Marius Ziska - Recreation
Stargazer / Broken SilenceVÖ: 01.03.2013
Der Tunnelblick
Wenn der kleine Marius Ziska früher mit seinem Vater im Auto unterwegs war, und sie in ihrer Heimat, den Färöer Inseln, gemeinsam durch einen der zahlreichen Tunnel fuhren, setzte währenddessen, beides Launen der Physik, nicht nur die Tageslichtzufuhr, sondern auch der Radioempfang aus. Papa Ziska animierte daraufhin seinen Sohn, sich doch einfach selbst Lieder auszudenken. Singen hilft bekanntlich in dunklen Phasen. Noch bevor das Licht am Ende des Tunnels erreicht war, hatte sich auf der Rückbank eine große Portion Talent breit gemacht, die fortan nicht nur be-, sondern vor allem gefördert wurde. Ziska junior tobte sich an diversen Instrumenten aus und studierte aufmerksam Daddys Plattensammlung, insbesondere The Beatles, Simon & Garfunkel und die holländische Progrock-Band Ekseption. Trotz großer Vorbilder lernte er jedoch vor allem eines: seinen ganz eigenen Instinkten zu folgen, ohne nach links oder rechts zu schielen. Die einsamen Landschaften der Färöer Inseln bieten dazu beste Voraussetzungen.
Das Schöne an färöischen Ortsnamen ist, dass man sie niemals schreiben, sondern stets malen möchte. Søldarfjørður etwa, Ziskas Heimatdorf, das immerhin mehr Häuser vorweisen kann als der 30-Jährige Plattenveröffentlichungen. Was nichts heißt, denn "Recreation" ist, nach dem 2005 erschienenen "The sky is our home", erst sein Zweitwerk. Früher spielte Ziska in einer Rockband namens Flux, die es zwar kurzzeitig zu nationalem Ruhm brachte, aber dann doch nur eine EP aufnahm. Was er nun auf seinem zweiten Soloalbum präsentiert, ließe sich hingegen eher mit dem Etikett "Singer-Songwriter" versehen, allerdings würde dies all die interessanten Zwischentöne unschön vernachlässigen. Zum Beispiel die in "Walk the road" zu hörende illustre Mischung aus Indie-Moderne, Rootsrock-Traditionen, cineastisch-düsteren Bläsern und zwielichtiger Balkanromantik. Oder die Zeitlupeninstrumentierung von "Restless mind", die von herrlichem Harmoniegesang abgerundet wird - man denke an Fleet Foxes, aber auch an Midlake oder Crosby, Stills, Nash & Young.
Mit nur neun Liedern ist "Recreation" zwar etwas spärlich ausgestattet, die Qualität der Stücke erweist sich jedoch als überaus beachtlich. Melodien, für die man sogar ungestraft die Floskel "wie aus dem Lehrbuch" verwenden dürfte. Arrangements, die denen des hochbegabten Landsmannes Teitur - an den auch das sechsminütige Finale "Sound of you" erinnert - beinahe in nichts nachstehen. Und eine Stimme, der man sogar einen schrottreifen Gebrauchtwagen abkaufen würde. "Into the silence" zeigt sich zunächst beatlesk und lässt zum Schluss überraschend eine Horde Schafe zu Wort kommen, während "The middle way" zwar äußerst melancholisch beginnt, dann aber ein versiertes Cembalo hinzuzieht und schließlich mit dem guten alten Americana Brüderschaft trinkt. Gerne wird bei Ziska melodiös gepfiffen, etwa bei "One in the masses", einer Melange aus Klezmer, Vaudeville und Zirkusmusik, ebenso im grandiosen "While you were dreaming". Dass ausgerechnet "Love" nicht sofort überzeugen kann, macht den Rest der Platte nicht weniger liebenswert und vor allem nicht weniger memorabel. Der nächste Tunnel kann kommen. Oder wie Kollege Hinrichs es auszudrücken pflegt: Ziska ist gewarpnet.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Restless mind
- One in the masses
- While you were dreaming
Tracklist
- Nice day
- Into the silence
- Restless mind
- One in the masses
- The middle way
- Love
- While you were dreaming
- Walk the road
- Sound of you