New Order

Croefield

27.05.2021 - 12:24

Wenn ich das richtig gesehen habe, gab es bislang noch keinen allgemeinen Thread zu New Order, deshalb habe ich diesen einmal angelegt.
Ich habe im Joy Division-Thread ja bereits geschrieben, dass ich mich im letzten Jahr sehr ausführlich mit Joy Division, aber eben auch New Order auseinandergesetzt habe und insbesondere mit den Autobiographien der Mitglieder und das muss jetzt alles mal raus. :D
New Order sind für mich irgendwie magisch.
Ich weiß, das klingt erstmal furchtbar kitschig, aber so meine ich das nicht. Für mich umgibt diese Band eine gewisse Magie, die ich mir nicht erklären kann, aber das ist nicht zwangsläufig positiv gemeint. Klar, in den 80ern können sich wahrscheinlich die meisten darauf einigen, dass New Order einen spannenden und guten Schritt nach Joy Division gegangen sind und im Endeffekt 5 sehr gute Studioalben veröffentlichten, wobei auch da schon große musikalische Sprünge gemacht wurden. „Dreams Never End“ hat wenig mit „Fine Time“ gemein. Ich kann alle diese Alben gut hören, würde aber keinem dieser Alben attestieren, dass es perfekt ist und könnte sicherlich bei jedem 1-2 Songs entbehren. Trotzdem stören mich die musikalischen Unterschiede oder der Teils furchtbar schiefe Gesang überhaupt nicht, ich liebe die Kombination aus Gitarren, Bass und Schlagzeug, ebenso wie die Verwendung von Tonnen cheesiger Synthie-Spuren, programmierten Beats und allerlei merkwürdiger Geräusche (Schafe, Frösche, etc..).
In den 90ern dann der Bruch. Der maximal als Guilty Pleasure durchegehende WM-Song „World in Motion“, das Album mit einem der hässlichsten Cover überhaupt und einem Klang, der so widerlich nach Plastik riecht und eurodancig ist, dass einem eigentlich schlecht werden müsste, bei mir aber irgendwie trotzdem teilweise total gut funktioniert.
Dann das Comeback in den 0er-Jahren. Ein klasse Comeback-Album, dann direkt wieder der Burnout? Komisch-schleimige Popmusik u.a. mit der Sängerin der Scissor Sisters und der Bruch mit dem Bassisten und Gründungsmitglied. Dann die Resteverwertung und das erste Album ohne Hooky. Wen interessiert das noch??
MICH und ich weiß nicht warum. Ich kann wirklich JEDEM Album von New Order was abgewinnen. Jeder noch so ekligen Pop-Phase, jeder noch so dumme Text, vorgetragen meistens eher sehr schlecht als recht von Sumner, aber teilweise doch so verflucht eingängig und catchy. Vielleicht habe ich in meinem Kopf die Verbindung gemacht, dass diese Band, die einige der größten Songs überhaupt hervorgebracht hat („Love Will Tear Us Apart“, „Blue Monday“), irgendwie nichts falsch machen können. Ich bin mir sogar sicher, dass alles, was 1990 kam, von anderen Künstler*Innen gemacht worden wäre, mir maximal ein müdes Lächeln ins Gesicht gezaubert hätte.
Aber da ist es eben schon wieder: Der Zauber. Das Magische, dass ich vielleicht immer mit Joy Division und New Order verbinden werden werde, obwohl das womöglich schon lange nicht mehr angebracht ist, aber das ist mir jetzt auch egal. Ich höre nunmal genauso gerne „Closing Time“ wie „Singularity“. Es hilft ja nix. Ja, ich bin wohl ein verblendeter Fan, ja, ich finde auch die objektiv eher schwierigen Sachen oftmals ganz gut. Wobei ich zum Glück auch einige Songs echt furchtbar finde. Das beruhigt mach dann auch wieder.
Vielleicht kann ich Musik doch noch kritisch hinterfragen und wahrnehmen. Vor allem wenn es sich doch auch um teilweise sehr streitbare Charaktere in dieser Band handelt. Allen voran Bernard Sumner und Peter Hook, die sich beide von Kindheitstagen an kennen und nun hassen. So viel ist aus allen Autobiographien zu entnehmen. Es folgt eine kleine Einschätzung meinerseits zu den erschienenen Werken, die ich alle in letzter Zeit gelesen habe:
- Hook, Peter, The Hacienda. How Not To Run A Club (2009):
Beschäftigt sich offensichtlich ausschließlich mit dem legendären Geld vernichtenden Club in Manchester, der Acid House mit auf die Karte brachte und auch zu einem gewissen Teil an der Zerstrittenheit der Band seinen Anteil hatte. Natürlich sehr subjektiv geschrieben, inszeniert sich Hook (wie in allen seinen Werken) als der einzig wahre, treue Botschafter von New Order und der Musikkultur im Allgemeinen, was mich persönlich auf Dauer immer wahnsinnig nervt, aber nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass er durchaus witzig und pointiert die vielen Fürchterlichkeiten in Verbindung mit der Unternehmung „Hacienda“ beschreibt und sehr ausführlich auf dessen Geschichte eingeht. Ein Buch für Kenner*Innen und stark Interessierte, mit übersichtlichen Timelines und (Ab-)Rechnungen und einigen Bildern angereichert. Auch empfehlenswerte Ergänzung, wenn man noch mehr darüber erfahren will, wie und warum es zwischen den Alphatieren Hooky und Barney so gekracht hat.
- Hook, Peter, Substance. Inside New Order (2016):
Mit stolzen 750 Seiten sicherlich das Magnus Opus zu diesem Thema und natürlich hochinteressant, was hier alles für Geschichten ausgepackt werden. Trotzdem ist es teilweise auch echt anstrengend, die enorme Antipathie gegenüber Sumner zu ertragen. Klar, Hook lobt auch sehr viel und gesteht sich auch hier und da selbst Fehler ein, aber für mich schwebt über allem immer dieses Verständnis von sich selbst als wahnsinniger Besserwisser und „ehrenhafter“ Typ, der auch einfach ziemlich paranoid wirkt (alle verschwören sich immer gegen ihn) und somit teilweise auch zu einem etwas unzuverlässigen Erzähler wird. Das ist aber nicht zu beweisen und somit kann ich auch erstmal seine Seite der Dinge so akzeptieren wie er sie beschreibt, ich bin mir nämlich durchaus auch ganz sicher, dass Sumner sehr wohl auch ein fürchterlich unangenehmer, anstrengender und doofer Typ sein kann/ist und wahrscheinlich (mal ganz doof gesagt), einfach beide richtige Deppen sind. Zumindest was Egos und Stolz und die Fähigkeiten der Kommunikation angeht. Also für alle Fans natürlich eine klare Empfehlung, diese Ausführlichkeit und diese Einblicke gibt es sonst an keiner Stelle, es muss halt immer im Hinterkopf mitbedacht werden, WER das hier gerade alles schreibt. Übrigens natürlich auch wieder angereichert mit einer Menge an Fotos, Timelines, Top-10-Listen, etc..
- Sumner, Bernard, Chapter And Verse. New Order, Joy Division And Me (2014):
Habe ich auch schon im Joy Division-Thread drüber geschrieben; ist für mich die schwächste der Biographien, kann man getrost weglassen, es wird auch wenig auf Hooky eingegangen, nur was für Sumner-Fans.
- Morris, Stephen, Fast Forward. Confessions Of A Post-Punk Percussionist. Volume 2 (2020):
Im Vergleich zu seinem Erstlingswerk zur Joy Division-Zeit ist dieses Buch hier nochmal deutlich besser und interessanter. Gewohnt gewitzt schreibt Morris hier über seine Beziehung mit Gillian und ihrer beider Rollen als „The Other Two“ bei New Order, was nicht immer ohne Konfliktpotential ausbleibt. Auch die tragische Zeit um die Entstehung von „Get Ready“ (Rob Gretton stirbt, Tochter ist ernsthaft krank, Gillian steigt kurzzeitig aus der Band aus, Vater liegt im Sterben) bietet tiefe und traurig-ernsthafte Einblicke in die Welt, des sonst so unauffälligen Drummers. Natürlich auch eher was für Fortgeschrittene, aber mMn schon ein gelungenes Gegengewicht zu Hook/Sumner, wobei er explizit NICHT auf den Ausstieg von Hook eingeht, bzw nur auf die bekannten Tatsachen, aber dazu nicht großartig aus dem Nähkästchen plaudert. Außerdem endet das Buch praktisch 2007, es fehlt also generell die Zeit bis heute ohne Hooky.

