Helldorado - Bones in the closet
Checkpoint Charlie / CargoVÖ: 24.05.2013
The showdown must go on
Kleine Erdkunde: Stavanger liegt nicht etwa in Texas, sondern in Norwegen. Und die Welt des dort ansässigen Trios Helldorado steckt voller Wüstensand, blauer Bohnen und schwerer Jungs mit Knarre im Anschlag. Auf ihrem neuesten Longplayer pflastern Leichen den Weg der Nordlichter genauso wie auf den Vorgängern "The ballad of Nora Lee" und "Sinful soul" - und dafür muss die Band um Frontmann Dag S. Vagle ihre Songs nicht einmal wie die Landsleute Madrugada oder Kaizers Orchestra mit Swamp-Düsternis, Öltonnen-Humpa oder Musical-Überbauten kreuzen. Die Bewerber für den nächsten Showdown stehen nämlich längst auf der Matte - Peter Falks Basset wurde im Verlauf sämtlicher "Columbo"-Folgen schließlich auch 16 mal ausgetauscht. Hunde, wollt Ihr ewig leben?
Auch auf diesem Album sind es die armen Sünder und niedergestreckten Stetson-Träger, die letztendlich auf den Hund kommen - "Bones in the closet" ist mit staubigen Prärie-Rockern, großzügig dosierten Mariachi-Tröten und stilecht aufgetischten Gangster-Epen von Anfang an Tex-Mex in Reinkultur. Den rasanten Opener "Gallow's bird" befeuern schneidende Bläser und ein flinkes Reverb-Riff, durch die tieftraurige Suffhymne "Misery and woe" schlingert ein Piano mit gehöriger Schlagseite. Einmal spielen Helldorado schneller als ihr Schatten, dann wiederum hängen die Songs tiefer durch als die Kinnlade der besungenen schrägen Vögel. Dabei bleiben die Norweger stets in ihrem bleihaltigen Idiom und kennen ihnen Morricone genauso in- und auswendig wie groß auftrumpfendes Drama und explosive Garagenrocker.
"Dead world" feiert mit waghalsigem Uptempo das Leben in Gefahr und steht in seiner lasterhaften Umwelt doch auf verlorenem Posten, Auftragsmörder "John McMiller" kündigt zu Stichflammen aus der Trompete und spitzen Background-Vocals gar den Ausstieg aus seinem ruinösen Job an. Vielleicht glaubt er ja tatsächlich, dass es sich als braver Mann besser lebt. Schwerer Fehler. Man muss nur einmal den bedauernswerten Tony aus der herzzerreißenden Moritat "Times of trials" oder den Protagonisten von "Johnny's song" fragen. Auch wenn beide nicht mehr antworten werden: Der eine lässt sich mit einem skrupellosen Bandenboss ein, liegt danach tot auf dem Rasen und hinterlässt eine trauernde Witwe, und dem anderen ergeht es nicht besser, als er seine Angebetene ihrem prügelnden Ehemann zu entreißen versucht. Dumm gelaufen, tragisch gestorben.
Doch Helldorado beweisen nicht nur Gespür für vollendete Melodramatik und mitreißende Hooks, sondern zischen auch nach fortgeschrittener Spieldauer mit "Two headed horseman" und "'69 Camaro" vorzüglich auf geisterhaftem Klepper beziehungsweise in tiefergelegtem Sportwagen ab. Fast schon Ehrensache, dass eine Interpretation von Ennio Morricones "Sixty seconds to what?" aus dem klassischen Spaghetti-Western "Für ein paar Dollar mehr" dieses Album beschließt - und was auch immer da in 60 Sekunden vor einem steht: Gut möglich, dass es eine Sense oder eine Wumme in der Hand und einen Kopf zu viel hat. Und man selbst bald einen weniger. Immerhin ein Trost: Auf dem Weg zur Hölle spielt der Schnitter einem sicher gerne noch einmal dieses tolle Album nach. Und wenn es auf dem Knochen-Xylophon ist.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Misery and woe
- John McMiller
- Times of trials
- Two headed horseman
Tracklist
- Gallow's bird
- Misery and woe
- Dead world
- John McMiller
- Please come back
- Times of trials
- Bones in the closet
- Two headed horseman
- '69 Camaro
- Lost highway motel
- Johnny's song
- Sixty seconds to what?
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