Scott & Charlene's Wedding - Any port in a storm

Fire / Cargo
VÖ: 26.07.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Slack mich doch

Was passiert, wenn man als Musiker nach New York zieht? Man muss jeden Drecksjob annehmen, um über die Runden zu kommen, erfolglos bei Konzertveranstaltern und Plattenfirmen Klinken putzen gehen und ein ganzes Jahr suchen, bis man die richtigen Mitmusiker beisammen hat. So verhielt es sich zumindest bei Craig Dermody aus Melbourne, doch der gute Mann dürfte abgebrüht genug sein, um sich denken zu können, dass es nicht nur ihm so ergangen ist. Also sagt er sich "Leckt mich doch", benennt seine Band aus einer Art fehlgeleiteter Heimatverbundenheit heraus nach Kylie Minogues und Jason Donovans Eheschließung in der australischen Seifenoper "Neighbours" und nimmt Songs auf. In der Not frisst der Teufel nämlich nicht nur Fliegen wie in der Redensart aus dem Albumtitel, sondern spielt auch Gitarre.

Dazu bemalt Dermody die Covermotive seiner Platten mit lustigen beziehungsweise schmollenden Gesichtern und handelt stets nach dem Grundsatz: Schreibe über das, was Du kennst. Also über miese Arbeitsbedingungen, merkwürdige Frauengeschichten und die Gestalten des New Yorker Nachtlebens, wie es die Slacker verschiedenster Rockgenerationen vorgemacht haben. Halb mürrisch durch die Lou-Reed-Sonnenbrille blinzeln und gedanklich mit Stephen Malkmus über die "Shady lane" schlurfen – das war schon auf seinem Debüt "Para vista social club" ein Leichtes für Dermody. Und wenn Kurt Vile an einem schönen Tag erst aufwacht, hat der Australier seine Schicht als Schiffschaukelbremser auf Coney Island oder Wurstpellenfabrikpraktikant schon fast hinter sich.

Dann heißt es "Clock out and leave" und die Gitarre umgeschnallt – vergessen sind die Fährnisse des ungeliebten Tagewerks. "Gammy leg" etwa beklagt eine fiese Fleischwunde, die sich Dermody einmal bei der Arbeit zuzog, ihn jedoch nicht daran hinderte, einen charmanten LoFi-Rocksong mit diskret vernöltem Gesang darüber zu schreiben. Selbst wenn er dabei auf einem Bein hätte hüpfen müssen. Und all das kommt so gut zusammen, dass er das auch gerne öfter machen darf. Sogar elf Mal. Themen gibt es genug. Den "Junk shop", wo Dermody bevorzugt abhängt, Scherereien mit der "Lesbian wife" oder sein Dasein als Türsteher, das hauptsächlich daraus besteht, weibliche Gäste vom Rauchen abzuhalten: "My title is Security / But I don't think I do that much." Hätten wir jetzt auch nicht angenommen.

Im Studio ist Dermody dafür umso fleißiger, ersinnt infektiöse Melodien am Stück, lässt die Leadgitarre jaulen und die Akustische schrummeln. Und wer nun einwendet, dass alle Stücke gleich klingen, wird nach ausgiebigem Rumhängen mit diesem Album kleinlaut ergänzen müssen, dass sie auch alle gleich gut klingen. Dermody denkt währenddessen wahrscheinlich gar nicht daran, die zerschlissene Jacke mit den grungigen Clubrückständen abzulegen – es sei denn, er zieht zur Feier des Tages kurz einen Trainingsanzug an, weil gerade Batman vorbeiflattert. Sicher waren Scott und Charlene damals schicker gekleidet, doch Dermody hat dafür einen Haufen guter Songs statt bloß kitschtriefende Soundtracks für Zahnpastawerbung. Und dank denen klappt es vielleicht sogar mit der Nachbarin. Natürlich nur, sofern sie auf Männer steht.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Junk shop
  • Lesbian wife
  • Fakin' NYC
  • Gammy leg

Tracklist

  1. Junk shop
  2. Lesbian wife
  3. 1993
  4. Fakin' NYC
  5. Clock out and leave
  6. Jackie boy
  7. Downtown
  8. Spring St
  9. Gammy leg
  10. Charlie's in the gutter
  11. Wild heart
Gesamtspielzeit: 39:40 min

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