Buke And Gase - General dome

Brassland / Discorporate / Altin Village & Mine / Indigo
VÖ: 22.02.2013
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Die Unkeuschen

Vielleicht liegt es an der nach wie vor grenzwertigen Erfahrung mit der Kelly Family während der 1990er Jahre. Vielleicht auch daran, dass es allgemein eine Menge Gründe gibt, um der eigenen Sippschaft zu misstrauen. An all den durch die Musikgeschichte patriachisierenden Männerbünden. An der schlichten Tatsache, dass man mittlerweile zwischen Seifenoper und Sitcom einen echten Mahlstrom an Familiengeschichten über den großen Teich hat schwappen sehen. Oder auch daran, dass es letztlich doch nur darum geht, dass Brüderlein seine dicke Hose spazieren führt, während Schwesterchens Sorgenfalten bei der Suche nach ihrem Schlagzeuglehrer so wunderbar campy aussehen. Jedenfalls war die Euphorie über musizierende Geschwisterpaare glücklicherweise noch schnell genug vorbei, um nicht prinzipiell auf das altbewährte Mann-Frau-System überzuschlagen. Deshalb hatten etwa The Evens Zeit genug, um sich zu "The odds" endlich einmal am Riemen zu reißen. Und auch New Yorks Buke And Gase, alias Arone Dyer und Aaron Sanchez, machen aus dem vermeintlichen kleinen Unterschied eine sehr schlagkräftige Einheit.

Ihr Zweitwerk "General dome" ist durch angespitzten Noise geschleifter Disharmonie-Pop. No Wave minus Geschichtsunterricht. Ein wenig wie Marnie Stern, grundverlangsamt kurz nach dem Aufstehen. Oder auch Riot Grrrl, (meist) nur ohne Punkrock-Beat. Stattdessen betont das hymnische "Houdini crush" gerade einmal jeden dritten Takt durch Floor-Drum und Tamburin. Zu "Hiccup" bollert eben dieses Zweigespann stoisch auf jede Viertelnote eines schmutzig kratzenden Grunge-Riffs. Und "In the company of fish" macht genau, um nicht zu sagen exakt dort weiter. Soll heißen: Drei Lieder zu Beginn, derart reduziert, dass jeder Fehler sogleich zu einem Menetekel werden könnte - doch eine Attitüde und ein präzise ausgeformter Sound, die jedes Menetekel schon längst vorausberechnet haben.

Genau das gelingt auch Sanchez und Dyer. Insbesondere letztere singt ihre Zeilen wahlweise als Noiserock-Queen oder Primaballerina über, unter und durch die Akkorde, allerdings stets mit mehr als genug Bodenhaftung, um nicht als vollkommen entkoppeltes Kunststückchen für sich dazustehen. Und das tut sie wahrlich nicht, denn eigentlich hatte seit PJ Harvey kaum eine Frau derart viel verquere Melodie in den Lungenflügeln. Eben diese passt nicht nur zu all den zwar stoischen, doch auch innerlich glühenden Songverläufen, sondern kann auch bei den Bandnamen-gebenden selbstgebauten Instrumenten stets passgenau mit - insbesondere mit Sanchez' Gitarre-Bass-Hybrid "Gase", der das kratzige Proto-Grunge-Riffing ebenso beherrscht wie dessen Auflösung in stotternde Avantgarde-Rock-Pickings.

Doch damit genug der fürs harmonieverwöhnte Indie-Ohr abschreckenden Maßnahmen. Denn insgesamt spielen Buke And Gase ihre konzeptionelle Grundorientierung stets konsequent ins Songformat hinein. Wie scharfzüngig "My best Andre shot" auch in den Instrumenten dispergieren mag - Floordrum und Tamburin stampfen dazu unbeirrt einen dicken Kopfnicker. Der Walzertakt von "Twisting the lasso of truth" kommt noch mehr als konterkarierendes Stop-And-Go daher als manch schrulliger Moment von 31Knots - dennoch sieht das beim Schwofen zwar nach Robot-Dance aus, macht genau deshalb aber natürlich einen Heidenspaß. "Cyclopean" gelingt es, Autotune-Gesangsmodulationen zu einer enorm kickenden Angelegenheit zu verdichten. Shellacs Bob Weston besorgt zu all dem sein gewohnt standesgemäßes Vinyl-Mastering, und der Titelsong leiht sich nicht ganz zufällig das Riff von +/-s Bühnenfeger "Fadeout" aus - schließlich betitelten Buke And Gase (ob gewollt oder ungewollt) einst ihre Debüt-EP nach den New Yorker Kollegen. Ansonsten aber bestehen Dyers und Sanchez' Familienbande im Liebhaben all ihrer zupackenden Eintakter, Instrumente und Spleens. Wer braucht da schon die bucklige Verwandschaft?

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Houdini crush
  • General dome
  • Twisting the lasso of truth
  • Split like a lip, no blood on the beard
  • My best Andre shot

Tracklist

  1. Houdini crush
  2. Hiccup
  3. In the company of fish
  4. General dome
  5. Hard times
  6. Sturtle
  7. Twisting the lasso of truth
  8. You do yours first
  9. Split like a lip, no blood on the beard
  10. Cyclopean
  11. My best Andre shot
  12. Contortion in training
  13. Metazoa
Gesamtspielzeit: 42:35 min

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