
Whores & Thieves - Anti echo chamber
Für / TimezoneVÖ: 24.05.2013
Dreck macht fett
Ja, als laktoseintoleranter Alkoholiker hat man es schwer in südskandinavischen Gefilden. Während die Milchwirtschaft in Dänemark einen erheblichen Anteil der Lebensmittelproduktion einnimmt, bleibt die professionelle Herstellung von Hartsprit eine nutritionsökonomische Randerscheinung innerhalb des Königreiches. Ein überdenkenswertes Modell, wie ein bekanntes Sprichwort unter Schnapsdrosseln und Spirituosenfreunden besagt: "Whiskey löst keine Probleme. Das tut Milch aber auch nicht." Dass Whores & Thieves sich mit der inspirativen Wirkung von Käse und Smörrebröd zufrieden geben, scheint ausgeschlossen. Allzu whiskeykehlig-krächzig erscheinen Christian Bondes Verse, alleweil schwankig-ethanolselig wirken die Instrumentierungen des Erstlings "Anti echo chamber".
Inmitten von Huren und Dieben ziemt es sich ja geradezu den einen oder anderen Lütten zu kippen. Freilich ergibt man sich dabei geradezu offenherzig der Gefahr des Abgezogenwerdens, aber hey, wenn's dreckig wird, muss auch gesoffen werden. "Dreckig" ist so ein Stichwort: Die Aufnahmen auf "Anti echo chamber" wirken patinazersetzt, blutkrustig wie die Platzwunde am Schädel nach dem letzten Kiezfight. Live eingespielt, ohne jede Form der computergesteuerten Manipulation produziert, erscheinen die Stücke von Whores & Thieves grobschlächtig-rostig wie der Schlagring des kanisterköpfigen Türstehers vom Nachtclub an der Rotlichtecke. Country-Anleihen und Stoner-Einflüsse umgeben dabei den prostitutiven Tristesseschleier diverser New-Wave-Episoden.
Jetzt wird's hässlich: Wie ein Stelldichein unter ölverschmierten Kfz-Mechaninkern, die nach Feierabend noch eine Wegsteckung vollziehen wollen, kommt "It's getting ugly" daher. Das ausufernd-knittrige Gitarrensolo im Schlussdrittel versinkt im Gekreische der übersteuernden Leadstimme, die zum unruhestiftenden Zug durch die einschlägigen Viertel der Stadt auffordert. "Mr. Warmonger" unterliegt dem aufbegehrenden Protest gegen die Regeln des Milieus, überzeugt im Musikalischen mit seinem Übergang vom Akustikgeplenkel ins brachial verstärkte Getöse, während Bonde monoton daherpalawert, als stünde er im Zwiegespräch mit Interpol-Frontmann Paul Banks. In "Murderer" entwächst der Kleinkriminelle schließlich seinem bisherigen Dasein und wird zum Schwerverbrecher. Verbittert tötet er seine Angebetete, nachdem diese seinen Avancen nicht die nötige Beachtung schenkte. Die martialisch aufspielende Gitarre treibt sein Vorhaben voran. "I got you", droht er seinem Opfer, kurz bevor die Basedrum dem (Mist-)Stück ein herzschlagendes Ende bereitet.
"Anti echo chamber" überzeugt mit seinem latenten Hang zum Unsagbaren, einer lautstark inszenierten Geschichte, wie sie nur die Fiktion erlaubt. So bringt der Whiskey dem Quintett letztlich jede Menge Ärger ein. Der Morgen nach "Anti echo chamber" kommt in all seiner unerbittlich-ätzenden Intensität. Wenn doch nur mehr vom Gestern bliebe als dieses adrenalingetränkte Gedankenflimmern und die reumütige Gewissheit darüber, was man getan hat. Die Erinnerungen der letzten Nacht ergeben sich der Neunmillimeter des Beamten, der soeben die Tür aufgebrochen hat. Hoffentlich gibt es im dänischen Knast ein wenigstens ordentliches Katerfrühstück. Mit Käse und Smörrebröd vielleicht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- It's getting ugly
- Mr. Warmonger
- Murderer
Tracklist
- Digging holes
- Hollow drive
- For the sake of my condition
- Generation
- It's getting ugly
- Old man's war
- Mr. Warmonger
- Evelyn
- Hordes
- Old engine
- Murderer
- Definition of sin
Referenzen