Balance And Composure - The things we think we're missing
Hassle / SoulfoodVÖ: 13.09.2013
Vergangenheitsbewältigung
Man erinnere sich zurück. An die Zeit, als man noch einige Lenze jünger war. Als man nachts nach dem dritten Bier Laternen austreten ging, weil ein irgendwie rebellischer Gestus altersbedingt noch schick, der Feind bekannt war. Als man Dinge wie Postmoderne im besten Falle als verschwurbeltes Gefasel abtat. Oder wahlweise noch nie gehört hatte. Und vor allem, als Begriffe wie Emo, New Metal und dergleichen noch für Genrebezeichnungen frei von jeglicher negativer Konnotation standen. Man mag grundverschieden reagieren, ob eines solchen Ausflugs in vergangene Tage. Manche werden kopfschüttelnd abwinken, manche werden milde lächeln, und wiederum andere werden mit feuchten Augen in Nostalgie schwelgen.
Ohnehin ist die Reaktion im Falle von Balance And Composure ziemlich egal - ihre Songs drehen die Zeit unweigerlich zurück. Ein Album als Anachronismus, wenn man so will. 13 Songs, die wirken, als wären sie irgendwann aus der Zeit gefallen, nur um im Hier und Jetzt aufzuschlagen. Songs, in etwa aus den Jahren, als die Deftones gerade "White pony" veröffentlicht haben und als man tatsächlich noch offen zugeben durfte, Linkin Park gut zu finden. Womit auch schon, wenn auch sehr schemenhaft, die Pole umrissen wären, zwischen denen die Songs auf "The things we think we're missing" umherwabern. Da bilden wuchtige Bratzgitarren die Leuchttürme, um dem stets spürbaren Hang zur feinen Melodie den Weg zu weisen, durch die dunkel und verhallt gehaltene Klangcouleur. So verkitscht das auch klingen mag, es funktioniert über weite Strecken. An manchen Stellen begeistert es gar. Etwa wenn sich der Opener "Parachutes" ohne Umschweife losreißt und seinen zwölf Nachfolgern im Brustton der Überzeugung den Weg weist. Oder wenn "Reflections" sich dem Alternative Rock hingibt und beinahe ein kathartisches Gefühl bei seinen Hörern aufkommen lässt. Kraftvoll und doch nicht prollig, groß und doch nicht pompös. So klingen Balance And Composure, wenn sie zu Höchstform auflaufen.
Nur erreichen sie selbige leider etwas zu selten. Woraus sich im Laufe eines Albums, das im Wesentlichen nur eine Richtung kennt, ein Problem ergibt - man vermisst mit der Zeit schlichtweg die Abwechslung. Auch wenn die Band mit "Ella" und "Dirty head" durchaus versucht, stimmungsvolle Zwischentöne unterzubringen, leidet "The things we think we're missing" unter der einen oder anderen Länge. Zu selten wagt die Band ein Experiment, zu zögerlich wird der Sound aufgebrochen. Solange man aber immer wieder mit Glücksgriffen wie "Cut me open" entschädigt wird, fällt das nicht allzu gravierend ins Gewicht. Am Ende lässt man sich trotz einiger Schwachpunkte schließlich doch gerne mitnehmen auf die kleine Zeitreise mit Balance And Composure. Denn wie auch immer man zur musikalischen Vergangenheit stehen mag - dieses Album dürfte dafür sorgen, dass so ziemlich alle ihren Frieden mit selbiger machen. Man muss ja deshalb nicht gleich Laternen austreten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Parachutes
- Cut me open
- Reflections
Tracklist
- Parachutes
- Lost your name
- Back of your head
- Tiny raindrop
- Notice me
- Ella
- Cut me open
- Reflection
- I'm swimming
- When I come undone
- Dirty head
- Keppsake
- Enemy
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