Moby & The Void Pacific Choir - These systems are failing
Armin
28.09.2016 - 17:57
Moby & The Void Pacific Choir "These Systems Are Failing“
Album VÖ Mitte Oktober, Embassy Of Music
Moby „These Systems Are Failing“
https://www.youtube.com/watch?v=KcBy0n6XupE
Moby & The Void Pacific Choir „Are You Lost in the World like me“
https://www.youtube.com/watch?v=3qMgePZoKfc
Moby & The Void Pacific Choir „Don't Leave Me“
https://www.youtube.com/watch?v=a9IwtQotDvM&feature=youtu.be
These Systems Are Failing.
Diese Systeme versagen. Und zwar alle.
Wir haben großartige Städte gebaut. Großartige Industrien. Großartige Systeme. Und eigentlich sollten diese Systeme uns beschützen, uns befreien. Stattdessen aber haben sie die Luft vergiftet, die Tiere getötet, die Landschaften entstellt - und auch uns selbst zerstört. Wir glauben, die Probleme im Zusammenhang mit der Produktion von Lebensmitteln und der Verteilung von Reichtum und Ressourcen im Griff zu haben, dennoch sind wir schlechter dran als je zuvor.
These Systems Are Failing ist der Titel meines neuen Albums. Es wird die erste Platte sein, die ich als Moby & The Pacific Void Choir veröffentliche.
Ich bin an diese Platte herangegangen wie ein Vierjähriger, der beim Frühstückmachen alles auf den Tisch stellt, was er mag: Eiscreme, seinen Hund, Toastscheiben, Spielzeugautos. Auch ich habe in das neue Album all das hineingesteckt, was ich mag: Punk, Post-Punk, New Wave, Euphoric Rave und eine Menge Geschrei.
Dann habe ich das Album einigen Freunden aus der Musikbranche vorgespielt, und die sagten: „Wow … Das hört sich ziemlich wütend an.“ Also bin ich zurück ins Studio und habe noch eine Schippe Wut draufgelegt.
Ich kann keine Lösungen anbieten, sondern nur auf Probleme aufmerksam machen.
Einige meiner Landsleute mittleren Alters versuchen, sich dem Popmusikmarkt anzupassen, aber ihre Arbeiten sind deprimierend und kraftlos. Wenn ich sehe, wie ältere Musiker vorgeben, jung und relevant zu sein, werde ich von einer tiefen Traurigkeit erfüllt. Ich bin 50 Jahre alt. Warum sollte ich das leugnen?
Wer künstlerische Kompromisse eingeht, wird faule Früchte ernten.
These Systems Are Failing ist in Los Angeles entstanden. Sechs Jahre ist es her, dass ich hierher, in die seltsamste aller Städte, gezogen bin. Hier gibt es so viel Leere. Und Dunkelheit. Im Osten ist die Wüste, im Westen ein weiter Ozean, und in der Mitte fließen die unterschiedlichsten Kulturen ineinander. Die Kunst dieser Stadt ist eigenartig, ihre Widersprüchlichkeit absolut faszinierend. Wer hier lebt, wird unweigerlich von ihr verändert.
Der Name The Void Pacific Choir ist aus einem Zitat von D._H. Lawrence abgeleitet, in dem er sinngemäß sagt: „People in L._A. are content to do nothing and stare at the void Pacific.” (Die Menschen in L._A. begnügen sich damit, nichts zu tun und auf den leeren Pazifik hinauszustarren.) Oftmals wird dieser „Void“ auch als eine riesige, dunkle Leere mit angsteinflößendem und sonderbarem Charakter empfunden. Als der dunkle und bösartige Abgrund bei Nietzsche, der, wenn du zu lange in ihn blickst, auch in dich hineinblickt. Mir gefiel diese paradoxe Vorstellung eines pazifischen, also eines friedvollen Abgrunds - einer Art gutartigen Leere. Daher der Name.
Popmusik ist immer noch ein interessantes und faszinierendes Medium. Sicherlich stellt sie nicht die beste Möglichkeit zur Untersuchung komplexer politischer Themen dar, aber wenn du über die Musik, die du liebst, Themen ansprechen kannst, die für dich relevant und für den Hörer keine Zeitverschwendung sind, dann ist das meiner Meinung nach eine anstrebenswerte Sache.
Komplexe Musik und komplexe Ideen müssen nicht unbedingt komplex klingen. Genauso wenig müssen heikle Themen in einer bedrückenden Hörerfahrung münden. Im Gegenteil: Sie können trotz allem fröhlich und erquickend sein. Die Bad Brains haben in „Big Takeover“ die Bedrohung durch Nazis besungen, und es war ein euphorischer, energiegeladener Song.
Ich drücke mich bewusst drastisch aus und formuliere die Dinge absichtlich ein bisschen vage und esoterisch. Für mich ist der Albumtitel These Systems Are Failing eine Art Ausgangspunkt, der die Menschen anstoßen soll, sich mit der Frage zu beschäftigen, welche Systeme ich meinen könnte. Und vielleicht beobachten sie dann die Welt um sich herum ein wenig genauer.
