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Botanica - What do you believe in

Botanica- What do you believe in

Rent A Dog / Al!ve
VÖ: 02.03.2012

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Das Schauerspiel

Jeder von Selbstzweifeln geplagte Plattentests.de-Rezensent kennt den Zwiespalt: Lege ich mehr Feuer in meine Texte - oder lieber mehr Texte ins Feuer? Wahren Dichtern hingegen stellt sich diese Frage gar nicht, da ihre Werke über das Verbrennen erhaben sind. Dieser Überzeugung ist zumindest der Titelheld aus Michail Bulgakows Roman "Der Meister und Margarita", einer satirischen Zuspitzung des Faust-Motives, in deren Verlauf der Teufel inkognito Moskau unsicher macht und ein missverstandener Schriftsteller an einem Klapsmühlenaufenthalt sowie an der Trennung von seiner großen Liebe Margarita zerbricht. Nicht nur Stoff für 500 Seiten, sondern auch für mehrere Film- und Theateradaptionen. Die jüngste ist am Schauspiel Dortmund zu sehen, wo Botanica-Kopf Paul Wallfisch das musikalische Zepter schwingt.

"What do you believe in" ist mithin nicht nur das siebte Botanica-Studioalbum, sondern auch der Soundtrack zur Inszenierung, auf dem es nicht nur bildlich gesprochen hoch hergeht. Die Band schwebt bei der Aufführung nämlich drei Meter über der Bühne - und schlurft auf Platte von knorrigem Swamp-Blues über heruntergestimmte Rockmusik und osteuropäische Folklore bis hin zu Wurlitzer-getriebener Pop-Symphonik. Eine nahezu perfekte klangliche Illustration der zwischen Paradies und Pandämonium, Kunst und Knast, Sehnsucht und Erfüllung taumelnden Charaktere dieser monströs-schauerlichen Erzählung. Vom Überbau abgesehen ist also eigentlich alles wie immer - und darum nie auf eine einheitliche Färbung in Stimmung oder Stil festzunageln.

Da gerät der "Ball in hell" zum gravitätischen Schreittanz, bei dem ächzende Keyboards und schleifende Gitarren zu gutturalem Knödeln vor eine Wand laufen, die Wallfisch und der von The Dresden Dolls rekrutierte Drummer Brian Viglione aus schepperndem Klimpergroove hochziehen. "Dog" gibt mit gutgelauntem Singalong-Refrain den schwanzwedelnden Agnostiker, während zu "Manuscripts don't burn" zorniger Twang schleppend in die Grube fährt - nicht der einzige Song, der an den Freakshow-Punkrock von Wallfischs früherer Band Firewater gemahnt. Und es zudem gar nicht nötig hat, über seine Entstehung Rechenschaft abzulegen. Man erinnere sich: "Manuscripts don't burn / They're not written, they become." Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf - egal, ob er nun einen Rauschebart hat oder einen gespaltenen Huf.

Doch so oder so lebt dieses großartig verdrehte Album verdammt gut vom Gegensatz von Gut und Böse, dunklen Rock-Beklemmungen und schwebendem Indie-Pop. Wallfisch bezieht sich dabei mit Goethe, Alexander Puschkin und Vladimir Majakowski nicht nur auf literarische Klassiker, sondern auch auf popmusikalische: "Frictionless skates" zimmert sich zu aufgekratztem Rockabilly eine waschechte Doors-Orgel zusammen, und die Riffs von "Everybody lies" enden in der gleichen entstellten Delay-Schlaufe wie Radioheads "Karma police" - ein Stück, das in anderer Form bereits auf dem Vorgänger "Who you are" dran glauben musste. Dran glauben müssen auch der Meister und Margarita am Ende der Handlung - Botanica aber grinsen diabolisch über beide Ohren. In dieser Hölle ist der Teufel los.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Ball in hell
  • Dog
  • Manuscripts don't burn
  • Frictionless skates

Tracklist

  1. Judgement
  2. Ball in hell
  3. Dog
  4. Manuscripts don't burn
  5. Everybody lies
  6. Park bench
  7. Money
  8. Kingdom of doubt
  9. Frictionless skates
  10. Angel
  11. Winter's evening
  12. Past one o'clock

Gesamtspielzeit: 45:29 min.

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