
No Age - An object
Sub Pop / CargoVÖ: 23.08.2013
Mit voller Wucht
"Habt Ihr schon angefangen? Ist sie schon fertig? Wann kommt sie raus?", Fragen über Fragen, die auch wir Rezensenten ab und an hören, wenn jemand die Besprechung seiner Lieblingsplatte kaum noch abwarten kann. Im Fall von Dean Spunt, Sänger und Schlagzeuger der kalifornischen Noise-Rocker No Age, wurden die Fragen zu einer Art Anfeuerungsruf. Nachdem immer mehr Fans einen Nachfolger des 2010er Albums "Everything in between" herbeisehnten und forderten, wuchs in Spunt nicht nur der Wunsch nach einem neuen Album, sondern er bekam auch Lust, dieses selbst zu produzieren. Und das Ergebnis ist zumindest bei der CD-Version von "An object" ein Kunstwerk für sich geworden: Nach mühevoller Bastelarbeit darf sich der Hörer auf ein kleines Miniabenteuer mit vielen bunten Karten und Bildern freuen.
So weit, so gut, so viel zum äußeren Erscheinungsbild von "An object". Und was kann das Teil sonst? Eine unbequeme Platte habe man machen wollen, wie in den Anfangstagen, als weder Spunt noch sein Kollege Randy Randall wirklich wussten, wie man überhaupt Instrumente spielt, Songs schreibt und sie dann schließlich singt. Ein kompromissloses Vorhaben, das aber, wie man bereits beim ersten Hördurchgang der Vorabsingle "C'mon, stimmung" wusste, auf wundersame Weise geglückt ist. Dass da im Hintergrund natürlich keiner lautstark "Und jetzt alle!" brüllt, ist eh klar, aber die Wucht, mit der der Song den Hörer trifft, ist erbarmungslos und tröstend zugleich: Sie können es noch. Und wie. Und am Ende johlen doch alle mit.
Der Minimalismus der meisten Stücke, die glückliche Gabe, dass No Age nicht viel brauchen, um alle glücklich zu machen, die stellenweise überraschende Einführung unerwarteter Instrumente – all das macht "An object" trotz seiner viel zu kurzen Spielzeit zu einem erstklassigen Hörerlebnis. Vom Punkeinschlag des Openers "No ground", auf dem Spunt klingt, als wolle er sich für eine Neuauflage der Ramones bewerben, bis zum gelungenen Einsatz von Streichern im deutlich schwermütigeren "An impression", der trotz allem die Stimmung nicht in einen melodramtischen Einheitsbrei abkippen lässt, gibt es allerlei zu entdecken. Da wäre auch noch das Interlude-artige "My hands, birch and steel", das so grobkörnig daherkommt, dass man sich den Sand aus den Ohren waschen möchte oder das darauffolgende "Circling with dizzy", das klingt, als würde etwas fehlen – und man hält bis zum Schluss den Atem an, um die Explosion, die nie stattfindet, ja nicht zu verpassen.
Ab und zu kommen sie dann aber doch, die kleinen Verschnaufpausen, die kleinen Perlen, mehr oder weniger einfach gestrickt, die offenbar nur zum Beglücken da sind. "C'mon, stimmung" ist ein solches Kleinod, das direkt mitreißt und die Emotionen überschäumen lässt. Oder aber "I won't be your generator", bei dem No Age ihre Ohrwurmtauglichkeit beachtlich unter Beweis stellen und eine beinahe ausgelassen-poppige Fete am Meer schmeißen, bei der es schließlich anfängt zu regnen. Macht nichts. Mit "Commerce, comment, commence" folgt letzten Endes noch der logische ungemütliche Abschluss. Zäh, träge, düster zieht sich der Song über zwei Minuten hin, bis sich eine Wand aus weißem Rauschen vor dem inneren Auge aufstellt und einem störrisch den Weg versperrt. Drüberklettern? Zwecklos. Aber als ob das irgendjemand wirklich wollte.
Highlights & Tracklist
Highlights
- I won't be your generator
- C'mon, stimmung
- An impression
- Circling with dizzy
Tracklist
- No ground
- I won't be your generator
- C'mon, stimmung
- Defecter/ed
- An impression
- Lock box
- Running from a-go-go
- My hands, birch and steel
- Circling with dizzy
- A ceiling dreams of a floor
- Commerce, comment, commence
Im Forum kommentieren
saihttam
2014-01-08 01:04:05
Dem kann ich auch zustimmen.
Die beiden Joy-Division-Platten gehören auch zu meinen absoluten Lieblingsplatten und sind in ihrer rohen Emotionalität nicht zu überbieten. Sie können in der falschen Stimmung aber schon auch anstrengend werden. Aber wenns dich packt, dann mit so einer ungeheuren Wucht!
Eine Band, bei der bei mir der letzte Funke einfach nicht so richtig überspringen will, sind tatsächlich Arcade Fire. Naja, aber nun mal wieder langsam zurück zum eigentlichen Thema.
Desare Nezitic
2014-01-07 22:19:20
"Dadurch bewahren solche Bands bzw. Alben natürlich auch viel von ihrem Zauber..."
Kann man so einrahmen.
Herder
2014-01-07 22:14:07
Na dann sind wir uns doch einig: Manche Bands, auch wenn man sie sehr bewundert, kann man nicht dauernd oder zu jedem Anlass hören: Bright Eyes' "Lifted" finde ich wahnsinnig gut, dennoch kann ich das Album nur wohl dosiert hören.
Dadurch bewahren solche Bands bzw. Alben natürlich auch viel von ihrem Zauber...
Desare Nezitic
2014-01-07 22:07:15
Ui, JD ist tatsächlich eine meiner Lieblingsbands. Dieses Unterkühlte geht mir auch irgendwie so richtig nahe.
Ich höe es aber prinzipiell auch nur in bestimmten Situationen. Es entfaltet dann erst alles seine richtige Wirkung.
Herder
2014-01-07 22:00:06
Desare Nezitic, mir geht es bei Joy Division so. Mir ist das atmosphärisch irgendwie zu konsequent unterkühlt, obwohl ich sie dafür auch sehr bewundere. Unbedingt hören will ich das aber nicht dauernd, höchstens ab und an bzw. äußerst gut dosiert...
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