Lloyd Cole - Standards
Tapete / IndigoVÖ: 21.06.2013
Noch'n Gedicht
Lloyd Cole ist noch ein junger Hüpfer. Jedenfalls im Vergleich zu Bob Dylan. 20 Jahre liegen zwischen der Folk-Ikone und dem Indie-Veteranen, der Mitte der achtziger Jahre mit Lloyd Cole And The Commotions kurzzeitig Popstar-Weihen empfing. Doch auch Cole hat die 50 bereits hinter sich gelassen – ein Alter, in dem man als Künstler schon einmal damit rechnen muss, von einer führenden Kulturwebsite um die Besprechung einer relevanten musikalischen Neuerscheinung gebeten zu werden. Und obwohl der Brite zusagte, fand er Dylans "Tempest" gar nicht einmal so gut, war aber immerhin beeindruckt von dessen Frische. Da konnte er dann wohl nicht anders, als ein zwar passables, aber arg beschauliches Singer-Songwriter-Album wie "Broken record" ein wenig geradezurücken.
Also trommelte Cole für den Nachfolger eine Band aus alten Weggefährten zusammen, weil es damals doch so schön war. Scritti-Politti-Drummer Fred Maher ist genauso wieder mit von der Partie wie Alternative-Rocker Matthew Sweet am Bass und der frühere Commotions-Gitarrist, als Backgroundsängerin und Pianistin gibt sich sogar Joan "As Police Woman" Wasser die Ehre. Heraus kommt ein – wie soll man sagen? – passables Singer-Songwriter-Album? Nicht ganz. Zumindest "California earthquake", im Original von US-Country-Sänger John Hartford, spaziert mit zerrenden, zuweilen fast Spacerock assoziierenden Riffs am Rande des Nervenzusammenbruchs. Und auch The Mamas And The Papas, die das Stück ebenfalls coverten, dürften bei diesem Auftakt die Nase rümpfen. Anerkennend natürlich.
Der Rest von "Standards" vertraut jedoch ausschließlich auf eigenes Material, und auch bei diesem kommt unter verstärktem Einsatz elektrischer Gitarren zunächst alles vorzüglich zusammen. Nicht zuletzt, weil Cole sich als schlitzohrigen, aber in Würde gereiften Charmeur inszeniert, der von jeher hin- und hergerissen ist zwischen New York Dolls und der Bibliothek, wo die Gedichte von T. S. Eliot oder Lord Byron warten. Und geht eine Liebesgeschichte zu Ende, kommentiert Cole dies etwa beim herrlich croonigen "Opposite day" mit feinsinnigem Humor und verqueren Paradoxien. Im swingend-schlüpfrigen "Women's studies" ist dann kurz alles fast wieder so leicht und spielerisch wie zu alten Zeiten: "We were young, we were stupid / It was fine while it lasted / I used to write my dissertation / On the barstools of your neighbourhood." Na dann prost.
Doch all das kann nicht verhehlen, dass der Mann nicht mehr der Jüngste ist. Ob "Standards" aus diesem Grund nach der unbeschwert blinzelnden Single "Period piece" allmählich die Puste ausgeht, bis von einigen Lichtblitzen abgesehen nur mehr sanft melancholisierende Seufzer wie "No truck" oder "It's late" übrigbleiben? Cole zuckt nur mit den Schultern und zählt all das auf, was mit "Kids today" seiner Ansicht nach nicht stimmt: immer nur Queens Of The Stone Age hören, grundsätzlich immer gegen alles sein, wenn man ein Mädchen abkriegen will, aber dann plötzlich Vivienne-Westwood-Shirts tragen. Bei Lloyd Cole gibt es so etwas nicht: Seine Welt ist noch in Ordnung. Wie dieses Album, mit dem er seinen Status als Institution und Songpoet zementiert. Ein großer Wurf klingt zwar anders – aber es kann eben nicht jeder Bob Dylan sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- California earthquake
- Women's studies
- Opposites day
Tracklist
- California earthquake
- Women's studies
- Period piece
- Myrtle and Rose
- No truck
- Blue like Mars
- Opposites day
- Silver lake
- It's late
- Kids today
- Diminished ex
Im Forum kommentieren
MM13
2013-12-08 13:30:24
schau in die discographie,der war sehr fleissig...
Aus dem Lexikon einer hedonistischen Konsumgesellschaft
2013-12-08 13:27:49
Alben liefern
MM13
2013-12-08 13:23:39
hat sich wirklich gelohnt,super akkoustic set,er und 2 gitarren,vom feinsten.liefert seit jahren durchweg gute alben,respekt.
MM13
2013-12-06 19:12:54
da werde ich wohl morgen in die manufaktur in schorndorf gehen müssen!
rollator
2013-12-06 09:26:41
@wtf
Falsch
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