Oasis - Standing on the shoulder of giants

Helter Skelter
VÖ: 28.02.2000
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Giganteskes Overstatement

Die selbsternannt "beste Band der Welt" ist zurück. Nach dem Weggang von Paul "Bonehead" Arthur und Paul "Guigsy" McGuigan mußten sich die Gebrüder Gallagher zunächst nach Ersatz umsehen, den sie in Andy Bell von Ride und in Gem von Heavy Stereo fanden. Als neuer Produzent wurde Mark Stent (U2, Madonna, Massive Attack und Spice Girls) angeheuert, um der Platte etwas mehr Professionalität zu verleihen, da Oasis die sehr freundschaftliche Beziehung zu ihrem früheren Produzenten als zu wenig ertragreich erachteten.

Auch Liam und Noel Gallagher selbst sind nicht von Veränderungen verschont geblieben. Da beide jetzt Väter sind bemühen sie sich, von ihrem unsoliden Lebenswandel Abstand zu gewinnen und sich etwas erwachsener zu geben. Angespornt durch dieses Vorhaben, schafften es Oasis, ihre neueste Produktion ausnahmsweise nicht in durchgängigem Vollrausch, sondern zumindest teilweise bei klarem Kopf aufzunehmen, was an sich schon mal sehr lobenswert ist. Natürlich war der gute Liam nicht um eine Einschränkung verlegen: "Die Tatsache, daß Noel und ich jetzt Väter sind und zu bestimmten Dingen nein sagen, ändert aber nichts daran, daß man die Frauen auch mal daheim lassen kann, um mit Kumpels einen draufzumachen."

Die Gallaghers wären auch nicht die Gallaghers, wenn es nicht ab und zu mehr oder weniger große Skandale um sie geben würde, was die beiden immer noch auszukosten scheinen. Die Gerüchte um den Weggang von "Bonehead" gingen ihnen doch ziemlich gegen den Strich und wurden von Liam als "verdammtes Presse-Gesabber" betitelt. Große Aufregung gab es im Vorfeld auch um den Verkauf der neuen Platte, oder besser um den kleinen schwarzweißen Sticker darauf, bei der amerikanischen Kaufhauskette "Wal Mart", die CDs mit dem "Parental advisory"-Aufkleber grundsätzlich nicht verkaufen. Ob und inwiefern sich das auf den kommerziellen Erfolg von "Standing on the shoulder of giants" in den Staaten auswirken wird, bleibt abzuwarten. Die viel interessantere Frage war aber, wie denn die neuen Oasis klingen würden. Hat sich mit dem neuen Personal auch der musikalischen Stil verändert oder hält man am Konzept von "Be here now" fest?

Oasis mögen zwar von ihrem alten Logo Abschied genommen haben, und auch wenn "Standing on the shoulder of giants" das erste Album der Band mit einem Cover ganz ohne posende Gallaghers ist, Arroganz und Größenwahn sind nach wie vor vorhanden und wurden sogar noch ausgebaut. Das Geflecht zwischen Musik und Attitüde war bei Oasis seit jeher sehr dicht verknüpft, und so trifft der Albumtitel den Status der Band ziemlich genau. Man fühlt sich nicht mehr nur als Giganten sondern steht auf deren Schultern und macht sie sich untertan. So könnte zumindest der Gedanke hinter dem Titel lauten. Tatsache ist in jedem Fall, daß es Oasis musikalisch auch mit ihrem vierten Album nicht gelungen ist, aus dem künstlerischen Schatten der Beatles herauszutreten und die Songs immer noch gespickt mit Fab Four-Referenzen sind. Wirklich gigantisch sind auf "Standing on the shoulder of giants" lediglich die aufgeblasenen Arrangements, die im Vergleich zum Vorgängeralbum mitunter sogar noch überladener daherkommen.

