Oathbreaker - Eros|Anteros

Deathwish / Indigo
VÖ: 20.08.2013
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Das Unbehagen in der Kultur

Im Feuilleton erfreut man sich derzeit an der Ankündigung, "ARTPOP", das neue Lady Gaga-Album, solle das Warhol-Prinzip umkehren: also die Kunst zum Pop machen. Joachim Hentschel notiert in der SZ in einer seltsamen Mixtur aus Ressentiment gegenüber dem Popbetrieb und gleichzeitiger Bewunderung für manchen Einfall der Gaga, sie gebe der Nacktheit endlich wieder Bedeutung. Vorausgegangen war dem die Kollaboration mit der Übermutter der Selbstentblößungen, Marina Abramović, und ein mit hochkuturellen Verweisen vollgepackter Auftritt bei genau jenen VMA's, bei denen Miley Cyrus ihren Hintern an Robin Thickes Schritt rieb. Zur Sicherheit: Thicke hat mit "Blurred lines" DEN Sommerhit 2013 eingesungen und trällert angeblich mit ganz viel Soul über nichts anderes als: sein Gemächt.

Nacktheit ist zur Routine verkommen. Und über Routinen und Traditionen gilt es, Rechenschaft abzulegen. Was steckt da drinnen, in dieser Ästhetik, diesen Themen und Ritualen? Wie lässt sich eine eigene Stimme finden in all den Codes? Auch für Oathbreaker stellen sich die Gaga-Fragen, wenn auch in einem zugegeben weit entfernten musikalischen Terrain. Dass sich in diesem Segment längst mehr E- als U-Musik finden lässt, dürfte sich zumindest bald auch im Feuilleton rumsprechen. Oathbreaker können in einem Atemzug genannt werden mit Bands wie Birds In Row, Rise & Fall, den deutschen Jungbluth und vor allen Converge, deren Kurt Ballou denn auch für dieses Album aushalf. Das Debüt "Mælstrøm" erhielt bereits 2011 verdientes Lob, auf dem zweiten Album trifft erneut Hardcore auf Punk und auf extremen Metal – heraus kommt eine wuchtige Platte, aber mit Fingerspitzengefühl.

"Eros|Anteros" ist sehr, sehr heavy und doch jenseits aller Tough-Guy-Plattitüden. Denn Oathbreaker schaffen es, der Harcore-Brutalität einen Sinn zu geben. Dass "Eros|Anteros" aus jedem Zähnefletschen und aus jedem zerhackten Akkord Funken schlägt, dass dieses Album mit keiner Sekunde stumpf nach Revanchismus klingt, ist Sängerin Caro Tanghe zu verdanken. Ihr Keifen wuchtet "Condor tongue", den mutmaßlich besten Hardcoresong diesen Jahres, in zweieinhalb Minuten durch das Auf und Ab eines Lebens. Während jedermann bei Youtube stimmbandschonend Growl, Grunt und Pig Squeal lernen kann und beim Volkshochschulkurs den Ausnahmezustand probt, klingt "Eros|Anteros" im besten Sinne radikal. Tanghe wirkt zu allem bereit – als sei dies ihre letzte Platte, als sei nur der eine Take entscheidend.

Oathbreakers zweites Album ist nochmals ein Sprung nach vorn, besser als das Debüt, ausgereifter, eigenständig, mit großer Souveränität geschrieben und eingespielt. Ivo Debrabandere am Schlagzeug treibt die Songs immer wieder vor sich her, nimmt plötzlich Fahrt heraus, akzentuiert, schaufelt Details frei. Ein dramaturgisch überragendes Spiel mit dem Tempo trennt Oathbreaker von den vielen ihrer Zunft, die sich am Hardcore mit Köpfchen versuchen. Oathbreaker sind, ich schreibe vom Kollegen Cadario ab, "mit ihrem rasenden Synapsen-Pogo das schlechte Gewissen für ideenlose Hardcorebands". Anstatt den Hörern so komplexe wie widerborstige Einzelteile vor die Füße zu werfen, erzählt das mit einem schicken Black-Metal-Riff einsteigende "No rest for the weary" tatsächlich eine Geschichte. "In the eye of rashness / The violence fades away."

(Nicklas Baschek)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • No rest for the weary
  • As I look into the abyss
  • Condor tongue

Tracklist

  1. (Beeltenis)
  2. No rest for the weary
  3. Upheaval
  4. As I lool into the abyss
  5. The abyss looks into me
  6. Condor tongue
  7. Offer aan de leegte
  8. Agartha
  9. Nomads
  10. Clair Obscur
Gesamtspielzeit: 32:00 min

Im Forum kommentieren

Animal

2015-08-09 14:18:33

Auch nach 2 Jahren Dauerrotation hat die Platte nichts von Ihrer Wucht und Fazination verloren. Immer noch eines meiner liebsten Hardcore/ Metal Records, gibt hoffentlich bald nachschub.

Delirium

2015-04-22 12:14:40

Nichts für alle Tage aber immer noch eines meiner Lieblingsalben aus dem Jahr. Zum Glück hat die Band durch Deathwish (und Caro Tanghe vermutlich) etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen, als das ansonsten der Fall gewesen wäre. Gerade waren sie hierzulande mit While She Sleeps, Cancer Bats und Hundredth unterwegs, aber mir war nicht so nach Gemetzel.

Eliminator Jr.

2015-04-21 20:18:42

Hab ich seinerzeit gekauft und völlig vergessen.. Werd ich mir mal wieder anhören.

Affengitarre

2015-04-21 20:12:05

Da ich weder zur Band noch zum Album einen Thread finden konnte, erstelle ich mal einen. Das Album erinnert an Converge, allerdings mit gewissen Blackmetal-Einschlag. Ist jedenfalls sehr stimmig.

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