Esmerine - Dalmak

Constellation / Cargo
VÖ: 30.08.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Zur Verzweiflung gebracht

Esmerine als den kammerklassischen Ausläufer von Constellation Records zu bezeichnen, stimmt auch im Jahr zwölf nach Bandgründung. Eben dieses Korsett wurde Cellistin Rebecca Foon und Drummer/Percussionist Bruce Cawdron im Vorfeld von "Dalmak" nun allerdings erstmals zu eng. Deshalb kündigte Cawdron kurzerhand bei Godspeed You! Black Emperor, wird allerdings beim nächsten Lebenszeichen der heißgeliebten Montrealer Postrocker in geschätzten zehn Jahren selbstverständlich wieder mit an Bord sein (Zeit genug hat er bis dahin ja). Zudem erweiterten sich Esmerine durch die Hinzunahme von Jamie Thompson und Brian Sanderson zum waschechten Quartett und spielten "Dalmak" mit einer weiteren instrumentalen Viererbande im prä-revolutionären Istanbul ein. Ganz recht: Da wird das Kämmerlein schwuppdiwupp zum Clowns-Töff-Töff. Was sich auf die Lichtstimmung von Esmerine aber natürlich in keinster Weise auswirkt.

Stattdessen interessieren sich Foon, Cawdron und Co auch auf ihrem vierten Album lieber für Tiefgebrummtes, Jammergeplagtes und Inschönheitsterbendes. Neu ist hingegen, dass sie die hierzuohren nicht eben als Trauerkloß verschriene türkische Folklore gleich mit zur Verzweiflung bringen. So beantwortet "Barn board fire" den vor blutroter Abendsonne dräuend herumpolternden Western-Vibe von "River blues II" zunächst zwar mit einem beinahe leicht gestimmten Hochzeitstanz. Vorangeschubst von einem tief groovenden Bass und Cawdrons Schlagzeug spielen Esmerine und Kollegen hier allerdings auch derart viele schnippend betonte Auftakte auf allerlei Schlagwerk, Flöten und Lauten, dass der Hörer sich schon fragt, woher sie gleichzeitig diese verdammte Melancholie gewinnen können. Und warum das gesamte Stück immer wieder aufsprudelt, als befände man sich tatsächlich in einer Komposition ihrer weitaus (post-)rockigeren Labelkollegen. Oder weshalb eben diese in der Regel eine Viertelstunde für so etwas brauchen, während Esmerine nicht nur hier handliche Fünfminüter arrangieren.

Nun gut: Um derart viel Euphorie auf Dauer nicht zu erliegen, gibt sich "Hayale dalmak" ausschließlich seinem hitzeflimmernden Klangteppich hin. Und "Yavri yavri" beschließt mit spooky Glockenspiel und Klagegesang ein Album, das durch eines von Foons Cello-Gebeten überhaupt erst stilecht ausgeparkt wird. Auch "Translator's clos I" beginnt als Score zu einem Film, in dem die Zombies beinahe schon erwacht, die Liebe Deines Lebens hingegen gerade erst gestorben ist. Dennoch zuckelt da irgendwann auch die Laszivität eines James-Bond-Themas durch die Zithern, während die Geigen einen Serienmörder durch den Prager Herbstnebel jagen, die Percussions hingegen "Herr Tarantino, Abspann bitte!" rufen. Sie alle aber finden: Die Welt kann gar kein schlechter Ort sein, wenn man gemeinsam derart wunderbar an ihr verzweifeln kann. Kamma so sehen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Lost river blues II
  • Barn board fire
  • Translator's clos I
  • Translator's clos II

Tracklist

  1. Learning to crawl
  2. Lost river blues I
  3. Lost river blues II
  4. Barn board fire
  5. Hayale dalmak
  6. Translator's clos I
  7. Translator's clos II
  8. White pine
  9. Yavri yavri
Gesamtspielzeit: 42:13 min

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