Willis Earl Beal - Nobody knows.

HXC / XL / Beggars / Indigo
VÖ: 06.09.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Macht einen Punkt

Wer kennt ihn nicht? Diesen Satz, mit dem jeder Sechstklässler seiner Umwelt schon einmal auf den Keks gegangen ist, um mit Achsowitzigkeit und frisch gelerntem Englisch zu protzen: "Nobody's perfect – I'm nobody". Wer sich jetzt beim empörten Kopfschütteln ertappt, trete bitte der Facebook-Gruppe "ICH WAR DAS NICHT! Ach so das. Ja, das war ich." bei und mache gefälligst einen Punkt. Wie Willis Earl Beal. Nicht nur im Titel seines zweiten Albums, sondern auch hinsichtlich seines ersten, für das selbst die Bezeichnung LoFi zu hoch gegriffen war. Neben der lodernden Stimme sorgte nämlich vor allem die spartanische Instrumentierung auf "Acousmatic sorcery" für großartige Skizzen an der Schnittstelle von Gospel und Singer-Songwriter. Aber Vorsicht: Laut Beal ist der Nachfolger – aha – "produced by nobody". Auch das noch.

Doch dieses Understatement ist echt – und wer wollte es Beal verübeln, dass er den Spieß umdreht, wo er doch eigenen Angaben zufolge zeitlebens eingetrichtert bekam, er sei ein Niemand? "I am nothing / Nothing is everything", hieß es schließlich bereits im bizarren Gamelan-Blues "Cosmic queries" auf "Acousmatic sorcery". Und auch wenn "Nobody knows." ein deepes, aber vergleichsweise konventionelles Soul-Album geworden ist, bleibt der Mann aus Chicago eine Ausnahmeerscheinung unter schwarzen Sängern, da er sich auf Bob Dylan und Captain Beefheart bezieht, seinen Texten öfters ein "fuck you" gönnt und ein stilisiertes Gesicht aufs Cover packt, das dem Motiv auf den T-Shirts von Millionen Nirvana-Jüngern nicht unähnlich ist. Vorsichtshalber stellt Beal aber klar: "This is not a smiley face." Hätte man sich ja denken können.

Dass "Wavering lines" als lupenreiner A-Capella-Track beginnt, in den sich erst durch die Hintertür ein paar schüchterne Streicher einschleichen, führt zu Anfang jedoch auf die falsche Fährte: Dieses Album hat bedeutend mehr zu bieten als minimalistisch gezupfte Spielzeugklampfen, Percussions aus gefundenem Blech und mutwillige Schrottigkeit als hinreichende Bedingung. Denn entgegen allen Ankündigungen leistet sich "Nobody knows." nicht nur richtiggehende Produktion, sondern gleich mehrere Sessionmusiker und zum köstlich rollenden Groove des von ansatzweisem Hawaii-Geklimper flankierten "Coming through" sogar Cat Power als Gastsängerin. Und so gibt es zärtlich auf die nur notdürftig verheilten Wunden statt rohe Hiebe wie noch vor kurzer Zeit. Hier hat jemand verstanden, dass man den gleichen Witz nicht mehrmals erzählen sollte.

Dennoch morphen die Songs weiterhin beständig auf eine Art und Weise, die Weg- oder Nebenbeihören unmöglich oder immerhin schwierig macht. Da scheucht der Stampfer "Too dry to cry" zunächst mit Handclaps und dicker Trommel auf und kramt dann eine mit spitzen Fingern gespielte Gitarre hervor, ehe sich Beal im wuchtigen Klagelied "Ain't got no love" immer mehr in Rage zürnt – und näher an Rock'n'Roll als bei "Hole in the roof" war er dank marschierender Drums und Slap-Bass ohnehin noch nie. Im Gegensatz dazu entbehren die akustischen Momente auch auf diesem Album nicht diffuser Bedrohlichkeit und stets präsenten Grundrauschens. Und spielt das Titelstück unheilvolle Bläser und schnippende Finger gegeneinander aus, weiß man längst: "Nobody knows." wird einen so schnell nicht mehr loslassen. Wie "Acousmatic sorcery" halt. Nur anders.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Coming through (feat. Cat Power)
  • Too dry to cry
  • Ain't got no love
  • Nobody knows.

Tracklist

  1. Wavering lines
  2. Coming through (feat. Cat Power)
  3. Everything unwinds
  4. Burning bridges
  5. Disintegrating
  6. Too dry to cry
  7. What's the deal?
  8. Ain't got no love
  9. White noise
  10. Hole in the roof
  11. Blue escape
  12. Nobody knows.
  13. The flow
Gesamtspielzeit: 57:01 min

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