CocoRosie - Tales of a grass widow
City Slang / UniversalVÖ: 24.05.2013
Kein Wunder
"Welcome to the afterlife." Das sind die ersten Worte von "Tales of a grass widow", dem mittlerweile fünften Album des Duos CocoRosie, und ebnen den Weg für die kommende Stunde. Keine Zwischenstopps, keine merkwürdigen Gabelungen, keine Unebenheiten. Auch wenn es nach wie vor so wirkt, als würden die Casady-Schwestern Bianca ("Coco") und Sierra ("Rosie") ziemlich wenig darauf geben, was andere von ihrer Musik halten und mit ihrer Kunst einfach machen, wie es ihnen passt, ist neun Jahre nach ihrem Debüt "La maison de mon rêve" der Überraschungseffekt quasi komplett verflogen. Man weiß, dass man es hier mit einer manchmal gewöhnungsbedürftigen, manchmal äußerst charmanten Mischung aus elektronischen Klängen und Folk zu tun hat. Man weiß, dass es vom engelsgleichen Gesang im Opener "After the afterlife" oder dem opernhaften Rosie-Part in "End of time" nicht weit ist zu Cocos trotzigem Sprechgesang im gleichen Stück. Und wenn plötzlich Antony Hegartys Stimme ertönt, wundert das einen auch nicht mehr.
Was natürlich kein Beinbruch ist. Schließlich muss den Hörer nicht bei jedem neuen Album eine Dampfwalze überrollen, noch ist es besonders gesund, wenn ständig der Atem stockt. Mit "Tales of a grass widow" finden CocoRosie ohnehin zurück zur Natur, sind also ganz im inneren Gleichgewicht mit sich selbst und der Welt. Oder so ähnlich. Kann man jedenfalls durchaus vermuten, denn die in der Vergangenheit teilweise arg verkopften, computergesteuerten Melodien werden hier so offensichtlich zurückgestellt, dass alles andere berechnend wirken würde. "Harmless monster" funktioniert jedenfalls auch ohne sie und stattdessen mit einem artifiziell erzeugten Beat, sanften Pianoklängen und dem an manchen Stellen herzzerreißend brüchigen Gesang, der die Zeile "It's alright to recognize me" in der zweiten Hälfte ständig wiederholt, als sei sie mehr Aufforderung denn Feststellung.
Viel verspielter, aber gleichzeitig düsterer gibt sich "Tears for animals" mit Hegarty als Gastsänger, dessen sanfte Stimme in wunderbarem Kontrast zum Midtempo-Rhythmus steht, so dass das Stück als Highlight durchgeht. "Gravediggress" ist der ideale Song, um ihn der Freundin vorzuspielen, die noch nie von dieser wundersamen Band gehört hat: Hier gibt es CocoRosie satt, mitsamt des verträumten Pianos, der gegensätzlichen Gesangsarten der Schwestern und einer Art Beatbox als melodisches Element. Dazu gesellt sich die nächste Textzeile für den hoffentlich noch weit entfernten nächsten Liebeskummer: "Gravediggress, dig me a hole I can bury / All of my love and all of my holy." Kein Wunder, dass das die erste Single wurde. Zum Schluss wählen das Geschwisterpaar und Kumpel Antony in "Poison" beinahe reduzierte Ausdrucksmittel, bis schließlich eines der dramatischsten Stücke des Albums aufblüht. Was dann folgt? Fast zehn Minuten Stille. Danach erwacht ein unruhiges Beatmonster, windet sich, wehrt sich und kann von den Casadys kaum bezwungen werden. Eine Überraschung, auf die man auch hätte verzichten können - doch glücklicherweise gibt es CocoRosie auf Techno aber nur als Hidden Track. Alles davor? Kein Grund zum Luftanhalten, aber oft atemberaubend schön.
Highlights & Tracklist
Highlights
- After the afterlife
- Tears for animals
- Harmless monster
- Gravedriggress
Tracklist
- After the afterlife
- Tears for animals
- Child bride
- Broken chariot
- End of time
- Harmless monster
- Gravediggress
- Far away
- Roots of my hair
- Villain
- Poison
Im Forum kommentieren
Demon Cleaner
2013-09-05 21:36:04
"Gravediggress" ist ja mal ganz groß.