Oasis sind nach wie vor eine Brit-Pop Band, haben sich was die Instrumentierung angeht auf "Standing on the shoulder of giants" mitunter aber auch Inspirationen von anderen Musikrichtungen geholt, was in diesem Maße nicht zu erwarten war. Die vagen Experimente klingen schon beim Opener "Fuckin' in the bushes" an, bei dem Samples verwendet wurden und werden bei "Put your money where your mouth is", das auf einem AC/DC-Riff basiert, ausgebaut. Diese Anleihen lassen sich zum Teil auf die Zusammenarbeit Noel Gallaghers mit den Chemical Brothers zurückführen. "I can see a liar" ist ein sehr rockiges Stück in der Tradition von "Roll with it", in dem die musikalische Klasse der Jungs aus Manchester in dieser Richtung am deutlichsten zu hören ist. Natürlich dürfen die obligatorischen Brit-Pop-Hymnen nicht fehlen und werden durch die etwas glatt geratene Single-Auskopplung "Go let it out" sowie die wunderschöne Ballade "Roll it over" berücksichtigt. Besonders gespannt war man auch auf Liams Einstand als Songwriter, den er mit "Little James" gab. Auf Vorwürfe, der Song klänge wie "Wonderwall", antwortete er mit einem lapidaren "So bloody what? It worked the first time, didn't it?" Die experimentelle Seite von "Standing on the shoulder of giants" ist auch gleichzeitig ihr Manko. Am deutlichsten wird dieses Phänomen bei "Who feels love" bemerkbar, das an Mercury Rev erinnert und Oasis nicht besonders gut zu Gesicht steht. Die neuen Einflüsse verleihen der Platte zwar eine gewisse Vielfalt, können aber nicht durchweg überzeugen und bisweilen ebensowenig wie die ausladenden Arrangements die mangelnde Eigenständigkeit der Beatles-Epigonen überdecken. "Standing on the shoulder of giants" wird möglicherweise den kommerziellen, dabei jedoch keinesfalls den musikalischen Status eines "(What's the story) Morning glory?"-Albums erreichen, ist aber nach dem eher schwachen Vorgänger "Be here now" dennoch ein erster Schritt in die richtige Richtung.

(Benjamin Bunte)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Go let it out
  • Gas panic!
  • Where did it all go wrong?

Tracklist

  1. Fuckin' in the bushes
  2. Go let it out
  3. Who feels love?
  4. Put your money where your mouth is
  5. Little James
  6. Gas panic!
  7. Where did it all go wrong?
  8. Sunday morning call
  9. I can see a liar
  10. Roll it over
Gesamtspielzeit: 47:57 min

Im Forum kommentieren

Kojiro

2025-02-09 11:53:47

Völlig unnötige Repress.

Das Album hätte eine Remastered Version verdient, da es unfassbar schlecht gemischt ist. Zu leise. Zu wenig druck. Mit einem besseren Mixmaster könnte man noch eine Menge aus diesem teils grandiosen, teils öden Album rausholen.

Armin

2025-02-08 13:34:20- Newsbeitrag

OASIS kündigen 25 Jahre Standing On The Shoulder Of Giants an

Oasis kündigen heute die 25th Anniversary Edition ihres vierten Studio-Albums "Standing On The Shoulder Of Giants" für den 28. Februar 2025 auf silbernem und store-exklusivem blue and purple marble Vinyl an. Passend dazu erscheint ein neues Lyric-Video zur ersten Single des Albums, "Go Let It Out".

Das 25-jährige Jubiläum von Standing On The Shoulder Of Giants fällt auf den Beginn eines Jahres, das Oasis gehören wird, da die Fans gespannt auf die Oasis Live '25 Tour warten, die Wiedervereinigung, die jahrelange fieberhafte Spekulationen beendete. Die beispiellose Nachfrage und der überwältigende weltweite Appetit machten die Ankündigung zur Musikgeschichte des Jahres 2024. Im vergangenen Jahr erreichte die 30-jährige Jubiläumsausgabe von Definitely Maybe zum zweiten Mal in ihrer Geschichte Platz 1 der britischen Albumcharts.




„Standing On The Shoulder Of Giants“ war ein entscheidender Moment in der Geschichte von Oasis und markierte den Beginn einer neuen Ära für die Band. „Go Let It Out“ war die erste Veröffentlichung auf Noel und Liam Gallaghers eigenem Label Big Brother Recordings Ltd., das im Januar 2000 nach der plötzlichen Schließung von Oasis' ehemaligem Label Creation Records gegründet wurde. Die erste Veröffentlichung von Big Brother wurde in aller Eile produziert und am 7. Februar 2000, nur sieben Wochen nach der Gründung des Labels, veröffentlicht.

Big Brother wurde von Noel und Liam zusammen mit ihrem Management-Team gegründet und vollständig selbst finanziert. Für eine der unabhängigsten Bands Großbritanniens war dies die einzige echte Option. In den 25 Jahren seit seiner Gründung hat Big Brother die Rechte für den bestehenden Katalog der Band sowie für Neuveröffentlichungen erworben und war für 10 Nummer-1-Alben und über 15 Milliarden Streams weltweit verantwortlich.

