Wer in Koblenz zur Schule gegangen ist, wird entweder Weinbauer oder Alkoholiker. In letzter Zeit hört man, daß sich letztere Fraktion zudem vermehrt in Tonstudios herumtreibt, um ein Album nach dem anderen aufzunehmen. Kurt Ebelhäuser, Sänger und Gitarrist von Scumbucket, tauscht in der letzten Zeit immer öfter die Jägermeister-Flasche mit einer Gitarre, hat er doch erst kürzlich mit "Finistra" ein umjubeltes Album unters Volk gebracht. Auch mit seiner anderen Band Blackmail steht er zudem kurz vor der Veröffentlichung ihres neuen Tonträgers "Bliss, please". Die Koblenzer Vetternwirtscheint scheint jedenfalls zu florieren. So fanden Scumbucket nach dem Vertreiben des Neujahrskaters endlich Zeit, um die anstehende Tour anzugehen. Zwischen zahlreichen Albernheiten fanden drei nicht ganz ernste Musiker auch die Zeit für das eine oder andere wohlüberlegte Wort. Das Gespräch im Rahmen des Konzerts im Kölner Underground führte Oliver Ding.
Ich habe Euch vor einem Monat schon als Support von J. Mascis gesehen.
Kurt: (grinst) "War scheiße, oder?"
Natürlich nicht. Was mir auffiel, ist der enorme Druck, den ihr zu viert auf der Bühne entwickelt. Es baute sich - im Gegensatz zu dem, was Mascis danach gemacht hat - eine Gitarrenwand auf, die einen regelrecht nach hinten drückte.
Kurt: "Das ist ja auch eine andere Musik. Mascis versteift sich da ja weniger auf irgendwelche Akzente."
Guido: "Da ist bei ihm schon weniger Dynamik drin gewesen. Aber das ist bei uns ja jetzt sowieso ganz anders, weil wir jetzt nur noch eine Gitarre haben und dafür 'ne Orgel."
Eine Orgel?
Guido: "Ja, eine Hammondorgel. Es geht insgesamt jetzt mehr in Richtung Blaskapelle."
Ihr habt nicht zufällig Helge Schneiders alten Freund Peter engagiert?
Kurt: "Nein, leider nicht. Das wäre cool gewesen."
Ich habe das Gefühl gehabt, als ich mir das Album und euren Gig anhörte, daß die Riffs sehr präzise kommen. Es scheint eine gewisse Mathematik darin zu stecken. Dann habe ich irgendwo gelesen, daß Du für jeden Akkord, den Du spielst, eine Tabelle bestimmter Töne für die Gesangsmelodie hast.
Kurt: (lacht) "Ach, das war Scheiße, Laberei. Ich hab' irgendwem erzählt, wir hätten im Proberaum so 'ne Tabelle mit Noten und jedesmal, wenn wir einen Song machen, schauen wir dann nach. 'Ach, die Note haben wir noch nicht drin gehabt.'"
(allgemeines Gelächter)
Kurt: "Nein, das ist alles Gefühlssache, obwohl das vielleicht mathematisch klingen mag. Ein bißchen Mathematik ist in Musik eh. Du kannst nicht irgendwie irgendeinen Halbton verschieben, nur weil Du lustig bist."
Wenn ihr Songs schreibt, verarbeitet ihr irgendwelche Einflüsse?
Kurt: "Dann laß uns nochmal aufzählen. Wie oft haben wir heute schon aufgezählt?"
Dann lassen wir das am besten mal.
Kurt: (grinst) "Nee, nee, laß uns noch mal aufzählen: Pink Floyd, Zombies, Stones, Korn, Core, At The Drive-In, Type O Negative, Sepultura, Travis..."
Guido: "Nu, seid doch mal ernst!"
(allgemeines Gelächter)
Kurt: "Und natürlich Savatage."
Oh, das klingt ja sehr schön. Der True Metal ist bei euch ja auch auf jeden Fall zu hören.
Kurt: (todernst) "Das ist natürlich alles nur Spaß."
Das ist mir fast irgendwo klar. Mir ist bei "Finistra" jedenfalls gelegentlich aufgefallen, daß die Songs ein wenig an die Foo Fighters erinnern. Dann blieb mein Ohr plörtlich stehen, als ich "Bus stop" von den Hollies hörte. Wollt ihr eine Art Sechziger-Jahre-Grunge-Kapelle darstellen oder ist das eher aus den Fingern gesogen?
Kurt: "Nö, stimmt doch. Wir klingen doch teilweise wirklich wie in den Sechzigern. Die Instrumente sind da, die da gespielt werden: die Hammondorgel oder das Mellotron, das auch früher viel benutzt wurde. Auch von der Rhythmik her ist das eindeutig wie in den Sechzigern."
Guido: "Wir müßten am besten auf die Platte ein Copyright 1964 aufdrucken."
Kurt: "Das können wir dann ja bei der nächsten Platte machen."
Warum war es gerade dieses "Bus stop" von den Hollies, das ihr gecovert habt?
