Belle & Sebastian - Storytelling

Jeepster / EFA
VÖ: 03.06.2002
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Zelluloid-Zauberer

Geschichtenerzähler scharen schon lange nicht mehr ihr Publikum um brennende Holzscheite und berichten mit wehendem Rauschebart von diesem oder jenem erlegten Bären. Sie produzieren fernab des Publikums konservierbares Bildmaterial, das dann seinen Weg durch die Lichtspielhäuser rund um den Globus antritt. Dieser moderenen Variante des Geschichtenerzählers gehört auch Todd Solondz an. Was ihn von der großen Masse seiner Zunft trennt, ist, daß er mit seinen Geschichten weniger affirmative Unterhaltung am Fließband herstellt, als vielmehr mit scharfer Beobachtungsgabe Portraits seiner Umgebung anfertigt und sich für seine Charaktere ähnlich viel Zeit nimmt, wie der Alte am Lagerfeuer für die Schilderung seiner Heldentaten.

Daß Belle & Sebastian die akustische Regie zu seinem neuesten Film \"Storytelling\" nur allzu begeistert übernahmen, paßt da wunderbar ins Bild - haben die acht Schotten doch ganz ähnliche Ansprüche an ihren eigenwilligen Folk-Pop. Obwohl nur sechs Minuten ihrer Kompositionen im fertig geschnittenen Film auftauchen, beteuern Belle & Sebastian, daß der Blick über den Tellerrand ihrem künstlerischen Weiterkommen sehr genutzt hat. Folgerichtig veröffentlichen sie nun Impressionen und Songfragmente aus jener Schaffensphase.

Die freie Inspiration auf Grundlage einer vorgegebenen Blaupause gibt \"Storytelling\" eine hohe Homogenität. Sanft umschließt einen das Album und nimmt gefangen in einer Mischung aus schwermütiger Melancholie und befreitem Träumen. Feingeistige, fragile Kompositionen bilden die Helden des Filmes ab und spiegeln zugleich die Stimmungslagen am Set. Wie eine Filmkullisse bilden die Songs Blickfang und Hintergrund zugleich. Wer will, kann sich in sie reinträumen, aber auch das passives Fließenlassen hat seinen Reiz. \"Storytelling\" erinnert an einen Bummel über einen exklusiven Trödelmarkt, der auf wundersame Weise das Flair einer vergangenen Zeit einfängt, ohne jemals die Moderne zu verlassen. Eine Unzahl an Streichinstrumenten orchestriert Sehnsucht und Melancholie. Trotzdem wirkt die Athmospäre niemals belastend, sondern immer auf ihre eigene Weise beschwingt und verträumt.

\"I\'ll make another movie / Same one as the year before\" heißt es in \"Big John Shaft\", einer ironischen Hommage an Regisseur Solondz. Die Angst, daß Belle & Sebastian ebenfalls in eine kreative Einbahnstraße abbiegen, ist nach dem zwar erfolgreichen, aber von der Kritik erstmals nicht ganz so hochgelobten vierten Album \" Fold your hands child, you walk like a peasant\" allerdings immer noch existent. Ein unverwechselbarer Stil kann zur schweren Hypothek werden, wenn die Zuhörer nur noch das Kopieren alter Erfolgsrezepte feststellen. Auch jene, die Musik als Pausenfüller konsumieren und deren Ohren sich ganz auf leichtverträgliche Hits eingestellt haben, werden mit einem Kopfschütteln außen vorbleiben. Liebhaber von Belle & Sebastian hingegen werden die Zielgerichtetheit und Dichte von \"Storytelling\" zu schätzen wissen und auch in diesem Sommer mit verklärtem Blick und verträumten Pfeifen die Parkbänke bevölkern.

(Thorsten Thiel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Big John Shaft
  • Consuelo

Tracklist

  1. Fiction
  2. Freak
  3. Dialogue: Conan, early Letterman
  4. Fuck this shit
  5. Night walk
  6. Dialogue: Jersey's where it's at
  7. Black and white unite
  8. Consuelo
  9. Dialogue: Toby
  10. Storytelling
  11. Dialogue: Class rank
  12. I don't want to play football
  13. Consuelo leaving
  14. Wandering alone
  15. Dialogue: Mandingo cliche
  16. Scooby driver
  17. Fiction reprise
  18. Big John Shaft
Gesamtspielzeit: 34:54 min

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