Tim Bendzko - Am seidenen Faden
Columbia / SonyVÖ: 24.05.2013
Danke fürs Verständnis
Es ist nicht ganz klar, ob der Sitz in der Jury eines TV-Gesangswettbewerbs bereits das Ende der Karriere bedeutet oder dieses erst einleitet. Lena Meyer-Landrut und Henning Wehland (ehemals H-Blockx) und Xavier Naidoo verdingen sich allesamt als Juroren - entscheidet selbst. Und wenn es sich dann nur um eine Mini-Ausgabe des Originals handelt wie bei "The voice kids", wo Tim Bendzko in der Jury sitzt, ist das dann eine gute Sache oder im Gegenteil viel schlimmer? Entscheidet auch hier selbst. Bendzkos zweites Studioalbum lässt zumindest erahnen, dass der Endzwanziger aus Berlin musikalisch-kreativ schon einmal bessere Zeiten gesehen hat. Nicht die besten allerdings, denn wirklich gut war auch sein Debüt "Wenn Worte meine Sprache wären" nicht - aber immerhin etwas besser als "Am seidenen Faden". Denn dieser Nachfolger wimmelt nur so von guten Ratschlägen und abgedroschenen, ach so romantischen Phrasen für ein schöneres Leben. Und das nervt mitunter gewaltig.
"Steter Tropfen höhlt" nämlich "auch den härtesten Stein" wie Bendzko in "Es geht wieder vorbei" erzählt, und außerdem: "Du darfst vor allem nicht den Mut verlieren / Du bist nicht allein." Er weiß: "Jeder Atemzug hängt am seidenen Faden / Nur solang bis wir da sind", denn danach sind wir nämlich irgendwann tot. So weit, so nachvollziehbar. Und: "Vergessen ist so leicht / Wenn man vergessen kann." Ja ja. "Am seidenen Faden" schwimmt durchweg im Ungefähren und reicht selten über diese Freundebuch-Poesie hinaus. Musikalisch pendelt Bendzkos zweites Album zwischen ruhigerem Gitarrenpop mit Streichern, Klavier, überdosiertem Pathos sowie hin und wieder künstlichen Beats wie in "Die Geier kreisen schon", das den guten Ratschlägen noch einen obendraufsetzt: "Du legst dich nicht fest / Trittst nur auf der Stelle / Du willst die Wahrheit nicht sehen / Hör jetzt nicht weg / Mach nicht so eine Welle".
Natürlich, "Am seidenen Faden" wird sich wie geschnitten Brot verkaufen. Dafür sorgt "Ich steh nicht mehr still" als offizieller Song der DTM-Saison 2013, dafür werden diverse Auftritte sorgen. In Andrea Kiewels Fernsehgarten, in diversen Frühstücksfernsehsendungen, in Mross' "Immer wieder sonntags" (wenn es ganz schlecht läuft) oder in Lanz' "Wetten, dass..?" (wenn es wirklich gut läuft). Warum auch nicht? Die Produktion ist erneut schön warm und rund geworden, und Bendzko schreibt Lieder, die jedem Fan von Xavier Naidoo und Konsorten ein paar Tränen des Verständnisses in die vom Weltschmerz geplagten Äuglein treiben. Und man kann manchmal sogar nachvollziehen, wieso das so ist. Aber verstehen kann man es nicht. Man will es nicht einmal. Das überlassen wir dann lieber Wehland, Meyer-Landrut und den TV-Machern des Landes.
Highlights & Tracklist
Highlights
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Tracklist
- Ich steh nicht mehr still
- Am seidenen Faden
- Ohne zurück zu sehen
- Auch wenn es gelogen ist
- Vergessen ist so leicht
- Die Geier kreisen schon
- Durch die Nacht
- Es geht wieder vorbei
- Nur einen Herzschlag
- Ich will zu dir
- Programmiert
- Leicht sein
- Wo sollen wir nur hin
- Alles was du wissen musst
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