Kurt: "Weil wir den Song im Proberaum gespielt haben, gecheckt haben, daß der Song Spaß macht und deswegen haben wir das Stück gecovert."
Zu etwas anderem: Ich habe unten gesehen, daß Aydo (Blackmail, Dazerdoreal) am Merchandise-Stand steht und fleißig T-Shirts verkauft. Es gibt dieses Schlagwort von der "Koblenzer Schule". Findet ihr euch darin wieder?
Kurt: "Eigentlich hat ja unser Roadie die Band gegründet. Der ist "Määnzer", also müßte es eigentlich Mainzer Schule heißen."
Guido: "Wir sind eigentlich eine Mainzer Karnevalskapelle."
(allgemeines Gelächter)
Kurt: "Ich habe das zwar schon oft gelesen, aber dazu kann ich wenig sagen. Es gibt doch nur drei Gruppen in Koblenz: Dazerdoreal, Scumbucket und Blackmail. Das sind immer die gleichen Leute. Das liegt einfach daran, das manche Leute einfach ein bißchen zu panne sind, um das zu verstehen. Es wird eben in den ganzen Magazinen sehr viel geschrieben. Natürlich stimmt es einen schon ein bißchen stolz, wenn man "Koblenzer Schule" hört. Es gibt aber in dem Sinne keine "Koblenzer Schule", weil es einfach zu wenige musikalisch ernstzunehmende Bands gibt. Natürlich gibt es einige klasse Bands in Koblenz, wie z.B. Loners. Das ist meine Lieblingsband. Die würde ich aber auch hören, wenn die aus England oder Amerika kämen. Die haben aber mit der Musik, die wir machen, gar nix zu tun."
Koblenz ist ja eigentlich eher Provinz. Ihr nehmt in Guidos Studio in Troisdorf auf, was ja eigentlich auch mitten im Nirgendwo zwischen Köln und Bonn liegt.
Kurt: "Eigentlich könnte man das auch "Troisdorfer Schule" nennen. Die suchen alle immer einen Begriff für irgendwas."
Guido: "Die Leute müssen halt irgendwelche Schubladen haben. Ohne Schubladen geht's nicht mehr. Wenn einer sagt "Koblenzer Schule", ist das erstmal griffig und cool. Das geht dann halt rum."
Interessant fand ich das Remix-Album von Blackmail, zu dem auch Dazerdoreal und Scumbucket ihren Senf zugegeben haben. Stichwort Blackmail: "Bliss, please" kommt ja kurz nach eurer Tour heraus. Eure letzte Platte ist auch gerade gewesen und auch das Remix-Album noch nicht so lange her. Hast Du zu wenig zu tun und mußt die Zeit mit immer neuer Musik totschlagen?
Kurt: "Ich mach das nächste Mal auch gar nicht mit. Warum muß ich auch immer dabei sein? Wir haben da jetzt noch einen anderen Gitarristen, der dort alles einspielt und komponiert und alles macht. (lacht) Nein, das hat nichts mit Zeit zu tun. Ich bin halt mit zwei Bands groß geworden. Groß an Erfahrung meine ich jetzt, um das nicht falsch zu verstehen. Ich kenne das aber auch gar nicht anders. Ich weiß gar nicht, wie es mit einer Band ist. Dann wäre es wahrscheinlich langweilig, aber zu wenig zu tun habe ich auf keinen Fall. Das macht mich eher irgendwann kaputt."
Bist du denn eher hin- und hergerissen oder sagst du eher: "Das sind beides meine Babys"?
Kurt: "Wenn wir eine Platte mit Scumbucket eingespielt haben und auf Tour waren, bin ich mal wieder richtig froh, nicht mehr auf der Bühne zu stehen und dann nur Gitarre zu spielen. Dafür kann ich dann wieder so richtig vom Karl zusammengewichst zu werden. Wenn die vier Wochen dann wieder rum sind, bin ich dann auch wieder so froh, das Gesicht vom Karl nicht mehr sehen zu müssen, und nicht mehr nur diese langweilige Gitarrenspielerei habe, sondern auch mal singen darf. Das ist ein schöner Ausgleich."
Guido, du hast ja früher bei Les Hommes Qui Wear Espandrillos Baß gespielt. Wie ist denn der Kontakt zu Scumbucket zustande gekommen, so daß du Dylan Kennedys Job übernommen hast? Klar, ihr kennt euch über das BluNoise-Label, aber gab es da noch andere Kontakte?
Kurt: "BluNoise ist ja eine Abzock-Firma. Guido macht vorgefertigte Verträge. Die hat der in der Schublade. Mein Vertrag z.B. sieht so aus: 'Ich, Kurt Ebelhäuser (Idiot) gebe meine kompletten Urheberrechte dem Guido Lucas (Genie) ab.' Solche Verträge macht der. Wie haben wir uns denn getroffen und kennengelernt, Schätzchen? Im Darkroom hier in Köln?"
