Ed Kowalczyk - The flood and the mercy
V2 / H'artVÖ: 06.09.2013
Der Pfad der Erkenntnis
Spiritualität ist kein Kriterium, um die Qualität einer Platte zu beurteilen. Doch im Gegensatz zu einem Großen wie Johnny Cash fehlt es bei Ed Kowalczyk, dem ehemaligen Frontmann der Band Live, ganz einfach an der dazugehörigen Seele, welche die Aussagen eines Sinnsuchenden nicht nur als simple Plattitüden und seierndes Gewäsch offenbart. Den Texten geht einfach dieTiefe abhanden. Etwas, das fühlbar ist. Nun können und wollen wir Kowalczyk natürlich nicht seine Gläubigkeit absprechen, die sich hinter dem Berg an biblischen Bildern wie Flut, Gnade, Täler, heiligen Tränen und so weiter und so fort versteckt. Aber Kowalczyk hantiert mit diesem metaphorischen Arsenal so spendabel, dass es auf Dauer sehr hohl erscheint und ja, auch ziemlich auf die Nerven geht.
Mit etwas mehr Toleranz könnte darüber natürlich auch hinweggeschaut werden. Was aber im Grunde noch viel schlimmer erscheint, ist dass Kowalczyk wie in der Halbballade "Angels on a razor" zu sehr aus dem Repertoire von Bon Jovi plündert und seinen Middle-of-the-road-Stiefel eisern durchzieht. Das Ergebnis klingt dabei sehr oft nach 3 Doors Down, was "The flood and the mercy" nicht viel besser macht. Mit "The one", "Seven", "All I wanted" und "Supernatural fire" schwankt Kowalczyk zwischen obligatorischer Schwermut und Gaspedalrockern, auf die Brad Arnold wohl neidisch gucken dürfte. Bedauerlicherweise gibt es mit "Cornerstone" noch eine allzu aufgeblähte Gospelballade, die Kowalczyk mit viel Klavier und Pseudo-Gefühl final kaputt jodelt. Thematisch ist der Barde fortwährend auf der Suche nach Seele, Liebe und sich selbst. Warum auch nicht, dafür sollte es auch mit Mitte 40 noch nicht zu spät sein. Statt billiger Selbstbezüglichkeit aber müsste diese Seinssuche vielleicht auch den Hörer packen, um wenigstens so etwas wie musikalischen Genuss zu erzeugen.
Durch einzelne Lieder scheint noch die einstige Größe dieses Mannes durch, der Mitte der 1990er mit Live groß auffuhr. "Take me back" und "The watchman's lament" zeugen noch von letzten Spuren Ungehorsams eines Twentysomethings, der mehr möchte als nur Musik für Mutti und Vati zu machen. Würden wir ausblenden, dass Kowalczyk und seine Band Live mit "Throwing copper" und "Secret samadhi" zwei wichtige und gute Alben veröffentlichte, würde "The flood and the mercy" wohl nicht so sauer aufstoßen. Ausblenden geht aber nicht, denn wir wissen ja, zu was der Mann an guten Tagen imstande wäre. Oder war. Denn damit erfüllt dieses wieder einmal bis an den Rand mit spiritueller Sinnsuche gefüllte, zweite Soloalbum nur die Befürchtungen, die schon die letzten Platten der Band und "Alive" befeuerten. Bitte weiterpilgern.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Take me back
Tracklist
- The one
- Seven
- Angels on a razor
- Parasite
- All that I wanted
- Take me back
- Holy water tears
- Supernatural fire
- Bottle of anything
- The watchman's lament
- Cornerstone
Referenzen