The Old Wind - Feast on your gone
Pelagic / CargoVÖ: 26.04.2013
Die Zerrüttung
Was tun, wenn es richtig beschissen läuft? Wie die innere Dunkelheit vertreiben? Tomas Liljedahl, ehemaliger Shouter der Genre-Götter Breach, wandelte nach eigenem Bekunden jahrelang durch das finstere Tal. Doch nicht der Herr war sein Hirte. Liljedahl bereitete sich vielmehr selbst einen Tisch im Angesicht seiner inneren Feinde, weidete sich selbst auf einer grünen Aue und führte sich selbst zum frischen Wasser. Sein Stecken und sein Stab des Trostes wurden The Old Wind, das Kanalisationsorgan seiner Zerrüttung. Liljedahl begab sich wieder auf die rechte Straße. Jetzt lässt er den Hörer teilnehmen an der beschwerlichen, von zerklüfteten Pfaden dominierten Reise hinaus aus der Finsternis.
Liljedahl holte sich für die Vertonung seiner Verlorenheit zwei Breach-Kollegen an Bord, schnappte sich mit Karl Daniel Lidén den Schlagzeuger von Vaka und konnte für die dritte Gitarre Robin Staps von The Ocean gewinnen, der The Old Wind kurzerhand auf seinem Label unterbrachte. Wie Staps brachiale Walls of sounds kreieren kann, so zeigt er ein gutes Händchen in der Wahl seiner Labelmates. Mit "Feast on your gone" von The Old Wind lässt er nach Earthship und Coilguns das dritte bestialische Meisterwerk auf die Menschheit los.
"In fields" entfesselt sogleich im Auftakt eine solche Wucht, dass die Ohrmuschel durch die Nasenlöcher geschlagen wird. Wenn die Wendung "jemanden eiskalt erwischen" Legitimität hat, dann im Opener von "Feast on your gone". Die Gewaltsamkeit, mit der diese Macht von Song mit seiner Kaltschnäuzigkeit und Brutalität über den Hörer bricht, ist einzigartig. Das klangliche Pendant des Verlassens eines gut klimatisierten Raumes in eine bei 38 Grad Celsius flirrende Sommerglut. Wie der hitzebedingte Schlag die Luft aus den Lungenflügeln pumpt und einen Schauer über den Rücken jagt, so "In fields". Liljedahl keift dramatisch gegen die Urgewalt der Instrumentierung an. Wie ein hungriger Wolf nimmt er die Witterung auf. Allerdings wie einer, dem die Vorderbeine verstümmelt wurden. Selten barst Schmerz so glaubhaft durch die Gehörgänge.
"I'm dead" lässt erahnen, wie sich ein menschliches Wesen auf einer Folterbank fühlen muss. Wühlend, schlingend, einnehmend, misanthropisch dringt der Klang wie blitzendes Stahl in das Herz und zieht Furchen hinab durch das Fleisch. Die pathetisch wohlkalkulierten Ruhephasen in der Mitte des Songs steigern den Effekt des Unhaltbaren. Liljedahls Stimme bricht dabei und überschlägt sich, verzerrt, reißt an den Riemen seiner Fesseln, doch auch "Raveneye" scheint keine Erholung zu bieten. Vielmehr geht es mit vehement macht- und druckvollen The-Ocean-Gitarren weiter ans Eingemachte, ebenso "The old wind", das eine "eingängigere" Seite offenbart. Das Anzitieren von Staps Hauptband gereicht Liljedahl tatsächlich zum Besten. Er hält dergestalt künstlerische Erhabenheit bei, die er eigenständig umdeutet.
Hörbar macht dies das angesludgete "Reign". Die Saiten von Bassist Kristian Andersson vibrieren irgendwo unter seinen Schuhsohlen, während die Gitarren wie eine schreckliche Unwetterfront die Schwere von "In fields" zu einem endgültigen Crescendo und "Feast on your gone" zum Ende treiben. Es bleibt zu hoffen, dass Liljedahl mit dem Exorzismus seiner Dämonen Gutes und Barmherzigkeit sein leben lang folgen werden. Nach solch einem Kraftakt hat er nicht weniger verdient.
Highlights & Tracklist
Highlights
- In fields
- The old wind
Tracklist
- In fields
- I'm dead
- Raveneye
- The old wind
- Spears of a tousand
- Reign