Lumerians - The high frontier

Knitting Factory / Partisan / Rough Trade
VÖ: 07.06.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Das Dröhnen-Debakel

Sind nach oben etwa doch Grenzen gesetzt? Diese Frage werfen ausgerechnet Lumerians aus San Francisco mit dem Titel ihres zweiten Albums auf – die Band hat sich immerhin nach einem versunkenen Kontinent benannt. Und wenn "The high frontier" genau wie das Debüt "Transmalinnia" dann in allen Farben psychedelischer Halluzinationen flirrende Krautrock-Psychedelia gen Stratosphäre schickt, ist die Verwirrung komplett. Ganz zu schweigen davon, dass die Band sich live in schwarzen Kutten und mit blickdichten Sonnenbrillen präsentiert und zu Protokoll gibt, ihre Bestimmung erkannt zu haben, nachdem sie auf dem kalifornischen Mount Shasta höheren Mächten Säcke voll Gold dargebracht hatte. Okay: Das stimmt womöglich nur so halb, klingt aber umso interessanter.

Doch nicht nur ein bunter Konzertabend mit diesen kosmischen Vögeln ist höchst unterhaltsam, auch auf Platte explodieren Lumerians in nur wenig mehr als einer halben Stunde weich im Bewusstsein des Hörers – langsam zwar, aber dafür umso nachhaltiger. Natürlich müssen einem die fünf ihr ruinös dröhnendes Treiben erst einmal schmackhaft machen, und so kicken sie bei "Dogon genesis" scharfen Fuzz und groovy rotierenden Rave-Beat vor sich her, ehe nach und nach Zwirbel-Eskapaden auf der Gitarre und bewusstseinserweiternde Keyboards Einzug halten. Sänger Tyler Green könnte man da sogar mit James Brooks von den zumindest musikalisch geistesverwandten Appliance verwechseln: Eine an New Orders Bernard Sumner gemahnende Stimme wird eben auch dann gern genommen, wenn sie klingt, als wäre der Ärmste schon drei Tage wach.

Doch natürlich bleibt es nicht bei derart moderat trippigen, noch als solche zu erkennenden Rocksongs. Schon das Titelstück schlägt danach mehrere Volten auf einmal, berauscht sich an einer stoischen Bassfigur und an blechern in die Vollen gehenden Percussions, wobei sich halsbrecherische Tempowechsel von selbst verstehen und Lumerians scheinbar einmal ganz kurz Black Rebel Motorcycle Club mit "Spread your love" sein wollen. Doch derlei vergleichsweise simple Rockposen und irdische Gefühlsregungen sind ihre Sache nun einmal nicht – Darth Vaders Bekenntnis "No, I'm your father" klingt schließlich auch mehr nach interstellarer unbefleckter Empfängnis als nach einem vor vielen Jahren tatsächlich vollzogenen Geschlechtsakt.

Was jedoch die balztanzartigen Verrenkungen nicht ausschließt, die man zu "The bloom" vollführen möchte, wenn der Rhythmus kurzzeitig wie bei TV On The Radios "Wolf like me" hämmert und die Drone-Sitar einmal schweigt. Gut, dass das großartige "Smokes tangle" danach behutsam hochfrequenzige Licks zupft und das Stück in eine Zentrifuge aus nur vordergründig chaotischem Trommelwirbel und kreisendem Gitarrenriff verfrachtet. Und bei den überblubbernden Synthies und der verführerischen weiblichen Einleitung auf italienisch ist plötzlich auch ein "Life without skin" vorstellbar. Dünnhäutigen wird "The high frontier" in der Tat über Gebühr die Hirnrinde verbeulen – die trauen sich vermutlich nicht einmal zu gucken, was sich unter den Kutten verbirgt. Doch vielleicht ist es einfach noch nicht an der Zeit, die Wahrheit zu erfahren. Fürs Erste reichen diese sechs Songs.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dogon genesis
  • Smokes tangle

Tracklist

  1. Dogon genesis
  2. High frontier
  3. The bloom
  4. Koman tong
  5. Smokes tangle
  6. Life without skin
Gesamtspielzeit: 33:30 min

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