Motorpsycho - Still life with eggplant

Stickman / Indigo
VÖ: 12.04.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Let's Zep

Wohl dem, der Fans hat wie die heiligen Motorpsycho. Bereits Monate vor jeder neuen Veröffentlichung wird hier hektisch spekuliert, nach den ersten Songsnippets jede einzelne Note tapfer bestalkt und schließlich bei diversen Livegigs zwischen Vorgestern und Annodunnemal dingfest gemacht. Was aber auch einfach daran liegen könnte, dass die Gitarrentabulatur nun einmal begrenzt ist und Motorpsycho bekanntlich immer schon den prickelnden Drang verspürten, so viele Noten wie eigentlich unmöglich so schnell wie irgend möglich zu spielen. Und ja, Motorpsycho bedienen sich auch für "Still life with eggplant" bei manch Altbewährtem. Es fehlt allerdings erneut die Live-Zuckerbombe "Whiskey & rock'n'roll", eine Tatsache, die ohne den leisesten Anflug bösen Willens erleichtert aufatmen lässt - diesen Southern-Rock-Stampfer wüssten nämlich wirklich nur die Hartgepökeltsten unter den Hardcorefans auf Konserve zu goutieren. Das Fehlen ebendiesen Stücks spricht nun auch allgemein für die Gangart, die Motorpsycho auf "Still life with eggplant" einlegen.

Für die mittleren drei Lieder ergänzt um Psychedelic-Gitarrenlegende Reine Fiske, proggt, schmoggt und roggt dieses Fünfzehntwerk zwar erwartungsgemäß, allerdings keineswegs vollkommen ungezügelt vor sich hin. "Hell (part 1-3)" eröffnet den Reigen als schwerer Stoner-Grunge-Hybrid, zieht dann erst ins Let's-Zep-Tempo hinein, lässt Bent Sæthers Bass durch die Läufe pumpen und Hans Magnus Ryans Gitarre kreischen, züngeln, fiedeln. "Barleycorn (Let it come / Let it be)" setzt hingegen eindeutig auf Atmosphäre und Space-Rock, hält die Soli dabei harmoniedienlich und kickt die Gesangslinien ganz nach vorne. Und das abschließende "The afterglow" ist zwar sicherlich viel zu ausgearbeitet für echten Americana-Pop - präsentiert aber doch wunderbar unterkandidelten Psychedelic-Folk, der nur mittendrin ganz kurz Schwanzrock andeutet, um dann in J-Mascis-Fuzz hineinzuschunkeln. Auch sonst ist in fünf Liedern Motorpsycho mal wieder alles drin. Bis auf die Emo-Indierock-Geräuschwand. Aber hey: Für jemanden, der derart schnell spielt wie Motorpsycho, liegen die 1990er natürlich viel weiter als nur 13 Jahre zurück. Ganz im Gegensatz zu den 1970ern. Muss man nicht verstehen, kann man aber hören.

Was "Still life with eggplant" darüber hinaus hervorragend gelingt, ist die nochmalige Exposition von Ryans und Sæthers Stimmen, die - sei es als Simon & Garfunkel, Robert Plant, John & Paul oder eben einfach Ryan und Sæther - stets ganz dicht in den Arrangements sitzen. Beim Love-Cover "August" sind sie der eigentliche Held, obwohl sich Ryan durch ein nicht minder heldenhaftes ultrakomprimiertes Fuzz-Box-Solo schreddert. Und auch den von manchem Schlichtrock-Veteranen sicherlich als Prügelstrafe empfundenen Psychedelic-Jazzrock-Gniedel von "Ratcatcher" halten sie trotz seiner 17 Minuten Spielzeit ebenso am Boden, wie sie ihn zusätzlich veredeln. Zudem ist Motorpsychos zwischenzeitlich bedenklich aufkommender Hang zu textlichem Schnullibulli seit einigen Jahren glücklicherweise wieder im Sinkflug begriffen. Zwar weiß nach wie vor niemand so wirklich, was man mit einer Zeile wie "Ratcatcher / Let me go / Set me free" anfangen soll - zumal sich die Zeilenenden in schöner Regelmäßigkeit zu unverständlichen Kopfstimmen-Soli hocharbeiten, die dann von Ryans Gitarre dankbar aufgenommen werden. Aber wer von Motorpsycho noch seelische Abgründe und / oder politisch-gesellschaftliche Statements erwartet, der braucht sich als Realitätscheck ohnehin nur alle Albumtitel seit dem Jahrtausendwechsel vor Augen zu führen.

Macht aber alles nichts, denn Motorpsycho singen ja bekanntlich überhaupt nur noch deshalb, weil sie das eben auch herausragend gut können, es also eine Verschwendung wäre, es nicht zu tun. Stattdessen ziehen sie ihre Relevanz mehr und mehr aus einem musikalischen Freiheitsanspruch, der die Autarkie von "The death defying unicorn" jetzt eben mit Dickhosenrock kontert. Dass sie - erst recht seit der Vollverwertung von Kenneth Kapstads hydraarmigem Schlagzeugstil - viel zu gerne richtig tolle Musiker sind, implodierte in der Vergangenheit jedoch schon weitaus unangenehmer zu Spieltechnik-Happenings als auf "Still life with eggplant". Zwar bleiben sowohl ihre Ausarbeitung von Freiheit als auch ihre Konter seit geraumer Zeit zu Ende definiert. Doch das hindert Motorpsycho gewiss nicht daran, einfach immer wieder unaufgeregt aufgeregte Musik zu spielen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • August
  • Barleycorn (Let it come / Let it be)

Tracklist

  1. Hell (part 1-3)
  2. August
  3. Barleycorn (Let it come / Let it be)
  4. Ratcatcher
  5. The afterglow
Gesamtspielzeit: 45:07 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2019-09-10 21:04:37

Bei rym vor Heavy Metal Fruit, Here Be Monsters, The Crucible und The Tower, sehr seltsam.

Seh ich genauso. Auch für mich wohl das schwächste der Kapstatt-Phase.

Mayakhedive

2019-09-10 08:00:32

Ergänzung, weil ich es gerade höre:
"August" ist auch super!

Mayakhedive

2019-09-10 07:10:27

Was noise sagt...
Abgesehen vom grandiosen "Hell..." und "Ratcatcher", das zwar etwas zu lang ist, aber ein paar tolle Momente hat, sind die restlichen Songs irgendwie unscheinbar.
Bei rym vor Heavy Metal Fruit, Here Be Monsters, The Crucible und The Tower, sehr seltsam.
Muss ich aber auch mal wieder hören.

The MACHINA of God

2019-09-10 00:28:51

Ja, die "Monsters" ist deutlich ruhiger. Keine Ahnung, warum ich die als Dreier sehe. HIghlight ist hier sicherlich "Hell Part 1-3".

noise

2019-09-10 00:19:32

Sehe sie eigentlich vom Stil her nur mit der "Behind the sun" zusammen. Nicht aber mit der "Here be Monsters".
Bleibt aber für mich die schwächste in der Kapstad Ära

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