Mark Lanegan - Imitations

Heavenly / PIAS / Rough Trade
VÖ: 13.09.2013
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Erinnerungskultur

Mark Lanegan will es diesmal wissen. Ein Jahr nach dem grandiosen "Blues funeral" und knapp vier Monate nach seiner in düsteren, melancholischen Tönen gehaltenen Kollaborationsarbeit mit Duke Garwood arbeitet der nimmermüde Maestro emotionaler Zwischenwelten an einem weiteren Aspekt seines facettenreichen Denkmals in Form eines neuen Solo-Albums. Fans der ersten und zweiten Stunde allerdings wissen: Nicht überall, wo Mark Lanegan draufsteht, ist dieser auch drin.

Bereits 1999 veröffentlichte der Mann mit dem schönsten sonoren Bariton seit Barry White (ja, das muss einmal eingestanden werden) mit "I'll take care of you" ein Meisterwerk, das nicht nur die ergreifendsten musikalischen Momente der vergangenen Jahre bereithielt, sondern zugleich einen Querschnitt und die Quintessenz amerikanischer Musikgeschichte in zum Teil eigenwilligen Interpretationen auf einen Silberling presste. Mit "Imitations", Nomen est omen, wiederholt Lanegan seinen Drang, Fremdkompositionen nach seinem Gusto und intimer Intensität zu reanimieren. Thematisch verzahnt auch die schlichte Gestaltung der Artworks Lanegans mittlerweile achtes Studio-Juwel mit seinem berauschenden Vorgänger vom Vorabend der Jahrtausendwende.

"Imitations" soll alle jene Gefühle vergegenwärtigen, die der Genius im Laufe seines musikalischen Lebens durchlebte. Von alten, in der Kindheit verankerten Erinnerungen an Stücke, die aus dem elterlichen Plattenspieler drangen und ihn begleiteten, bis hin zu jenen, welche der Meister in späteren Jahren schätzen und lieben lernte. Alles dies repräsentiere das neue Machwerk, was es zu einem Stück erlebter und erfahrener Erinnerungskultur werden lässt.

Seinen Einstand hält Lanegan mit dem dunklen Heilswunsch "Flatlands" von Chelsea Wolfe und orientiert sich sehr eng an der Vorlage. Mit rauchigem Timbre verlagert der 49-Jährige die sehnsuchtsvolle Tristesse der Wolfe in greifbare Fragilität. Ebenso entkleidet er Vern Gosdins Streicher-Schlager-Schmonzette "She's gone" von jeglichem schwülstigen Pathos und interpretiert den Song auf seinen herzzerreißenden Kern hin, nämlich Verlassensschmerz. Das ohnehin als Massenvernichtungswaffe einsetzbare "Deepest shade" von The Twilight Singers verliert in Lanegans minimaler instrumentaler Reduzierung nichts von seiner tiefen Zerrüttung, vielmehr gewinnt es dezentere Punktgenauigkeit in seiner letalen Trefferquote.

Diesem Grundsatz, durch Reduktion größere Emotionalisierung hervorzurufen, unterliegt auch Nancy Sinatras James-Bond-Titeltrack "You only live twice" zum gleichnamigen Sean-Connery-Vehikel von 1967. Aus der nostalgischen Rückerinnerung wird bei Lanegan plötzlich ein ernst zu nehmender Song mit Aussage. Auch die Verletzlichkeit in des großen Frankies "Pretty colors" scheint nur darauf gewartet zu haben, endlich hinter der granitdicken Orchestrierung hervortreten zu dürfen. Neben Nick Caves "Brompton oratory", Andy Williams' textlich depremierendem "Solitaire", Bobby Darins "Mack the knife", John Cales "I'm not the loving kind", Williams' "Lonely street", Gérard Mansets verstörendem "Elégie funèbre", von Lanegan ganz auf Französisch intoniert und "Autumn leaves" werden die verborgenen Geister ihrer "Originale" in kongenialer Dekonstruktion herausgekitzelt. Das macht "Imitations" zu dem Meisterwerk, das es ist. Möge sich der Maestro noch häufiger seiner Vergangenheit und Gegenwart erinnern.

(Peter Somogyi)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Flatlands
  • She's gone
  • Deepest shade
  • Elégie funèbre

Tracklist

  1. Flatlands
  2. She's gone
  3. Deepest shade
  4. You only live twice
  5. Pretty colors
  6. Brompton oratory
  7. Solitaire
  8. Mack the knife
  9. I'm not the loving kind
  10. Lonely street
  11. Elégie funèbre
  12. Autumn leaves
Gesamtspielzeit: 39:30 min

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Demon Cleaner

2013-07-09 09:13:38

Freut mich auch. Wobei ich die Mark-Lanegan-Band-Platten auch quasi als Soloplatten von ihm ansehe.

huibui

2013-07-08 22:32:41

"Yippi-Yay"
Ja, genau !!!
Habe es auch gerade entdeckt.
Den ersten song fand ich etwas öde, aber die Laneganplatten wachsen ja meist mit der Zeit!

Eine schöne Nachricht auf jeden Fall !!!

VelvetCell

2013-07-08 22:04:47

Mark Lanegan ist der Mann, der mit echten Soloalben zuletzt gegeizt hat, aber jenen Platten auf denen er kollaborativ zu hören war, durch seine einmalige Stimme derart seinen Stempel aufgedrückt hat, dass sie wie Lanegan-Platten klingen ...
Mein Lieblings-Sänger bringt jetzt nach dem grandiosen "I´ll Take Care Of You" (das schon einige Jahre auf dem Buckel hat) seine zweite Cover-Platte raus: Imitations. Erster Song ist gut und auch die ganze Platte wird (wie immer) gut sein, aber ich glaube mir gefällt die Kargheit von "I´ll take Care Of You" besser. Aber über ein neues Lanegan-Album freue ich mich immer.

http://marklanegan.com/

Yippie-Yay!

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