Grant Hart - The argument
Domino / GoodToGoVÖ: 19.07.2013
Paradise rocks
Irgendwas will Grant Hart uns sagen, denn wie schon Ian McKaye und Konsorten 2001 trägt er uns "The argument" vor. Fugazis recht experimentelles Spätwerk war schon ein nicht ganz einfach zu verdauendes Stück Rockmusik. Und Hart legt noch mal ein paar Schippen drauf: Knappe 75 Minuten und 20 Songs braucht er bis zum Schlussplädoyer und wie Fugazi taucht er im Verlauf mehrmals tief in Postrock-Gefilde ab, ohne seine Punk-Vergangenheit ganz aus dem Auge zu verlieren. Es folgt der Versuch einer Einordnung.
Der Vergleich zu Fugazi drängt sich nämlich tatsächlich nicht nur aufgrund des Titels auf. "The argument" ist von vorne bis hinten postrockig wie späte Hüsker-Dü-Alben, soundtechnisch immer ein bisschen flach, schrammelig und LoFi, wie er sich gehört und dabei mit dem Momentum von über 30 Jahren Musikerdasein ambitioniert. Hart hat ein Konzeptalbum geschrieben, dessen Interpretation wie in so vielen Fällen auch von der Kreativität des Deuters abhängt. Offensichtliche Eckpunkte gibt es zweierlei. Zum einen ist da John Miltons episches Gedicht "Paradise Lost", aus dessen erstem Buch das Intro "Out of chaos" ein paar Zeilen zitiert. Das Thema Sündenfall zieht sich durch viele der Songs, sowohl in den Texten als auch in den melancholisch-choralen Melodien, die die Unvermeidlichkeit der Sache aufgreifen und und bisweilen ironisch überziehen. Zum anderen drehen sich die Songs um William S. Burroughs, der ein Freund von Hart war und Miltons Gedicht in einen (unveröffentlichten) Science-Fiction-Roman umgeschrieben hat.
Darf und muss man auf dieser Grundlage jetzt einen furchtbar verkopften Wust aus Kunstmusik und Musikkunst erwarten? Glücklicherweise nicht. Auch wenn die einzelnen Songs auf "The argument" zuweilen etwas in den Hintergrund rücken, funktioniert die Platte auch als klassisches Album. Hart erweitert sein Instrumentarium allerdings ein wenig, zum Beispiel wird das hübsch dudelnde "If I had the will" von einem leiernden Keyboard getragen und auch woanders schaffen sich dem Thema geschuldet leicht spacige Sounds im Hintergrund ein wenig Platz. Trotzdem sind die meisten der Songs schrammeliger Indierock mit wunderbaren Melodien. Ohnehin hat Grant auch überhaupt keinen Grund, Stücke wie das luftig-euphorische "Morningstar" oder den gedämpft-wütenden Stakkato-Blues "I am death" weiter hinten zu verstecken. Er ist durchaus in der Lage, die Spannung über 20 Songs hochzuhalten und - vielleicht noch wichtiger - wunderbar runde Stimmungswechsel in den Verlauf der Platte einzubauen.
Auf "I am death" folgt konsequenterweise der sinistre Absacker "Sin", bevor der beschwingte Folkrocker "Letting me out" dem Thema einen leicht ironischen Anstrich verpasst. Angesichts der offensichtlichen Schwere des Quellenmaterials baut Hart erstaunlich häufig ein paar leichtere Songs ein. "So far from Heaven" gewinnt dem Höllensturz ein paar optimistische Seiten ab, "Shine, shine, shine" ist ein schunkelndes Liebeslied und "Underneath the apple tree" der etwas schmutzige Lagerfeuersong, der den letzten Akt eröffnet. Wer hier nicht allerspätestens bei den trötenden Bläsern ein bisschen grinst, muss schon sehr schlechte Laune haben.
Und was will uns Grant Hart nun sagen? Wir wollen uns hier nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, aber "The argument" ist am Ende auch eine Platte über die Freundschaft. Vielleicht blickt zwischen Höllensturz und Sündenfall deshalb so oft der Sonnenschein durch. Und es ist eine Platte, die nicht an ihren Ambitionen erstickt, sondern trotz des übergreifenden Konzeptes auch als Sammlung wunderbarer Songs funktioniert.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Morningstar
- I am death
- Letting me out
- So far from Heaven
- Underneath the apple tree
Tracklist
- Out of chaos
- Mornigstar
- Awake, arise!
- If we have the will
- I will never see my home
- I am death
- Sin
- Letting me out
- Is the sky the limit?
- Golden chain
- So far from Heaven
- Shine, shine, shine
- It isn't love
- War in Heaven
- Glorious
- (It was a) Most disturbing dream
- Underneath the apple tree
- The argument
- Run for the wilderness
- For those too high aspiring
Referenzen
Spotify
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