Black Pus - All my relations
Thrill Jockey / Rough TradeVÖ: 22.03.2013
Entzündungshämmer
Um das klarzustellen: Thom Yorke singt wie ein misshandeltes Erdmännchen. Joanna Newsom kann gefälligst Brennholz aus ihrer blöden Harfe machen. Und Arcade Fire gehören auf links gezogen. Die machen ja alle bloß Musik. Igitt. So, das musste mal raus. Und nachdem wir nun sämtliche Kandidaten für Höchstwertungen auf Plattentests.de stellvertretend beleidigt haben, können wir uns in Ruhe Brian Chippendale zuwenden. Dessen zweites Album als Black Pus ist nämlich auch eine Beleidigung - für alle Hörgewohnheiten, die man gemeinhin mit dem Begriff Musik assoziiert. Mehr noch als der Radau, den er mit seinem Komplizen Brian Gibson bei Lightning Bolt verzapft. Denn wer nach überstandener Hörmarter die These aufstellt, "All my relations" klänge wie eine Operation ohne Betäubung, hat Recht. Chippendale verkündet derweil freudestrahlend den Release der ersten Single: "Have no fears, "1000 years" has appears!" Auch wenn nicht einmal seine - eigenen Angaben zufolge 206 - Kinder sich das Ding anhören mögen.
Die Kleinen werden wissen, warum. Daddy hat halt einen Knall. Und das ist ausnahmsweise nicht als Beleidigung gemeint. Im Gegenteil: Ihm gebührt größter Respekt für seine Verweigerung aller Grundsätze der Harmonielehre und den akustischen schwarzen Eiter, der hochentzündlich aus den acht Stücken pulsiert. Denn tatsächlich sind Schlagzeug, Bass, Electronics und durch allerlei fleischfressende Effektgeräte geschleuste Vocals auf "All my relations" nur gelegentlich als solche zu erkennen. Dafür treibt Chippendale schon sein synkopiert hämmerndes Drumspiel zu sehr auf die Spitze - als würden Battles in den Tiefen einer Math-Rock-Hölle brennen, die auch ganze Wagenladungen "Ice cream" nicht zu löschen vermögen. Und es versteht sich von selbst, dass auch deren bizarrer Teletubbies-Shuffle "Atlas" gegen Black Pus' wüsten Kriegstanz-Ausraster "Hear no evil" reinster Pop ist. Erstaunlich jedoch: Es handelt sich nicht um das einzige Stück, dem man hier wohl oder übel Hitqualitäten zugestehen muss.
Auch "Fly on the wall", ein Kreischsägen-Boogie im Geschwindigkeitsrausch, fängt plötzlich an zu swingen, und das erwähnte "1000 years" halluziniert gar Iggy Pops "Lust for life" in eine Noise-Zentrifuge mit viel Geschrei. Was allerdings nicht heißt, dass man hier schon frühzeitig aufatmen sollte. Gerade wenn es scheint, Chippendale habe den Bogen zum Song raus, zieht er mit hämischem Grinsen die Ohrenschrauben wieder umso fester an - bevor er kurz nach der Hälfte endgültig die Nase voll hat und ab "Nowhere to run" auf ein vernichtendes Finale zusteuert. Das Schlagzeug landet krachend in der Ecke, die Stimmbänder fliegen hinterher, der bösartige Distorto-Bass lässt das brünftige Wildschwein raushängen. Und so bleiben zwei Dinge: die Erkenntnis, dass "All my relations" ein genauso markerschütterndes wie tolles Album ist - und gleichzeitig die Erleichterung darüber, dass man es nicht immer hören muss. Versuchen wir es zur Abwechslung doch einmal mit Musik. Äh Thom - bist Du noch sauer?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fly on the wall
- 1000 years
- Hear no evil
Tracklist
- Marauder
- Fly on the wall
- 1000 years
- Word on the street
- All out of sorts
- Hear no evil
- Nowhere to run
- A better man
Referenzen
Spotify
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