Washed Out - Paracosm
Domino / GoodToGoVÖ: 09.08.2013
Ein Bett im Kornfeld
Er konnte ja nicht ewig im Schlafzimmer bleiben – auch wenn es bequem, warm und kuschelig war. So ist das eben: Auch die schönste Zeit zu zweit endet einmal, irgendwann muss man aufstehen und die Welt wieder reinlassen, die man eben noch so erfolgreich ausblenden konnte, um die Zeit zu zweit viel sinnvoller zu nutzen. Mit "Within and without" führte Ernest Greene aus Georgia als Washed Out seine Hörer dahin, wo es am schönsten und intimsten ist. Ohne Umwege ging es direkt ins Schlafzimmer unter die Decke, sogar die beiden auf dem Cover haben es vorgemacht. Und dort lag man dann und lauschte den wunderbar dreampoppigen und chillwavigen Klängen, als gäbe es kein Morgen mehr. Gut zwei Jahre später steht Greene mit seinem zweiten Album "Paracosm" nicht mehr im Schlafzimmer, sondern mit zerzausten Haaren in der Natur, auf der Wiese, im Feld, eigentlich sogar eher in einer fantastischen Zauberwelt, in der das Vogelgezwitscher Teil der Musik ist. Und weil sich ansonsten nicht so viel verändert hat, kann man das Bettzeug eigentlich gleich mitnehmen.
Der Sinn und Zweck eines Album-Teasers erschließt sich einem in der Regel nur schwer – im Fall von "Paracosm" allerdings ist er sicher ein cleverer Schachzug. Viel zu sehen oder zu hören gibt es in dem nicht einmal zweiminütigen Clip zwar nicht, dennoch wecken die ersten Töne des Openers "Entrance" und die dazugehörigen Bilder Interesse und machen Lust auf mehr. Und die Tatsache, dass das Album wie schon "Within and without" von Ben Allen (Animal Collective, Deerhunter) coproduziert wurde, verheißt ohnehin nur Gutes. Dank "Great escape" etwa erlebt der Hörer vertonte Frühlingsgefühle, eine euphorische Momentaufnahme des Glücks, die sich nur schwer erklären lässt, während die erste Single "It all feels right" alle schlechten Dinge der Welt unter einer flauschigen, pinkfarbenen Wolke vergräbt, die natürlich nach nie versiegender Zuckerwatte schmeckt. Genau das ist "Paracosm": eine imaginäre Welt, in der alles gut und schön und toll und vor allem möglich ist.
Und alles erlaubt: So darf man bei "All I know" auch ohne Probleme voller Entzückung und mit dem einen oder anderen Freudentränchen durch die Straßen laufen, Leute umarmen, um Laternen herumtanzen und dabei von einem zum anderen Ohr grinsen, ohne als grenzdebil zu gelten. Der Fortschritt gegenüber dem Debüt ist eindeutig, dass sich Greene zwei Jahre später nicht mehr zurücknimmt, Gefühle besser ausdrücken und ausleben kann, ohne dabei an Charme zu einzubüßen. Die Mischung aus Gesang, Gitarre und vergleichsweise hektischem Rhythmus auf "Falling back" etwa hätte in dieser Form auf "Within and without" kaum Platz gefunden oder aber gezwungen gewirkt. Hier, kurz vorm Ende, wenn auch noch die Handclaps einsetzen, wird dem Hörer bewusst, dass aus den vormals zwei Leuten im Bett offenbar eine Menschenmenge unter freiem Himmel geworden ist – und das außerordentlich gut klappt. Der basslastig-verträumte Schlusssong "All over now" führt dann doch wieder zurück ins Schlafzimmer, erzeugt die richtige Stimmung, ohne die vorherige zu kippen und lässt "Paracosm" friedlich ausklingen, bis der Wecker geht. Noch fünf Minuten, in Ordnung? Oder zehn. Oder länger.
Highlights & Tracklist
Highlights
- All I know
- Great escape
- Falling back
Tracklist
- Entrance
- It all feels right
- Don't give up
- Weightless
- All I know
- Great escape
- Paracosm
- Falling back
- All over now
Referenzen
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