Nach dem kometenhaften Welterfolg von Definitely Maybe (1994), What's The Story (Morning Glory?) (1995) und Be Here Now (1997) wagten Oasis mit Standing On The Shoulder Of Giants eine kühne Weiterentwicklung ihres Sounds. Noel Gallagher verfolgte bei den Aufnahmen einen breiteren und experimentelleren Ansatz, was zu einer Abkehr von ihrem früheren Sound hin zu einem modernen, vom Psychedelic Rock beeinflussten Album führte. Diese Experimente und die reichhaltigere Klangpalette waren zum Teil darauf zurückzuführen, dass Noel sich mehr Zeit für die Produktion dieses Albums nahm als zuvor. Es wurden neue Instrumente und Techniken eingesetzt, darunter Drumloops, Samples, E-Sitar, Mellotron, Synthesizer und rückwärts abgespielte Gitarren, die alle zu einer Weiterentwicklung des Oasis-Sounds beitrugen. Bei mehreren Titeln des Albums verwendete Oasis auch erstmals Samples. „Fuckin' In The Bushes„ enthält Samples aus Murray Lerners Film ‚Message To Love Isle Of Wight 1970‘, während ‚Go Let It Out‘ Elemente aus Johnny Jenkins' ‚I Walk on Gilded Splinters‘ enthält. Mit ‚Standing On The Shoulder Of Giants‘ trug Liam Gallagher zum ersten Mal zum Songwriting eines Oasis-Albums bei (“Little James"), was sich auch auf den folgenden Alben fortsetzte.

Standing On The Shoulder Of Giants ist auch deshalb von Bedeutung, weil es das erste Oasis-Album ist, das nach dem Wechsel in der Originalbesetzung der Band veröffentlicht wurde. Gem Archer und Andy Bell übernahmen die Gitarren- bzw. Bassaufgaben für die Live-Aktivitäten des Albums, nachdem Paul „Bonehead“ Arthurs und Paul „Guigsy“ McGuigan die Band verlassen hatten. Auch für den Aufnahmeprozess war es von Bedeutung, dass Mark „Spike“ Stent neben Noel die Produktionsaufgaben übernahm.

Die kühnen neuen Klänge wurden von den Oasis-Fans schnell angenommen und Standing On The Shoulder Of Giants erreichte Platz 1 der britischen Album-Charts und verkaufte sich allein in der ersten Woche über 310.000 Mal. Das Album ist jetzt mit Doppelplatin ausgezeichnet und wurde auch in den USA über 200.000 Mal verkauft. Darüber hinaus lebt das Erbe seiner Songs im Backkatalog von Oasis weiter. „Fuckin' In The Bushes“ hat sich im Bewusstsein der Fans als der aufrührerische Schlachtruf festgesetzt, mit dem Oasis bei nachfolgenden Live-Shows auf die Bühne kam. ‚Go Let It Out‘, ein Klassiker von Noels bestem Songwriting, untermalt von einem hypnotischen Drum-Loop und Mellotron, führte die Single-Charts in Großbritannien, Irland, Italien und Spanien an. Und mit dem spiralförmigen Chaos von „Gas Panic!“ zeigte die Band ihre Fähigkeit, mit dunklen, ernüchternden Texturen und einem gekonnt gestalteten Gefühl der Unruhe meisterhaft Neuland zu erkunden.

Mit Standing On The Shoulder Of Giants schlug Oasis ein mutiges neues Kapitel auf, das den Grundstein für alles legen sollte, was folgen würde, da die Band die Kontrolle über ihr eigenes Schicksal übernahm.

The MACHINA of God

2025-02-06 00:28:46

Ich find es irgendwie bemerkenswert, wie gut die Texte Noels in dieser Phase sind. Diese frische Nüchternheit plus daraus resultierende Anxiety schafft defintiv ein paar richtig schöne und reflektierte Zeilen. Besonders in Songs wie "Gas Panic" oder "Let's all make believe". Also vor allem von einem Mann, der vorher vor allem Texte als Werkzeug für Melodien genutzt hat (und dies wunderbar). Vorher und auch danach waren seine Texte halt da, aber hier sieht man irgendwie mal den Noel dahinter.

Huhn vom Hof

2024-11-18 13:42:51

Noel wollte damals wohl "Gas Panic!" auf die Best of "Stop The Clocks" packen - warum hat er es nicht getan? Die beste Nicht-Single von Oasis. Cooler, düsterer Song.

octoberswimmer

2024-03-04 08:12:50

Ja, PYMWYMI und "I can see a liar" sind leider die Ausfälle auf einem Top-Album. In diesem Sinne: Live for your toys, even though they make noise!

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