Die Demokratie funktioniert noch, ebenso die technologischen Systeme. Es gibt also auch noch Hoffnung. Es muss sie einfach noch geben.
Mittlerweile dürfte klar sein, dass unser Lebensstil uns umbringt. Wir haben uns weit von dem entfernt, was wir einst waren. Wir zerstören die Erde, und es geht uns trotzdem immer noch elend. Fett, krank, dumm und verängstigt - so können wir nicht weiterleben.
These Systems Are Failing.
Sollen sie doch versagen.
Veränderung oder Untergang.
#TheseSystemsAreFailing
thesesystemsarefailing.com
Moby & The Void Pacific Choir.
Los Angeles, Kalifornien. 2016.
Ulrich
21.10.2016 - 11:54
Mit Verlaub, ich kann die Vorwürfe der Kritik an dem Album nicht nach vollziehen. 1. Moby macht ein Album für seine Echoblase? Ah ja, es ist ja auch selten dass sich Künstler nach der Gruppe richten, die sie ihre Fans nennen. Unvergessen, die Ankündigung von Bob Dylan mit diesem einen Album endlich auch mal die Schlagerfans erreichen zu wollen. Ach nee, das gab es ja gar nicht.
2. Moby erreicht nicht die Uniformierten und den Otto-Normal-Verbraucher? Haben Atari Teenage Riot und Rage against the Machine auch nicht. Ist das ein Kriterium hinsichtlich der Musikqualität?
3. Welche Stellen bei "Don't leave me" erinnern an die Songs "Send me an Angel" oder "All you zombies"? Ja, sie weisen 80er-Jahre Sound auf, aber dessen Elemente werden ja wohl auf dem ganzen Album von Moby neu aufgewärmt. Ging es hier nur um die Einstreuung eigener Musikkenntnis?
4. Zu welchem Song von DJ Bobo besteht eine Ähnlichkeit bei "Are you lost in the world like me"?
5. Wo ist auf dem Album ein DJ-Bobo-Gedächtnis-Chor zu hören? Wenn die Formulierung nur auf den Projektnamen anspielt, was hat der mit DJ-Bobo zu tun?
6. Kann der Bezug zu D.H. Lawrence dem Leser nicht erklärt werden? Hey, wir wollen doch Otto-Normal-Verbraucher erreichen...
7. Inwiefern ist "Animal Rights" paradigmatischer gewesen im Vergleich zu diesem Album, dessen musikalische Elemente sich gerade wie ein roter Faden durch alle Songs ziehen? "Reguläre" Moby-Alben haben da deutlich mehr Variation geboten.
8. Warum ist das Album als Protestwerk unglaubwürdig? Isst Moby doch heimlich Fleisch?
9. Wo lässt sich Zaghaftigkeit bei den Songs "Don't leave me", "Erupt and matter" oder "And it hurts" erkennen? Erwarten wir von Moby ein Slayer-Album?
Um eins klar zu stellen: ich erwarte keine Jubel-Kritik, weil ich das Album toll finde. Es hat seine Stärken und seine Schwächen. Wer schon mal nicht auf EBM und New-Wave im Retro-Sytle steht, wird sich mit dem Album musikalisch kaum anfreunden können. Das ist ok. Aber wir können Moby nicht den Vorwurf machen, dass er mit dem Album keine Pegida-,AFD und Trump-Anhänger bekehren kann. Das wird selbst den drei heiligen Königen Bob, Neil und Leonard nicht gelingen. Müssen wir alle selber machen ;-)
Sohiel
21.10.2016 - 16:11
Ulrich, vielen Dank für deine ausführliche Kritik, ich freue mich über dein Interesse.
1. Moby macht ein Album für seine Echoblase? Ah ja, es ist ja auch selten dass sich Künstler nach der Gruppe richten, die sie ihre Fans nennen. Unvergessen, die Ankündigung von Bob Dylan mit diesem einen Album endlich auch mal die Schlagerfans erreichen zu wollen. Ach nee, das gab es ja gar nicht.
Ich halte es in Zeiten, in denen man sich nur noch mit Gleichgesinnten abgibt und andere Meinungen umso rabiater abgelehnt werden, durchaus für wichtig, dass Moby für ein Protestalbum andere Maßstäbe anlegen sollte als damals Bob Dylan.
2. Moby erreicht nicht die Uniformierten und den Otto-Normal-Verbraucher? Haben Atari Teenage Riot und Rage against the Machine auch nicht. Ist das ein Kriterium hinsichtlich der Musikqualität?
UniNformierte mit N, nicht Uniformierte.
Atari Teenage Riot und Rage Against the Machine waren allerdings bahnbrechend. Und zumindest Letztere haben es geschafft, vom Mainstream wahrgenommen zu werden.
