Nadine Shah - Love your dum and mad

Apollo / Al!ve
VÖ: 26.07.2013
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Lobeshymnen

Zuerst fällt diese Stimme auf. Ein Organ, das aufwühlt, das Herz ergreift. Tief, fest, verletzlich. Voller vergessener Schmerzen, Weisheit und Kraft, von Nirgendwo kommend, nie erzeugt, aber immer präsent. Ätherisch, doch stets geerdet. Ein Klangkörper, der bis ins Mark erschüttert und die eigenen Knochen schüttelt. Klänge voller Widersprüche. Sperrig, düster. Etwas passiert, ohne dass etwas geschieht. Nadine Shah. Wie viele Vorschusslorbeeren haben eine junge Künstlerin und ihr Debütalbum verdient? Die Ein-Satz-Antwort: Die zweite PJ Harvey. Punkt.

Shah gelingt auf "Love your dum and mad" Einzigartiges. Nicht nur ihre Stimme, jenseits und diesseits alles Bekannten, erschüttert die Ränder der Wahrnehmung, wie die Kollegen von Spex ehrfurchtsvoll registrierten, sondern jeder einzelne ihrer tiefbedrückenden elf Songs um dunkle Lüste, Verlust, Rache, Tod und zerstörte Liebe zerschmettert mit erschlagendem Ernst, eisdicker Atmosphäre und dem Verzicht auf jeglichen Witz das Gutmenschliche im Gutmenschen und lässt in vollkommener Bitterkeit jede frische Glücksknospe welken. Shah fährt als uneheliches geistiges Kind von Mrs. Harvey und Mr. Nick Cave alle Register des Ernsthaften auf und beschert einen Herbst der Gefühlswallungen, dass die Eltern nur so aus der Wäsche gucken.

Schon die Namen ihrer Kopfgeburten deuten mehr auf "Rosemary‘s Baby" als auf "Kindsköpfe 2": "Aching bones", "The devil", "Dreary town", "Filthy game" und "Winter reigns". Na danke. Alle diese sind irgendwo aus den Untiefen einer jungen Seele entsprungen und warten darauf, den unvorbereiteten Hörer anzufallen. Es wäre interessant zu erfahren, wie Produzent Ben Hillier, der Blur, Depeche Mode oder The Horrors klanglich aufmöbelte, sich zu einer solchen Sperrigkeit hat hinreißen lassen, deren Produktionswerte mehr nach Steve Albini klingen, als nach dem Soundtüftler, der Elbow zu einer einzigartigen Soundkulisse verhalf.

Die genannten Lieder pendeln in ihrer Zerstörtheit und monotonen Verstörung zwischen Massive Attack ohne Beats, zuckerwattiertem Industrial, morschem Indie-Folk, dunstigem Klavierpop, angenebelter Imogen Heap zu verlorener "iMegaphone"-Zeit und der Zerbrechlichkeit von Harveys "White chalk" auf Messers Schneide von Wahnsinn, Allüren, Autoaggression und kaputtem Optimismus. Dazwischen findet sich mit "To be a young man" ein Song, der Papa Cave die Schweißperlen und wohl den Ausruf "Von mir hast Du es aber nicht" entlocken würde. Was Mama Harvey dazu zu sagen hätte? Nur laudatorische Worte des Stolzes, der Hochachtung, der Ehrerbietung und der Anerkennung. Die zweite PJ eben. Die alten Marianne-Faithful-Platten können hochoffiziell in die Tonne.

(Peter Somogyi)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • To be a young man
  • Devil
  • Dreary town
  • Winter reigns

Tracklist

  1. Aching bones
  2. To be a young man
  3. Runaway
  4. The devil
  5. Floating
  6. All I want
  7. Used it all
  8. Dreary town
  9. Remember
  10. Filthy game
  11. Winter reigns
Gesamtspielzeit: 47:13 min

Im Forum kommentieren

Robert G. Blume

2015-10-13 14:40:53

Ey, wie GUT die ist! Hört doch mal rein. In beide Alben. Bin geflasht, WIE gut die ist.

Fiend

2015-02-24 21:48:49

Bereits Anfang April naht das Folgewerk!

vince

2013-11-11 19:46:58

Jetzt im Herbst wirklich grandios! Schade, dass das Album hier auf so geringe Resonanz stößt.

Fiend

2013-08-23 12:49:05

Eine wirklich schön-düster verschrobene Platte und ihre Stimme durchdringt einen wie ein Eiszapfen. Wundervoll

Nahörnsemal

2013-08-23 00:35:40

Danke für die Erinnerung, ist mir irgendwie durch die Lappen gegangen*. Klingt wirklich toll.

*bei der Redewendung fällt mir immer dieser Witz ein, aber lassen wir das lieber...

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