Garish - Wo die Nacht erzählt vom Tag
Pate / PIAS / ConnectedVÖ: 04.11.2002
Out of the dark
Es ist schon eine Weile her, daß unsere österreichischen Nachbarn mit musikalischen Exporten hierzulande für Aufsehen gesorgt haben. Falco vergnügt sich mit seiner "Jeanny" schon seit Jahren im Himmelbett, und die EAV-Spaßvögel scheinen wohl einen größeren Versicherungsschaden im Studio zu haben. Ganz zu schweigen vom Altherren-Kabinett um Reinhard Fendrich, Wolfgang Ambros & Co. Hoffentlich wird sich das mit Garish ändern. Schließlich legen die Österreicher mit ihrem Zweitling "Wo die Nacht erzählt vom Tag" eines der aufregendsten deutschsprachigen Alben seit langem vor.
Vordergründig geht es um (Alternative-)Pop, wie ihn die bekannten angloamerikanischen Vorbilder fabrizieren. Dahinter verbirgt sich reine Poesie. Bildgewaltige Lyrik der intimen, zärtlichen Art, die im Stile des großen Dichters Rainer Maria Rilke verfaßt ist. Sänger Thomas Jarmer fungiert dabei als Transmitter, der seinen Gedankenfluß spiegelgleich nach außen kehrt. Scheinbar aus der Luft gegriffene Sätze wie "Das Haar gehalten zur Frisur wie auch das Federkleid / Mit einem Gürtel paßt sie dann die Zufriedenheit" finden sich zu Hauf in den Texten. Wer mit solchen Zeilen nichts anfangen kann, wird mit diesem Album wohl niemals glücklich werden. Einerseits entsteht die Magie der Platte zwar genau aus dieser Liason zwischen Pop und Poesie, andererseits macht es sich das Quintett damit auch manchmal selber schwer.
"Wo die Nacht erzählt vom Tag" geht jedenfalls bezaubernd los: "Blaugepaust" erinnert an den Radiohead-Klassiker "Creep" und betört durch eine Melodie, die den Song kilometerweit an Thom Yorke & Co. vorbeischweben läß. Garish geben ihren Liedern Zeit und Raum, die von Jarmer mit herzerwärmender Intensität ausgefüllt werden. Clever vermischen sie altbekannte Zutaten zu einer eigensinnigen Melange, die direkt ins Herz trifft. Streicher und DJ-Scratches passen da genauso ins Konzept wie luftige Bläser beim beschwingten "Anderswo". Bittersüße Töne werden von noisigen Gitarren aufgerissen und fügen sich plötzlich wieder nahtlos zu einer Einheit zusammen. Bei Garish muß man hinter die Oberfläche blicken, denn darunter schälen sich wunderschöne Melodien hervor, die in Verbindung mit den ausgefeilten Arrangements zu kleinen Kunstwerken heranwachsen. Und obwohl die verschro benen Songs beim ersten Hören nicht gerade catchy klingen, kommt dabei gelegentlich auch Ohrwürmer wie "Zum Mond" oder "Silber" raus.
Ganz ohne Schwächen ist das Album allerdings nicht, denn Garish gelingt es nicht immer, die erzeugte Spannung und Atmosphäre bis zum Ende eines Songs durchzuhalten. Und wenn Jarmer seine Stimme in Höhen schwingt, in denen sich sonst Goldkehlchen wie Matthew Bellamy oder Maximilian Hecker aufhalten, ist die Grenze zur Peinlichkeit nicht mehr weit. Aber das fällt kaum ins Gewicht, denn wer sich auf den Garish-Kosmos einläßt, wird mit "Wo die Nacht erzählt vom Tag" ein Hörerlebnis der besonderen Art erleben. Garish sind eben anders. Und das ist manchmal gar nicht so verkehrt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Blaugepaust
- Silber
- Zum Mond
- Draussen fischt im Eis
Tracklist
- Blaugepaust
- Ich werd belohnt
- Silber
- Taenzer
- Zum Mond
- Anderswo
- Nun anderswo
- Hotel Suesswasser
- Draussen fischt im Eis
- Von rot zu rot
- Radiosong
- Den Platz an bord
- Ist was ich meine
- Plus morgen
Referenzen
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