Ich fände es wirklich sehr interessant auch mal die Seite von Gillian Gilbert zu hören. Hook behauptet oft, dass sie kaum was zur Band beigetragen hätte, Morris unterstellt Hook Sexismus in Bezug auf sie, da wäre es wirklich mal interessant ihre Version zu hören, gerade weil sie ja die Unauffälligste und Stillste von allen ist.
Aber vielleicht will ich das auch nur, weil sie und Morris auf jeden Fall für mich die Sympathischsten sind. Nach dem Lesen der ganzen Bücher habe ich im Endeffekt so gut wie keine Sympathien mehr für Sumner und Hook übrig, deren Gehabe nervt mich über aller Maßen. Trotzdem bin ich weiterhin New Order-Fan und ich finde auch die Sachen, die nach Hook gemacht wurden, gut, wobei es nun wirklich endgültig so scheint, als würde Sumner alles allein entscheiden und „The Other Two“ einfach tatsächlich kein Rückgrat besitzen. Das scheint wirklich schon recht nahe an der Wahrheit zu sein und deckt sich mit Hooks Ausführungen, trotzdem glaube ich nicht, dass das alles so dramatisch zu betrachten sein muss. Solange sie noch Spaß haben und gute Musik machen, ist mir das auch egal. Und wenn sie keinen Spaß mehr haben, aber einfach noch mehr Kohle scheffeln wollen (wonach es ja durchaus auch ein bisschen aussieht), ist mir das ehrlich gesagt auch egal. :D Die Magie lässt mich einfach nicht los...

