Adolar - Die Kälte der neuen Biederkeit

Zeitstrafe / Indigo
VÖ: 06.09.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

So nah dran

Es könnte so leicht sein mit einer Band wie Adolar. Würden die nämlich zu jeder ihrer Platten einen kleinen Beipackzettel, gespickt mit allen mehr oder weniger abenteuerlich verkürzten Klischees und Worthülsen über ihr eigenes Schaffen beilegen, die so herumfliegen in verstiegenen Pseudo-Fachgesprächen, verschwitzten Clubs, Freundeskreisen, WG-Küchen und nicht zuletzt im hiesigen Forum - die Arbeit sämtlicher Rezensenten wäre getan. Schließlich wäre im leidlich übersichtlichen Spannungsfeld der Be- und Zuschreibungen, irgendwo zwischen quer laufenden, aufeinander einprügelnden Takten, Musik für Mittzwanziger, Post, Punk, wahlweise cleveren, affektierten oder befindlichkeitsfixierten Texten und natürlich Captain Planet für alle etwas dabei. Das bedient dann zwar aber alle, klingt aber auch der Beschreibung nach dermaßen wild, dass die Chose zwischenzeitlich etwas nervt.

Das dachten sich möglicherweise auch Adolar. Die haben sich für ihr neues Werk nämlich allerhand einfallen lassen. So spotten sie höhnisch über alles bislang Gesagte, kleistern mit "Die Kälte der Neuen Biederkeit" tatsächlich einen halbwegs griffigen Titel auf ihr neues Album und räumen bei dieser Gelegenheit direkt mal das eigene Durcheinander kräftig auf. Die quietschbunte Ideenkiste voller Dinge, die eigentlich nicht zueinander passen wollen, die irgendwo im Adolarschen Proberaum für Inspiration gesorgt haben muss? Wenigstens teilweise eingemottet. Auch wenn die Single "Halleluja" es vorab nicht vermuten lässt: Heute begnögt man sich für einen Song viel lieber mit einer überschaubaren Anzahl an Ideen, spielt diese dafür aber konsequent zu Ende. Hyperaktivität weicht durchdachten Strukturen, die Tobsuchtanfälle früherer Tage werden durch ein immer schon dagewesenes feinsinniges Gespür für Melodien eingetauscht. Schon wenn "Rauchen" gemächlich in den Raum wabert und sich alle Zeit, die es braucht, nimmt, um zu mehr Größe und Lautstärke zu gelangen und die erwartete eingesprungene Blutgrätsche auf Hüfthöhe doch nur andeutet, wird offenbar: Nie klangen Adolar so geradlinig und nachvollziehbar wie heute. Und stellenweise auch nie spannender und wendiger. Da geht der Weg eben mal direkt von bislang ungewohnter Fröhlichkeit voller Streicher im formidablen "Raketen" über ein dröhnendes Synthiegewitter am Ende des folgenden Titeltracks zum direkten Vorwärtsdrang von "Blumen". Und das alles frei von etwaigen musikalischen wie textlichen Untiefen.

Natürlich sind Adolar trotz alledem noch immer auch die Band, die sich auf ihre eigenen Trademarks versteht. Stücke wie das erwähnte "Halleluja" oder "Inspektor Brötchen" pflegen die altbekannten, aufgekratzt neben den Takt gebürsteten Gitarrenfurien, die Beats, die sich nie entscheiden können, in welche Richtung es denn gehen soll. Zumal letzteres die anfangs angedeutete Blutgrätsche dann tatsächlich auspackt. Das sind dann die Stücke, die man - daran rütteln auch die Bläser am Ende von "Halleluja" nicht - so von dieser Band erwarten durfte. Und natürlich proben Adolar auch sonst mitnichten die komplette Revolution im Bandsound. Man erkennt zumeist ohne Schwierigkeiten, wer sich Songs wie das konsequent leicht neben dem Ton eingesungene "Diesig" ausgedacht hat. Auch auf textlicher Seite haben sich Adolar ihre latente Unangepasstheit beibehalten und in Richtung mancher Gesellschaftsteile den einen oder anderen giftigen Seitenhieb parat ("Die Kälte der neuen Biederkeit", "Halleluja").

Neu ist nur der klare Plan, die Stringenz, mit der Adolar ihre Songs vortragen. Da ist bisweilen das letzte bisschen gefunden, das bisher zu den großen Momenten gefehlt hat. Spielerisch greifen die Ideen ineinander und befördern ungeahnt strahlende Songs an die Oberfläche. Die Schönheit von "Raketen", der Schwermut von "Salmiak" - selten kamen die Stücke mitsamt ihrer Stimmung besser zur Geltung als auf diesem Album. Und wenn zukünftig noch auf die ein oder andere arg windschiefe Gesanglinie und etwas nichtssagende Songs wie "Nach Schweden ziehen" verzichtet wird, sind Adolar endgültig beim Meisterwerk angelangt. Bis dahin sind sie weiterhin nahe dran.

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Raketen
  • Neue Biederkeit
  • Kanüle

Tracklist

  1. Rauchen
  2. Raketen
  3. Neue Biederkeit
  4. Blumen
  5. Diesig
  6. Halleluja
  7. Nach Schweden ziehen
  8. Inspektor Brötchen
  9. Salmiak
  10. Kanüle
Gesamtspielzeit: 51:37 min

Im Forum kommentieren

Dielemma

2014-12-13 12:53:11

schade, dass ich erst durch die Auflösung auf die Band aufmerksam wurde. Diese Album trifft auf jeden Fall schon mal meinen Geschmack. Gute Rockmusik aus Deutschland, schön!

Jennifer

2014-12-04 10:00:29

Hier jetzt auch offiziell.

rip

2014-11-30 13:50:10

ja!

auflösung?

2014-11-28 13:41:00

lösen die sich auf? sänger verkauft seinen bass und jetzt verscherbeln die ihren merch für jeden preis

Revolverheldfan

2014-01-02 17:00:56

Die Jungs von Adolar sind eben alle grundsympathisch und machen echte handgemachte Musik, die auch noch richtig derbe rockt!

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