Ich mochte die vorher irgendwie nie. Zu aufgedreht und nervig. Aber bis auf ein paar Tracks hört sich das prima an und oben genannter ist bestimmt einer der Songs des Jahres.
kingsuede
2013-08-03 18:46:18
Großartiges Album! Etwas "aufgeräumter" als die Vorgänger.
Musik...
2013-05-28 20:17:47
...ist das für mich keine! Durchgestyltes Konsumprodukt.
Armin
2013-02-13 19:00:23
Liebe kunstfertige Musik-Freunde,
wir freuen uns sehr heute verkünden zu dürfen, dass die beiden Schwestern Sierra und Bianca Casady, besser bekannt als CocoRosie, am 24. Mai ihr neues, fünftes Album mit dem Titel „Tales Of A Grass Widow“ via City Slang veröffentlichen werden. „Tales Of A Grass Widow“ wurde gemeinsam mit Valgeir Sigurðsson produziert und besteht aus elf Songs, die sich ganz im Stile früherer Produktionen aus elektronischen und organischen Klängen zusammensetzen, sowie darauf aufbauend zusätzlich von futuristischen und noch mehr return-to-nature Klängen getragen werden.
Heute gibt es mit „Gravediggress“ exklusiv die erste Hörprobe. Der Song steht repräsentativ für das Leitmotiv des Albums, welches CocoRosie selbst als „transformative ecstasy in the face of harmful neglect” beschreiben. „Gravediggress“ erzählt die Geschichte einer imaginären Unterhaltung, bei der ein Waisenkind eine Totengräberin darum bittet, seine Liebe zu begraben, um diese zu beschützen und sicher aufzubewahren: “Gravediggress dig me a hole I can bury, all of my love in, all of my holy”. Der Song beginnt mit einer wehmütigen Einführung auf dem Harmonium, Bianca verkörpert die flehenden Worte des Kindes, während Sierra mit bestimmten, klaren Worten die Totengräberin darstellt. Ihre Stimmen vermischen sich, überlagern sich, man könnte fast meinen, sie seien ein und dieselbe Person. Sanfte Pianoklänge begleiten die Vocals, Glockenschläge und ein ausrückender Drum Rhythmus, arrangiert von Tez (genau, der großartige Beatboxer und langjährige CocoRosie Begleiter) runden den Song ab.
CocoRosie - „Gravediggress“: https://soundcloud.com/larealcocorosie/cocorosie-gravediggress/s-YmEUy
Die beiden Casady Schwestern arbeiten, auch nach 10 Jahren CocoRosie, nebenher ständig und äußerst emsig an eigenen, ambitionierten Projekten, die immer mehr Gewicht zu tragen scheinen. 2012 feierten sie große Erfolge mit dem Tanztheaterstück "Nightshift“ und der Pop-Oper „Soul Life“ im Hamburger Kampnagel. Sie kuratierten das Donaufestival in Krems neben den beiden Aufführungen. Bianca hatte außerdem eine Ausstellung in NYC, während Sierra auf dem Meltdown Festival in London performte, das ihr Freund und Kollaborateur Antony Hegarty kuratierte.
Momentan entwickeln beide die Musik für eine Bühnenversion von „Peter Pan“, die Robert Wilson ab April am Berliner Ensemble aufführt. Im März kollaborieren die Schwestern in Paris bei einer einmaligen Aufführung mit Laurie Anderson. Gleichzeitig konzipieren sie ihre Live Shows komplett neu, denn laut Bianca ist das neue Album ein „Dance Album“ und dementsprechend werden wir live Avantegarde-Tänzerinnen, spektakuläre Lichtinstallationen zu sehen - und vor allem Tanzmusik zu hören bekommen.
Außerdem wird Bianca Casady noch in diesem Jahr die Kunstpublikation „Girls Against God“ launchen. Angelehnt an dieses Projekt haben die beiden Schwestern gemeinsam mit Antony Hegarty, Kembra Pfahler und Johanna Constantine die „Future Feminists“ gegründet. Deren Ziel ist es, wie sie selbst erklären: “to free society and protect the planet from the corrosive effects of patriarchal belief systems”. Die Songs auf „Tales Of A Grass Widow“ streifen thematisch ihre ganz persönliche Antwort auf die Mission der „Future Feminists“.
CocoRosie LIVE:
24.05. Berlin, Huxleys Neue Welt
26.05. Brüssel, Cirque Royale
27.05. Paris, Theatre Des Bouffes Du Nord
30.05. Luxemburg, Rockhal
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Referenzen
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