The Strokes - Comedown machine
RCA / SonyVÖ: 22.03.2013
Ein anderes Früher
Es führt kein Weg dran vorbei: Die Rezension zu einem neuen The-Strokes-Album kann einfach nicht ohne Retrospektive auskommen. Das ist die bekannte Geschichte: Im Sommer 2001 veröffentlichten fünf junge New Yorker mit Namen wie aus einem Hipster-Roman ihr Debütalbum. "Is this it" ging durch die Decke, beeinflusste so ziemlich jede Gitarren-Band in den nächsten fünf Jahren und rettete ganz nebenbei den Rock'n'Roll. Elf Songs à drei Minuten. Die perfekte Symbiose zwischen Schmutz und Pop. Doch Schluss mit der Schwärmerei von früher. Sonst endet man schnell wie einer dieser Rock-Opis, die einem erzählen wollen, dass AC/DC sowieso die geilste Band aller Zeiten sei.
Jetzt also "Comedown machine". Der vorab veröffentlichte Song "One way trigger" stellte schon mal ein paar dringende Fragen: Wo sind die Gitarren hin? Und was ist mit Julian Casablancas' cooler Nörgelstimme passiert, die so wunderbar an Lou Reed erinnerte? Tja, aus den Gitarren sind zuckende Synthies geworden, und Casablancas singt im Falsett. Hat man den ersten Schock überwunden, entwickelt der im Gewand der 80er Jahre daherkommende Song Ohrwurmcharakter - ohne dabei aber als die große Offenbarung in die Bandgeschichte einzugehen.
So ganz haben die Strokes ihren alten Stil nicht begraben. Die erste Single "All the time" hätte locker auf "Room on fire" Platz gefunden und dabei das Album garantiert nicht schlechter gemacht. Schnell gespielter und simpler Gitarrenrock. Auch der Opener "Tape out" geht in diese Richtung, fällt allerdings deutlich vertrackter aus. Dass die Band über ein feines Gespür beim Songwriting verfügt, beweist sie mit dem grandiosen "Welcome to Japan". Groovt der Song anfangs noch gemütlich vor sich hin, wächst er im Finale zu einem der besten Strokes-Songs überhaupt an. Und wenn Casablancas zwischendrin "I didn't want to know this / Didn't know the gun was loaded" singt und "Welcome to Japan" ins Mikrofon haucht, klingt das einfach nur lässig.
Ungewöhnlich lang fällt mit über fünf Minuten Spielzeit "80's comedown machine" aus. Erneut spielen Synthies und gewöhnungsbedürftiger Gesang die Hauptrolle. Weiterskippen ist kein Muss, aber doch irgendwie zu empfehlen. Denn das punkige "50/50" ist zwar nur halb so lang, dafür aber doppelt so gut. Auf der zweiten Album-Hälfte wechseln sich ruhigere Songs wie das verträumte "Chances" oder das radiotaugliche "Slow animals" mit schnelleren Liedern wie "Partners in crime" und dem schmissigen "Happy ending" ab. Das abschließende "Call it fate, call it karma" erinnert dann mehr an die späten Beatles als an Velvet Underground oder Television.
Ihr "Revolver" haben The Strokes mit "Comedown machine" zwar (noch) nicht aufgenommen. Doch auch wenn die alten Zeiten nicht ganz verblasst sind; Casablancas und Co. haben sich konsequenter und besser vom Stil ihrer Anfangsjahre entfernt als beim Vorgänger "Angles". Zum Glück. Denn ein weiteres Album mit Retro-Gitarren-Rock hätte die Welt wohl nicht gebraucht, dafür liegen die Noughties zu weit hinter uns. Wer braucht dann ein neues Album der Strokes? Nach früher klingen sie auch auf "Comedown machine" - nur die Dekaden der Musikgeschichte sind meist andere. Ein Fall fürs Altersheim ist die Band auf keinen Fall.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Tap out
- Welcome to Japan
- 5050
Tracklist
- Tap out
- All the time
- One way trigger
- Welcome to Japan
- 80's comedown machine
- 5050
- Slow animals
- Partners in crime
- Chances
- Happy ending
- Call it fate, call it karma
Im Forum kommentieren
kingbritt
2020-02-19 16:19:58
Jo, sehe ich auch so mit dem Johnny Marr und Co. Indie-Rock-BritPop-Rock. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Gitarren und Bands nicht! Nein, aber der Zeitraum bleibt.
Garagenrock Revival zeitl. bezogen auf die Hippie-Ära und nicht auf die Smith Ära.
peppermint patty
2020-02-19 16:14:54
Sorry für Ungefragt:
Wer's noch nicht kennt, unbedingt mal "Jangle Town" von Nikki Suden & The Jacobites antesten. Einer der schönsten Songs der 80er, imo :)
MopedTobias (Marvin)
2020-02-19 16:07:21
Klar, aber ich würde Garagenrock nicht synonym mit Indierock oder generell Gitarrenmusik verwenden. Die Smiths sind nach meiner Auffassung von Genres und Strömungen eher Jangle-Pop.
kingbritt
2020-02-19 15:47:38
Die the Smith als Zeitraum 1981 - 1987, war auch eine Hochzeit aufkommender Garagen-Gitarren-Indie Bands.
Die Smith waren entgegen des Synthi Trends Anfang der 80'ein gitarrenmäßiger Contrapunkt und gleichzeitig Impuls für neue Gitarrenbands.
Zappyesque
2020-02-19 14:56:20
Alles klar, so hatte ich das auch verstanden. Tatsächlich gab es angeblich ein prominenteres Revival in den 80ern von dem ich allerdings erst in Anschluss an diese Diskussion mehr in Erfahrung gebracht habe. Die Smiths werden in dem Zusammenhang jedoch nicht erwähnt. Tja, was es nicht alles gibt...
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