Amatorski - Tbc

Crammed / Indigo
VÖ: 08.02.2013
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Im Raumwunder

Die Luft ist trocken und klar. Es ist kalt. Die Jacke: bis oben hin zugezogen. Die Augen: leicht zusammengekniffen, weil einzelne Schneeflocken dem Gesicht entgegensteuern und die porösen Wangen leicht benetzen. Winter, wie er schöner nicht gemalt, allerdings mit "Tbc" noch atmosphärischer abgerundet werden kann. Das Debüt der belgischen Band Amatorski sorgt für das Lächeln bei Minusgeraden. Eines, das wahlweise Lücken ins Eis reißt oder gefriert.

Die aufgezogene Spieluhr in "Fading" erklingt melodisch und zerbrechlich, wirkt einerseits unbesonnen und wirft doch einen Blick über die Schulter nach hinten. Ein trügerisches Kindchenschema, hinter dem es grollt und raunt, der Showdown aber ausbleibt. Das Szenario verharrt bis zum Schluss in spannungsgeladener Ausgeglichenheit. Wer Amatorski hört, muss mit allem rechnen, vor allen Dingen mit zauberhafter Fragilität. Die hat Songschreiberin und Sängerin Inne Eyserman so lange verinnerlicht, bis von ihrer Stimme kaum mehr als ein Wispern zu vernehmen ist.

Amatorskis Expressivität erwächst aus der Ruhe. "Let me wake up so my dream can peacefully die", singt Eyserman beim superben Klimax von "Never told", während im Hintergrund aus der Startformation um Drums und Piano langsam ein mit Streichern verfeinertes, modern arrangiertes Postrock-Stück wird. Selbst die angeordnete Kakophonie in "8 November" hinterlässt kein Trümmerfeld, sondern findet allmählich seine Ordnung wieder und lauscht den letzten Tönen, die behutsam mit einem Rauschen an der Hand in die Nacht entgleiten.

Rauschen, Knistern, bis hin zum verzogenen Leiern auf gedämpften Bläsern in "The cheapest soundtrack": Das alles gehört zum guten Ton in Amatorskis LoFi-Kosmos. Dort verharren sie aber nicht. Sie setzen Kontrastpunkte, wie in "Soldier" mit seinen destillierten, elektro-perkussiven Trip-Hop-Beats: "Winter's falling and he wants to row / Like a soldier's heart, a screeching crow." Das Kriegsvokabular kommt nicht von ungefähr: Die zweite CD von "Tbc" erschien einst als EP, bildet nun den Bonus-Teil der in Deutschland erhältlichen Edition und beinhaltet vier Songs, die vom Briefwechsel zwischen Eysermans Großeltern während des Zweiten Weltkriegs inspiriert sind. Und die malten nicht nur schwarz.

So schlüpfen Eyserman und ihr Bandkollege Sebastiaan van den Branden in die Rollen der Briefschreiber und erzählen von zugesandten Zigaretten, Schokolade und zu "Stand by me"-Streichern vom beiderseitigen Wunsch, bald wieder vereint zu sein. Amatorski erarbeiten sich ihre poppigen, akustischen und leicht orchestrierten Klangkörper aus Electro-, Postrock- und Free-Jazz-Elementen - aus Low, Sigur Rós und Portishead. Zu keiner Sekunde überhastet oder überfrachtet. Jeder Ton bekommt spürbar Raum zur Entfaltung. "My life would be lonesome without my favorite work of art" - diesen Stellenwert hat "Tbc" für den Moment.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Never told
  • Come home
  • My favorite work of art

Tracklist

  • CD 1
    1. Fading
    2. Soldier
    3. Never told
    4. Peaceful
    5. 22 Februar
    6. 8 November
    7. The cheapest soundtrack
  • CD 2
    1. Come home
    2. Same stars we shared
    3. The king
    4. My favorite work of art
Gesamtspielzeit: 52:31 min

Im Forum kommentieren

muschie

2014-06-23 14:06:57

der nächste herbst kommt bestimmt!

musie

2013-09-03 13:15:23

grossartiges album! erst jetzt entdeckt aber zum herbst kommt das bestimmt gut..

Körperklaus

2013-02-12 16:11:09

falsch, wie ich finde.

spiegel online

2013-02-12 16:04:56

andreas borcholte gibt nur 6 punkte. zurecht wie ich finde.

Peter Pan

2013-02-07 22:07:09

Tolle Band, schönes Album. Bei den Referenzen hätte man noch Balthazar aufführen können, da Amatorski das Nebenprojekt der Geigerin und des Schlagzeugers von Balthazar ist.

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