Portugal. The Man - Evil friends
Atlantic / WarnerVÖ: 31.05.2013
Walgesänge
Das Ende eines Tieres ist der Anfang der Wurst. Manche sagen, eine Wurst hätte zwei Enden. Es ließe sich genauso einfach sagen, eine Wurst habe zwei Anfänge. Andererseits ist auch denkbar, eine Wurst beginne und ende irgendwo. Die philosophische Betrachtung der Wurst ist wie eine Reflexion über Geschichte. Wer oder was ist Geschichte? Zum Beispiel: The Mars Volta sind Geschichte. The Verve wiederum sangen über Geschichte. Portugal. The Man nun führen die Geschichte weiter. Was aber haben sie mit Texanern, Briten und der Wurst zu tun? Eine Überlegung: Die Band um Mastermind John Gourley beerbt als abseitiger kleiner popiger Bruder mit The Mars Volta den älteren progigen Sprössling einer großen musikalischen Familie. Die Suche nach der mächtigen, in hippiesker Psychedelic versteckten Popgeste, wie sie auf "The satanic satanist" und "In the mountain in the cloud" unternommen wurde, klang wie die kalifornisch-nerdige, verschrobene Version der britischen Underdogs, die wiederum irgendwo The-Beatles-Anleihen zeigten. Den Beatles steht Gourley ohnehin nahe. Wenn die Wurst nun 2 Enden oder Anfänge hat, so auch Portugal.The Man. Verschluckt vom Großkonzern Atlantic, wie Jona in der Bibel von einem Fisch, ist "Evil friends" der zweite Anfang im Bauch eines Majors.
Das siebte reguläre Studioalbum macht zudem dem kaum haltbaren Marathon der Band, im Jahrestakt frische Musik auf den Markt zu werfen, ein Ende, nachdem man dezidiert dem jahrelangen Indielabel-Gehops selbst ein Ende gemacht hat. Die Qualität der Outputs war bei dieser Akkordarbeit manches mal einigen Schwankungen unterworfen. Mit "Evil friends" ließ man sich nun zwei Jahre Zeit, holte als Produzent Danger Mouse in den Walrachen und fokussierte sich nach dem etwas zerfransten und produktionstechnisch unter Niveau bleibenden Vorgänger "In the mountain in the cloud" auf Klang und kompakteres Songwriting. Eine der bislang stärksten Entscheidungen der Band.
Wahrhaft: "Plastic soldiers" entpuppt sich als eingängiger, klassisch-harmonischer Albumauftakt und treibt wie auf Zedernholz im schicken, für Danger Mouse üblichen Indie-Understatement und Global-Goon-Sounds in die Gehirnrinde. Eine kaum greifbare Melancholie dominiert dagegen das trotz allem leichtfüßige, bläserdurchsetzte "Creep in a T-shirt" und gipfelt wundersam in einem erhabenen Refrain, wie er seit "The satanic satanist" kaum in dieser Reinform von Gourley vernommen werden konnte. Das Titellied beginnt demgegenüber als dezent gehaltener Shoegazer, bevor es mit Surfbeat zum punkigsten und tanzbarsten Stück des Band-Katalogs mutiert. Doch vor allem "Modern Jesus" sowie "Atomic man" offenbaren in ihren Kerntexturen das bewusst simpel gehaltene musikalische Syntagma von "Evil friends". Diese Konzession an den melodieverliebten Fan, ohne Ausverkauf, ist positiv auf der Haben-Seite der Gourley-Mannen zu verbuchen, wovon das mitreißende "Hip hop kids" Zeugnis ablegt.
"Sea of air" und "Waves" präsentieren sich hingegen in balladeskem Gewand, wobei letzterer sich in megalomanischem Streicher- und Bläserbombast zu wälzen beginnt, welchen "Holy roller (Hallelujah)" beschwingt und locker abschüttelt. Der Eindruck mag sich aufdrängen, dass Danger Mouse die Band von dem Gebirge und ihrer Wolke Richtung Beatlastigkeit und Eingängigkeit runterholte und Portugal.The Man durch konzises Songwriting zu mehr Effektivität verhalf. So geschehen mit "Purple yellow red and blue". "Someday believer" könnte dagegen aus den mittleren 1990er Jahren und irgendwo aus einem Pub in Manchester stammen. More british ist nicht drin. Mit "Smile" kommt ein emotional geschwängerter Rausschmeißer mit Streicherknüpel und Elton-John-Klavier, das ein Solo aufbietet, welches diesen Namen einmal wieder voll verdient. Warum? Weil es in die Essenz des Rock gepurzelt ist. So viel Vielfalt muss schon sein. Und so gediegen "Evil friends" begann, so abrupt endet es. Ein radikaler Cut und aus die Maus. Damit wäre die Wurst entzwei und das Tier tot - aber weiterhin verbleibt die Band im Bauch des Fischs. Damit ist ein neuer Anfang für eine Wurst gegeben.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Plastic soldiers
- Creep in a T-shirt
- Evil friends
- Hip Hop kids
Tracklist
- Plastic soldiers
- Creep in a T-shirt
- Evil friends
- Modern Jesus
- Hip hop kids
- Atomic man
- Sea of air
- Waves
- Holy roller (Hallelujah)
- Someday believers
- Purple yellow red and blue
- Smile
Im Forum kommentieren
Gomes21
2021-05-11 10:36:02
Für mich zwar nicht ihr bestes, aber war ne ziemlich positive Überraschung, nachdem ich die beiden Vorgänger etwas lahm fand.
Interessante Produktion die ihnen besser steht als ich gedacht hätte und gute Songs sind auch drauf. Evil Friends kann was.
Favourite: Atomic Man
Hab die Tage mal wieder angefangen durch die Diskographie zu hören. Bin einfach großer Fan der ersten 3 Alben, aber vor allem dem Debüt und Church Mouth.
Satanic Satanist ist auch gut, besticht aber noch mehr durchs Artwork :-D
Nummer Neun
2021-05-11 09:51:21
Gestern mal wieder gehört - wunderbares Album, ihr bestes bisher.
MopedTobias (Marvin)
2016-04-08 20:39:24
Man muss natürlich auf den Stil stehen. Mir gefällt diese Band im Pop einfach am besten.
Affengitarre
2016-04-08 20:15:02
Mein Herz gehört nach wie vor dem wundervollen Debüt. Mit "Evil Friends" bin ich bisher überhaupt nicht warm geworden, habs aber auch nicht so oft gehört.
MopedTobias (Marvin)
2016-04-08 19:24:04
Eine erneute Stiländerung wäre auf jeden Fall am sinnvollsten, weil ich mir wirklich nicht vorstellen kann, wie sie sich in dem Bereich noch entwickeln sollen. Evil Friends ist ihr Opus Magnum bis jetzt, ein nahezu perfektes und unglaublich nachhaltiges Popalbum.
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