(allgemeines Gelächter)
Guido: "Ich habe vor ungefähr drei Jahren bei den Espandrillos aufgehört und habe dann eigentlich nur noch Label und Studio gemacht. Jo, irgendwann war dann der Dylan weg und dann hab' ich halt bei Scumbucket mitgespielt. So ganz profan."
Die Namen, die mit BluNoise groß geworden sind, wie z.B. Blackmail oder Scumbucket sind zu einer größeren Firma gewechselt. Jetzt steigen evtl. andere Bands hoch und folgen ihnen nach. Wie siehst Du die Zukunft von BluNoise?
Guido: "Ich mache das einfach so weiter. Man kann das eh nicht planen und sobald die Bands irgendwie Erfolg haben, sind sie eh weg. Es kommen dann immer wieder neue und kleine Bands. Eigentlich macht es mit denen dann aber auch mehr Spaß, Platten zu machen, als mit jemand anderem die dritte Platte. Es ist alles frischer und anders. Die hören vor allem viel mehr auf das, was ich sage. Ich bin der Chef. Die mucken nicht rum. Nach drei Platten haben die es dann aber raus und geben Widerworte."
(allgemeines Gelächter)
Kurt: "Ich bin richtig fasziniert. Du sitzt da und redest wie ein richtiger Mensch. Wenn ich an gestern denke, da warst Du zu nichts fähig. Du mußt wissen, Guido hatte gestern einen kleinen Kräuterunfall. Es gab da so eine Flasche Jägermeister. Da mußte er unbedingt so zweieinhalb Liter von trinken."
Guido: "Das war die Hölle. Ich hab auf dem Klo gekotzt, mußte aufstehen und wußte nicht mehr wo oben und unten ist. Wenn die mich nicht aus dem Klo geholt hätten, dann würde ich da jetzt noch liegen. Ich wäre da nie allein rausgekommen. Ich hätte nicht mal die Tür gefunden."
Bekommt ihr eigentlich auf der Tour etwas von der gestiegenen Anerkennung mit?
Kurt: "Nö... Na ja, es kommen schon mehr Leute zu den Gigs."
Guido: "Das ist jetzt meine erste Tour mit Scumbucket, aber eigentlich läuft es echt prima."
In unseren Charts seid ihr seit Monaten unter den beliebtesten Platten zu finden. Auch bei unserem Jahrespoll belegt ihr Plätze weit vorne. Überrascht euch so etwas?
Guido: "Echt? Das geht ja voll ab!"
Kurt: "Wow! Das überrascht mich vollkommen. Was soll ich da großartig noch sagen? Das ist super!"
"Finistra" zählt also mit zu den Lieblingsplatten unserer Leser. Was sind denn eure Lieblingsplatten?
Kurt: "Nummer eins ist bei mir Spain. Wie heißt noch mal die Pink Floyd, die wir heute gehört haben? "Relics". Nummer drei ist bei mir Euroboys. Nummer vier ist bei mir der Dracula-Soundtrack. Nummer fünf ist die "Hits '84" von Ariola oder von K-Tel. Nee, was ist denn noch gut? Ach ja, Queens Of The Stone Age."
Oliver: "Nicht in der Reihenfolge: Beach Boys, "Pet sounds", aber in der Mono-Version. "Aftermath" von den Stones habe ich mir kürzlich erst in mono gekauft. "Are you experienced?" von der Jimi Hendrix Experience, natürlich auch in mono."
Kurt: "Warum schneidest du dir eigentlich nicht das überflüssige Ohr ab?"
(allgemeines Gelächter)
Oliver: "Dann die neue Blackmail und natürlich Pink Floyd, aber da weiß ich nicht, ob's die auch in mono gibt."
Kurt: (grinst) "Wie? Blackmail ist auch dabei?"
Und wie sieht's bei Dir aus, Guido?
Guido: "Och, das wechselt ständig. BeeGees, Scott Joplin, Glenn Miller, Type O Negative, Savatage, Genesis..."
Kurt: "In Dortmund kam vom Radio Eldoradio, was ja ein super Radioname ist, einer an, und meinte, wir wäre so eine tolle "Alternateif"-Band. Das meinte der fünf Mal hintereinander: "alternateif". Irgendwann haben wir ihm dann gesteckt: 'Hör mal, das heißt "alternative".'"
Guido: "Die neue Air finde ich ziemlich geil."
Kurt: "Oh ja, streich bei mir mal die Euroboys. Das Soundtrack-Album von Air ist echt geil."
Stichwort Air: Die hatten ja zu "Playground love" diesen irren Videoclip mit zwei sich liebenden Kaugummis. Habt ihr auch irgendwelche Videos am Start?
Kurt: "Wir haben eins gedreht, das wurde überall abgelehnt, und jetzt drehen wir noch eins."
Guido: "Das erste war "Admit that she had lost" und das zweite ist jetzt "Luberon". Mal sehen, wie schnell das abgelehnt wird.
Text: Oliver Ding
Fotos: Nois-O-Lution (Pressefreigaben)