Shannon Wright - In film sound
Vicious Circle / CargoVÖ: 12.04.2013
Ziel vor Richtung
Eine sichere Wette wäre es wohl nicht gewesen: Wer ernsthaft gedacht hatte, Shannon Wright würde noch einmal hörbar ihre Zornesader massieren, der wurde von den zuletzt zurückliegenden Alben nachhaltig eines Besseren belehrt. Zu kanalisiert erschien mittlerweile ihre Wut, zu ausgewogen und melancholisch zeigte sich ihr musikalischer Ansatz. Im Vorfeld zu "In film sound" geschah dann aber so einiges, das sich nur durch brennende Transistoren kontern ließ - und das auch noch ohne den leistesten Anflug von quälender Innerlichkeit oder privaten Schicksalen. Stattdessen zwangen zunächst banal erscheinende äußere Bedingungen Wright zu einem Umdenken. Zum 2012 zum zweiten Mal von Steve Albinis Shellac kuratierten All-Tomorrow's-Parties-Festival wurde sie erneut gebeten. Zudem hatte sie mit Shipping News' Todd Cook und Kyle Crabtree Postcores finest Rhythmusfraktion zu den Aufnahmen geladen. Beide Ereignisse, so macht "In film sound" ab der ersten Sekunde deutlich, verlangen ein echtes Pfund statt Ausgewogenheit. Wright gibt es nur zu gerne.
Gleich "Noise parade" springt kopfüber in ein Riff, dem selbst zu Doom-Ehren lediglich ein paar subsonische Frequenzen fehlen. Wright presst ihre Stimme nach unten und lässt sie von hier aus aufspringen wie ein Raubtier aus dem Unterholz. Beruhigen wird sie sich in der Folge nur einmal, zu "Bleed" und seinem tief grollenden Klaviertrauermarsch. Ansonsten aber fährt "In film sound" ausschließlich Attacke, sowohl in Wrights beißender Gitarre wie in ihrer Stimme. Cooks und Crabtrees schleppender Stoiker-Groove passt perfekt zu jeder Faser dieser Aggressivität. Kein Wirbel stört die gute halbe Stunde, kein Bassbreak stellt sich heraus. Stattdessen rollt eine unglaublich dichte Beatmaschine unaufhaltsam voran, die selbst beim abschließenden Mathrock-Takt von "Mire" zwar unbedingt mitmacht, sich aber keineswegs aus der Ruhe bringen lässt.
Auch die spitzen Noisekaskaden von "Captive to nowhere" verdichten Cook und Crabtree zu einem einzigen Koloss. Und wenn Wright die Magensäure von "Surely, they'll tear it down" mit melancholischen Keyboard-Sprengseln eindämmt, so warten alle gemeinsam auf die ausgefahrene Faust, die kommen muss und kommen wird - eine Frage der Ehre. Dazu ist die Produktion - auch ohne dessen Beteiligung - Albini-typisch bis ins Mark: akzentuiert, dynamisch, zum Zerreißen gespannt. Soll heißen: Wer nur tight genug spielt, braucht keine zusätzliche Dickhosen-Kompression. Dass all diese Wucht aus keinem althergebrachten elenden Privatismus zu stammen scheint, sondern es diese Platte letztlich nur allen zeigen will, passt ebenfalls hervorragend. Wright feuert mit äußerster Konsequenz auf alles, was im Innersten des Hörers zum Zittern gebracht werden kann. Dieses Ziel ist der Weg - und "In film sound" beschreitet ihn mit raumgreifenden, wuchtigen Schritten, die auf jeden noch so flüchtigen Fußabdruck Haus und Hof verwetten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Noise parade
- Mire
- Captive to nowhere
- Surely they'll tear it down
Tracklist
- Noise parade
- The caustic light
- Tax the patients
- Who's sorry now
- Bleed
- Mire
- Captive to nowhere
- Surely they'll tear it down
- Mason & Hamlin
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