Pissed Jeans - Honeys
Sub Pop / CargoVÖ: 15.02.2013
Männer sind so
Facebook macht unflexibel. Oder wie soll man sich sonst die zahlreichen Usergruppen erklären, die "Everyone I know is getting married or pregnant, I'm just getting drunk" heißen? Dabei geht doch auch beides gleichzeitig. Man müsste nur einmal Pissed Jeans fragen: Nahezu alle Mitglieder können inzwischen Nachwuchs vorweisen. Und denken natürlich trotzdem nicht daran, von ihrem knirschig-brachialen Gitarren-Noise abzuweichen, bei dem exzessivem Alkoholkonsum - Genuss kann man das nun wirklich nicht mehr nennen - eine Schlüsselrolle zukommt. Und Sänger Matt Korvette fährt im wirklichen Leben womöglich nicht das Auto aus seinem Nachnamen, sondern eine schrottreife Familienkutsche, die jeden Moment auseinanderzufallen droht. Das wäre dann immerhin Punkrock in real existierenden Eheverhältnissen.
Vielleicht hatte die Band aus Pennsylvania ja Ähnliches Im Sinn, als sie ihr 2007er Album "Hope for men" nannte. Doch auf "Honeys" ist es mit der Hoffnung nicht allzu weit her: Überall lauern hässliche Bierbäuche, ungute Suffexzesse, miese Arbeitsbedingungen und verhasste Vorgesetzte. Beste Voraussetzungen für eine Platte wie diese. Geschrei auf dem Klo, Gezeter im Hausflur - schon der Opener "Bathroom laughter" dreht übelgelaunt durch und rotzt dem Hörer entfesselte Pöbelei nebst einer tollwütigen Portion Noise-Rock im Geschwindigkeitsrausch-Modus vor die Füße. Mit "Chain worker" legen Pissed Jeans dann direkt danach den destruktiv schwelenden Kriecher Marke "Spent" nach, auf den man beim Vorgänger "King of jeans" deutlich länger warten musste - eröffnende Blastbeats inklusive. Was für eine schöne Katastrophe.
Dazu fördert der Frontmann nur das gutturalste Geblöke aus den Tiefen seiner wunden Kehle zu Tage und klingt dabei wie Michael Gira von Swans in seinen härtesten Zeiten oder wie der geistig offensichtlich Pate stehende Jim Foetus. Zwar hat Korvette keine ganz so perverse Leichenschänder-Fantasie wie dieser - doch mit dem sprichwörtlichen Blatt vorm Mund hat auch er sich schon längst den Arsch abgewischt. Hämisch sehnt er im brodelnden "Cafeteria food" die E-Mail herbei, die das Ableben seines Yuppie-Chefs verkündet, und wenn sich die Angetraute fortwährend über das schnarchende und furzende Wrack im Ehebett beklagt, hält er den Ratschlag "Romanticize me" sicher für eine gute Idee: Als Mann muss man sich schließlich auch dauernd die Frauen schöntrinken.
Und funktioniert das einmal nicht, gibt es immer noch Alben wie "Honeys", damit sämtliche Hackfressen des Alltags ihr Fett wegkriegen. In "You're different (in person)" die - aha - Facebook-Bekanntschaft nach dem enttäuschenden Date oder bei "Health plan" der Quacksalber, der für Geld in fremden Körpern herumstochert. Nicht in Korvettes jedoch - der macht schon lange einen Bogen um Ärzte. Zumindest auf Platte eine gute Entscheidung, wenn am Ende ein so herrlich kranker, fatalistischer Brocken steht. A propos Ende: Da werden alle Hartgesottenen bei "Loubs" und "Teenage adult" noch einmal mit zwei besonders dröhnenden Bass-Monstern belohnt, die sogar über so etwas wie einen Groove verfügen. Ein Wort, das Pissed Jeans vermutlich nie in den Mund nehmen würden. Männer sind nun einmal so - kann bitte jemand noch einmal die Bläh-Taste drücken?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Bathroom laughter
- Vain in costume
- Loubs
- Teenage adult
Tracklist
- Bathroom laughter
- Chain worker
- Romanticize me
- Vain in costume
- You're different (in person)
- Cafeteria food
- Something about Mrs. Johnson
- Male gaze
- Cathouse
- Loubs
- Health plan
- Teenage adult
Referenzen
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