Travis - Where you stand

Red Telephone Box / Rough Trade
VÖ: 16.08.2013
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

The invincible band

Es sorgte für reichlich Verwirrung, als Fran Healy vor zwei Jahren via Twitter die Anschaffung eines "metal detectors" erwähnte. Suchte er nach neuer musikalischer Inspiration? Was würde das für seine pausierende Band Travis bedeuten? Würden sie als Comeback ihre Debüt-Single "All I want to do is rock" noch einmal unter dem Namen "All I want to do is metal" veröffentlichen? Könnte man gar ein Duett mit James Hetfield erwarten? Oder wenigstens mit Doro Pesch? Weder noch. Der Metalldetektor war bloß ein erlebnispädagogisches Geschenk für Söhnchen Clay. Healy findet schließlich auch ohne Hilfsutensilien die edelsten Metalle. 12 goldene Schallplatten und 23 Platin-Auszeichnungen sprechen für sich. Und selbst seine Haare schimmern mittlerweile silbern.

Wir schreiben Jahr 14 nach "Why does it always rain on me?". Eine halbe Dekade haben Travis damit zugebracht, sich ausschließlich dem soliden Familienväter-Dasein zu widmen. Abgesehen von Healy, der 2010 sein Soloalbum "Wreckorder" veröffentlichte, auf dem sogar Paul McCartney ein Lied lang den Bass zupfte. Irgendwann beschlossen die vier Schotten, regelmäßige Band-Familientreffen zu organisieren. Während die Gattinnen miteinander parlierten und die lieben Kleinen sich spielend vergnügten, tauschten die Herren Musiker ganz ungezwungen Songideen aus. Und wie die Kinder bei jeder dieser Zusammenkünfte weiter heranwuchsen, so entwickelten sich auch die Songideen mit der Zeit zu veritablen Stücken. Elf davon kann man nun auf "Where you stand", dem siebten Studioalbum der Band, hören. In exakt der Reihenfolge ihrer Entstehung.

"Why did we wait so long?", singt Healy im Opener, und nach den folgenden 42 Minuten kommt niemand, der zwei funktionstüchtige Ohren hat, mehr an dieser Frage vorbei. Mit anderen Worten: Travis haben hier ihr bestes Album seit "The invisible band" abgeliefert. Was zum einen den dieses Mal besonders prägnanten Melodien und Arrangements zu verdanken ist, zum anderen an der Vielseitigkeit garantierenden Tatsache liegt, dass Healy das Songwriting nicht mehr nahezu alleine stemmen musste. Bei den ersten beiden Singles etwa, "Where you stand" und "Moving", war Bassist Dougie Payne, früher ungerechterweise nur der Mann für die B-Seiten, federführend. Und dann gibt es da diesen Song namens "New shoes", ein tiefenentspanntes Soul-Pop-Soufflé mit urbanem Charme und unverschämtem Groove, das man musikalisch niemals mit Travis in Verbindung bringen würde. Wenn Healys Stimme nicht unverkennbar wäre.

Auch ein ungekämmtes Rhythmusgruppen-Spektakel wie "Another guy" hätte man Travis wohl kaum zugetraut - obwohl bereits ihr letztes Album, "Ode to J. Smith", deutlich dynamischer und energetischer ausgefallen war als seine Vorgänger. Dass die Band sich dieses Mal auffällig oft in bislang von ihr unerschlossene Gebiete hervorwagt, dürfte auch mit dem in Berlin ansässigen schwedischen Produzenten Michael Ilbert zu tun haben, der, wenn man sich den furchtlosen Facettenreichtum seiner bisherigen Kollaborationen ansieht (The Cardigans, Tocotronic, Backstreet Boys, The Rasmus), selbst keinerlei Berührungsängste zu haben scheint. Eine gewisse Radiofreundlichkeit ist auf dem neuen Travis-Werk keineswegs zu überhören, vor allem nicht im ungewohnt tanzbaren "Reminder". Sie steht allerdings immer ergeben im Dienste des Songs und des euphorischen Gefühls einer gloriosen Reunion. Auch wenn es nie eine Trennung gegeben hat.

Auf "Where you stand" gibt es kein einziges Lied, dem nicht jeder denkbare Edelmetall-Erfolg zu gönnen wäre. Das stattliche Hit-Potenzial lässt sich bereits nach einer Minute erahnen, wenn die gesamte Band mit der imposanten Macht einer sanften Naturgewalt ins hymnische "Mother" einsteigt. Der nahtlos elegante Übergang zu "Moving" unterstreicht die erfreuliche Tatsache, dass hier alles ausgesprochen kunstvoll ineinandergreift: die Melodien, die Arrangements, die Emotionen. Vieles wäre erwähnenswert. Zum Beispiel die schwelgerische Größe von "A different room", das aus freiheitsliebenden Gitarrenakkorden geschneiderte Sechziger-Jahre-Flair von "On my wall", das mit überraschend elektronischen Accessoires verzierte "Boxes" und natürlich "The big screen", die große Piano-Ballade zum Finale. Vor allem jedoch, dass Travis im dreiundzwanzigsten Bandjahr wahrlich nicht mehr am Anfang stehen. Und, was viel wichtiger ist: noch lange nicht am Ende.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mother
  • Moving
  • Where you stand
  • New shoes

Tracklist

  1. Mother
  2. Moving
  3. Reminder
  4. Where you stand
  5. Warning sign
  6. Another guy
  7. A different room
  8. New shoes
  9. On my wall
  10. Boxes
  11. The big screen
Gesamtspielzeit: 42:06 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2024-05-16 20:28:41

Und diese Melodien in "A different room"...

The MACHINA of God

2024-05-16 20:22:43

"Mother" ist so ein wunderbarer Opener. Eh ein richtig gutes Album. Und diese Band einfach so sympathisch.

The MACHINA of God

2014-04-05 16:41:28

"The big screen" ist auf jeden Fall das Lowlight. Wenn ich da an die beiden göttlichen Closer des Vorgängers denke...

Kusan 87

2014-04-05 15:34:49

"Musie
the boy with no name war ein seltsames album. als album mittel, aber die lieder an sich fast alle richtig gut."

Das höre ich ähnlich. Ich gebe dem Sound die Schuld.

hubschrauberpilot

2014-04-05 14:29:02

für mich ist ein weiterer schwachpunkt another guy. insgesamt sind viele songs bei mehrmaligem hören eher mittelmäßig.

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