3. Welche Stellen bei "Don't leave me" erinnern an die Songs "Send me an Angel" oder "All you zombies"? Ja, sie weisen 80er-Jahre Sound auf, aber dessen Elemente werden ja wohl auf dem ganzen Album von Moby neu aufgewärmt. Ging es hier nur um die Einstreuung eigener Musikkenntnis?
Warum „nur“? In einer Plattenkritik geht es doch darum, Orientierung zu bieten. Tatsächlich erkenne ich im Pop-Appeal, in den Melodien und in der Anmutung Parallelen zu den Songs. Ich akzeptiere es, wenn du die Vergleichbarkeit nicht nachvollziehen kannst, so etwas lässt sich oft nicht objektiv fassen. Im Übrigen kannst du dir gerne die Referenzen unter der Rezension ansehen, sie bestehen zumeist aus Angaben, die Moby selbst in Interviews gemacht hat. Vielleicht kannst du sie eher nachvollziehen.
4. Zu welchem Song von DJ Bobo besteht eine Ähnlichkeit bei "Are you lost in the world like me"?
DJ Bobo hat seinen signature sound. Boshaft könnte man behauten, die klingen alle fast gleich...
5. Wo ist auf dem Album ein DJ-Bobo-Gedächtnis-Chor zu hören? Wenn die Formulierung nur auf den Projektnamen anspielt, was hat der mit DJ-Bobo zu tun?
Hierzu gibt es widersprüchliche Angaben, doch soweit ich es sehe, hat sich Moby den Chor weitestgehend „virtuell“ zusammengestellt, indem er mehrere Gesangsspuren so oft vervielfacht und angepasst hat, bis die Anmutung eines Chors erreicht werden konnte. Das ergibt im Zusammenspiel mit der Musik einen Sound, der mich doch arg an Eurodance erinnert hat.
6. Kann der Bezug zu D.H. Lawrence dem Leser nicht erklärt werden? Hey, wir wollen doch Otto-Normal-Verbraucher erreichen...
Nein, Plattentests.de ist in meinen Augen eine Plattform für Leute, die zumindest nicht „eigentlich alles, so querbeet“ hören. Außerdem kannst du dir das schnell ergooglen. Popmusik ist populär, da gelten andere Maßstäbe.
7. Inwiefern ist "Animal Rights" paradigmatischer gewesen im Vergleich zu diesem Album, dessen musikalische Elemente sich gerade wie ein roter Faden durch alle Songs ziehen? "Reguläre" Moby-Alben haben da deutlich mehr Variation geboten.
Das hat nichts mit Variation zu bedeuten. Paradigmatisch bedeutet, dass sie einen Bruch zum Status quo darstellt, Signalcharakter hat, deutliche Wahrnehmung erzeugt. Seinerzeits löste „Animal Rights“ verstörte Reaktionen hervor, Moby hatte hier etwas zu verlieren (hat aber wenigstens nachträglich Anerkennung erfahren).
Bei „These Systems Are Failing“ hat Moby in Interviews sogar deutlich zu erkennen gegeben, dass er nichts zu verlieren hat, weil er eben an der Masse vorbeisendet. Diese Wurstigkeit würde sich ein, sagen wir, Billy Bragg nicht erlauben, und das macht es als Protestwerk unglaubwürdig:
8. Warum ist das Album als Protestwerk unglaubwürdig? Isst Moby doch heimlich Fleisch?
Um das klarzustellen, ich sympathisiere mit seinen Botschaften. Umso mehr rege ich mich darüber auf, dass er das Ganze nicht so ernstnimmt, wie es der Sache dienlich wäre.
Um eins klar zu stellen: ich erwarte keine Jubel-Kritik, weil ich das Album toll finde. Es hat seine Stärken und seine Schwächen. Wer schon mal nicht auf EBM und New-Wave im Retro-Sytle steht, wird sich mit dem Album musikalisch kaum anfreunden können. Das ist ok. Aber wir können Moby nicht den Vorwurf machen, dass er mit dem Album keine Pegida-,AFD und Trump-Anhänger bekehren kann. Das wird selbst den drei heiligen Königen Bob, Neil und Leonard nicht gelingen. Müssen wir alle selber machen ;-)
Ich glaube eben noch an die Wirkung der Popmusik. Und die heiligen drei Könige sind, seien wir doch mal ehrlich, stark an ihre Generation gebunden. Neue Zeiten erfordern neue Könige. In dieser Rolle sehe ich Moby leider nicht. Für sich stehend ist das Album okay, als Protestalbum hingegen zu schwach. Wenn du das anders siehst, ist das in Ordnung. Popkritik ist subjektiv.
Schönes Wochenende!
Sohiel
21.10.2016 - 16:13
Übrigens, 4.0 von Pitchfork:
http://pitchfork.com/reviews/albums/22515-these-systems-are-failing/
Moby's Dick
21.10.2016 - 17:55
Sehr sehr schlecht. Wußte gar nicht daß Moby sowas wirklich kann
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