Croefield

27.05.2021 - 12:27

*"Chosen Time" nicht "Closing Time".

Hier stand Ihre Werbung

27.05.2021 - 12:48

So viele neue Threads? Das gibt ja eine ganz neue Ordnung im Forum!

keenan

27.05.2021 - 12:50

also ich kenne nur die "The First Order" :-P

Croefield

27.05.2021 - 12:56

Ich nutze mal diesen Thread noch um weitere persönliche Song-Highlights jenseits der Studioalben aufzulisten:

"Blue Monday" (D'oh!), "1963", "Ceremony" (die "Singles"-Version), "World In Motion" (Guilty Pleasure), "Here To Stay" (Radio Edit), "Temptation" ("Substance"-Version), "True Faith" ("Substance"-Version), "Shame Of The Nation" (übertrieben unterhaltsam), "Thieves Like Us", "Lonesome Night", "Be A Rebel".

Loketrourak

27.05.2021 - 12:56

Ich liebe World in Motion. Bestes Fussballied.

oldschool

28.05.2021 - 09:14

Fussballlieder sind nur im Suff zu ertragen

VelvetCell

28.05.2021 - 09:41

Love in Motion geht locker klar! Auch ohne Suff.

ZoranTosic

28.05.2021 - 10:24

Mir ist langweilig, daher mal meine aktuelle Rangliste der New Order Alben. Die ersten 5 Plätze sind umkämpft, Plätze 8 und 9 fallen stark ab.

1) Low Life
2) Brotherhood
3) Technique
4) Power Corruption and Lies
5) Movement

6) Republic
7) Get Ready

8) Waiting for the Siren´s Call
9) Music Complete

Grundsätzlich ist zu sagen, das die frühen Maxi-Versionen fast alle besser als die Album-Versionen sind. Die SUBSTANCE ist ein Pflichtkauf.

oldschool

30.05.2021 - 11:13

für meinen Geschmack ist "get ready" zu weit hinten. Ich würde TECHNIQUE rausschmeissen und GET READY rein. Mit dem Rest der Top 5 bin ich bei dir

NeoMath

30.05.2021 - 11:46

Mach ich mit, aber mit der Substance, auch wenns kein reguläres Album ist:

01) Substance
02) Low Life
03) Movement
04) Power Corruption and Lies
05) Brotherhood
06) Technique
07) Republic
08) Get Ready
09) Waiting for the Siren´s Call
99) Music Complete

AliBlaBla

30.05.2021 - 12:27

@NeoMath

Erstaunlich, wie ähnlich wir das wahr nehmen, ich würde nur "Movement" und "Low Life" tauschen, aber ansonsten ...ja, so isset.

NeoMath

30.05.2021 - 13:17

ja naja... Movement und Low Life würd ich im Grunde auf den gleichen Platz setzen...

MM13

30.05.2021 - 14:08

ich kann euch nur auch noch die 4er cd-box „retro“ ans herz legen, sollte wie die heart and soul bei joy division in keiner sammlung fehlen,allerdings weiss ich nicht wie sie preislich gerade liegt und ob es sie überhaupt noch gibt.

NeoMath

30.05.2021 - 14:19

ja stimmt, die sind beide gut. Preislich schwankt das. Mal gibt es Phasen, da sind die relativ erschwinglich, um die 30+ €, dann wieder gibt es Zeiten, da bleibt einem nur noch ungläubiges Prusten...

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