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Metric - Synthetica

Metric- Synthetica

Metric / PIAS / Rough Trade
VÖ: 22.06.2012

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Zunge raus

Irgendwann kommt bei den meisten Bands der Punkt, an dem richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden. Tocotronic sind also irgendwann aus den Trainingsjacken herausgewachsen und haben sich selbst von der Hamburger Schule verwiesen, Radiohead entdeckten die spannende Welt der elektronischen Musik, und Oasis haben sich dazu entschlossen, gar nichts mehr zu entschließen. Die kanadische Indiepop-Band Metric hat auch eine Entscheidung getroffen: Sie wollen jetzt eine Synthie-Band sein, so richtig mit allem drum und dran, aus dem bisherigen Flirt wurde eine große Liebe. Die Gitarren dürfen zwar bleiben, rücken aber erst mal ins defensive Mittelfeld. Das muss man als Hörer akzeptieren, fällt aber schwer, wenn man sich an das brillante "Wet blanket" erinnert oder - falls man nicht in der Lage, ist neun Jahre zurückzudenken - das nicht minder feine "Help I'm alive" vom letzten Album "Fantasies".

Die Tatsache, dass "Synthetica" ziemlich - nun ja - synthetisch ist, ändert allerdings nichts daran, dass Metric immer noch ziemlich gute Songs schreiben, die mit smarten Hooks und göttlichen Melodiebögen noch jeden Jüngling um den Finger gewickelt haben. Woran das liegt? Sehr wahrscheinlich auch an der süßlichen Mädelsstimme von Emily Haines, die immer schon den Unterschied gemacht hat. Allerdings liegt der Fokus beim eröffnenden Bombast-Song "Artificial nocturne" nicht so sehr auf den Vocals, sondern vielmehr auf den dröhnenden und weitläufigen Synthie-Flächen, die keinen Anlauf benötigen, um extremen Druck aufzubauen. Auch das folgende, auf einem stoischen Beat beruhende "Youth without youth" zeigt Metric in einem neuen, neonfarbenen Licht. Schwere Keyboards hüllen den Song in einen dichten, schweren Nebel, die Leichtigkeit, die für Metric sonst kennzeichnend war, sucht man indes vergebens. "Synthetica" beginnt alles andere als beschwingt, Haines und Co. tauschen Euphorie gegen dezent glühende Melancholie. Erst mit dem radiotauglichen "Breathing under water" klingen die Amerikaner wieder so geschmeidig, wie man es eben gewohnt ist. Mit diesem Song wird dann auch klar, dass sich Metric nicht ganz ihrem Erfolgrezept verschließen.

Geschmackssache ist der Klingeling-Pop von "Lost kitten", der in den Strophen etwas zu exaltiert ist, im Refrain dafür weit ausholt und den Hörer wieder einfängt. Und schon zu Beginn des nächsten Stückes bekommt man es wieder mit der Angst zu tun, wähnt man sich beim schlussendlich herausragenden "The void" doch in der Nähe von Taio Cruz und Konsorten. Doch dieses kleine, anfängliche Täuschungsmanöver dürfen sich die vier New Yorker rausnehmen, solange ein so extrem kurzweiliger Electropop-Stomper daraus resultiert. "Synthetica" ist also Metrics Keyboard- und Tanzpop-Platte. In den meisten Fällen gelingt das ziemlich gut, auch wenn das ein oder andere Stück, gerade am Anfang der Platte, zu viel Make-Up trägt, um für natürlich schön befunden zu werden. Vielleicht treffen Metric ja bei der nächsten Platte eine ähnliche Entscheidung wie Kiss anno 1983 und schminken sich wieder etwas ab. Und bis dahin strecken sie uns einfach mal die Zunge raus.

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • Breathing under water
  • The void
  • Clone

Tracklist

  1. Artificial nocturne
  2. Youth without youth
  3. Speed the collapse
  4. Breathing under water
  5. Dreams so real
  6. Lost kitten
  7. The void
  8. Synthetica
  9. Clone
  10. The wanderlust
  11. Nothing but time

Gesamtspielzeit: 43:55 min.

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