwächter, denen der Vorgänger "Lawless darkness" schon zu kommerziell und zu langweilig war, dürfte Erik Danielsson herzlich egal sein. "The wild hunt" zeigt Watain im Gegenteil von einer konsequenten, fast schon sturen Seite, mit der sie Mut zur Eingängigkeit mit klirrender Kälte und düsterer Bösartigkeit verbinden. Man mag sich über die rituellen Bäder der Schweden in altem, siffigen Blut amüsieren oder ekeln – der Klasse von "The wild hunt" tut das jedoch keinen Abbruch.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Black flames march
  • They rode on
  • Holocaust dawn

Tracklist

  1. Night vision
  2. De profundis
  3. Black flames march
  4. All that may bleed
  5. The child must die
  6. They rode on
  7. Sleepless evil
  8. The wild hunt
  9. Outlaw
  10. Ignem veni mittere
  11. Holocaust dawn
Gesamtspielzeit: 62:41 min

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