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Broadcast - The noise made by people

Broadcast- The noise made by people

Warp / Zomba
VÖ: 20.03.2000

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Auf Sendung

Was lange währt, wird endlich Pop, auch wenn man vor nicht allzu langer Zeit noch einen Trip davor geschoben hätte. Hört man mit offenen Ohren hin, überkommt einem bei Broadcasts Debüt "The noise made by people" oftmals auch das Gefühl, die Musik entstamme einer Zeit, als Pink Floyd ihre Reize noch Syd Barretts Stimme verdankten. Irgendwo zwischen den sphärischen Soundtracks, die glatt von Ennio Morricone, Jay Chattaway oder John Barry stammen könnten, siedeln dann doch wieder Zeichen der Moderne. Stimmige Samples, relaxte Drumloops und abstrakt verwendete Synthesizer sind neben der warmen Stimme von Frontfrau Trish Keenan die Markenzeichen von Broadcast. Retro-Modernismus nennt man so etwas wohl.

Begriffsklauberei hilft aber beim Genuß dieser Scheibe nicht weiter. Schon der Opener "Long was the year" fordert dazu auf, mit mehr Gefühl als Gehirn an die Stücke heranzugehen. Fast wie in einem Kinderlied wird hier sanfte Melancholie gehaucht, die so gar nicht zu der unheimlichen Atmosphäre im Hintergrund passen will. Mehr und mehr schichten sich die beunruhigenden Samples auf, bis man sich der nöligen Elektronik hingibt. Erlösung verspricht der Ausklang des Stückes, aber auch die folgenden Tracks funktionieren mit der perfiden Kombination aus gesampelten Jazz noir und handgespieltem Unbehagen, das die zerbrechlichen Vocals umspielt. Wer hier Portishead schreit, hat recht, aber die Neurosen von Beth Gibbons würden nicht so hervorragend zu gruseligem Science-Fiction-Trash passen. Hier jaulen die Orgeln noch wie einst bei Captain Kirk.

Bei der Single "Come on let's go" wird sogar so etwas ähnliches wie Tempo erkennbar. Offenkundig in den Swinging Sixties plündernd wird noch nicht einmal klar, ob dieser Song handgespielt oder handgesampelt ist. Die Cardigans schreiben eine Postkarte dazu und lassen grüßen. Zuviel Fröhlichkeit im Briefkasten lassen Broadcast aber erst gar nicht zu und schnell ist jeglicher Schwung auch schon wieder dahin. Diesmal braucht man dies auch gar nicht auf den Postboten zu schieben. Der Beklemmung von "Echo's answer" würde solche Leichtigkeit auch gar nicht gut bekommen. Diese Single war letztes Jahr eins der wenigen Lebenszeichen, die von Broadcast zu vernehmen waren, nachdem sie sich 1997 ins Studio verkrochen hatten, um den Nachfolger zu "Work and non work" einzuspielen. Zwei oder drei Nervenzusammenbrüche später erwartet uns hinter dem irreführenden Titel der Platte eine beinahe gespenstische Stille. Die schizophrene Zweisamkeit von Psychedelia und Samplewahn läßt sich auch an den raren Livesets der Band ablesen, die sich sowohl im Elektronik-Umfeld ihres Labels Warp als auch bei den Romantikern von Belle And Sebastian einfügt, als würde sie nirgends anders hingehören.

Mit Leichtigkeit wechselt der Vierer aus Birmingham zwischen beängstigend düsteren Instrumentaltracks ("Minus 8", "Tower of our tuning", "Dead the long year") und betörend leichtem Pseudojazz ("Come on let's go" "Papercuts", "City in progress") hin und her. Wer die Zusammenarbeit von Will Malones London Session Orchestra mit Bobo (Bobo In The White Wooden Houses) kennt und in einen Mixer mit den düstereren der portisheadschen Soundideen wirft, weiß ungefähr, was hier zu erwarten ist. Mit seichtem Pop hat dies nämlich trotz der bittersüßen Schönheit der Melodien nichts zu tun. Mit Schirm, Charme und jeder Menge Ideen werden hier nie vergessene Fernsehserien und Kinofilme wieder wach. Da darf man sich auch mal cool wie Steve McQueen fühlen, wenn man mit diesem Sound durch die Fußgängerzone brettert.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • Come on let\'s go
  • Papercuts
  • City in progress

Tracklist

  1. Long was the year
  2. Unchanging window
  3. Minus one
  4. Come on let's go
  5. Echo's answer
  6. Tower of our tuning
  7. Papercuts
  8. You can fall
  9. Look outside
  10. Until then
  11. City in progress
  12. Dead the long year

Gesamtspielzeit: 45:30 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Analog Kid

Postings: 2155

Registriert seit 27.06.2013

2020-07-19 19:28:51 Uhr
Den Nachfolger "Haha Sound" find ich mindestens ebenso stark. Der ist zwar schon etwas experimenteller & elektronischer, aber hat auch wahnsinnig gute Songs. Kann mich ehrlich gesagt nicht entscheiden welche die beste ist. War ne tolle Band jedenfalls. Die unheimliche, psychedelische Schwester von Stereolab :)

carpi

Postings: 1468

Registriert seit 26.06.2013

2020-07-19 18:35:06 Uhr
Mittlerweile schon 20 Jahre alt, finde das Teil nach wie vor hervorragend, war meine erste Broadcast und steht in der Discographie auf Nr.1, auch wenn alle anderen Alben ebenso starke Momente haben, hier gibts aber ne 9. Das erwähnte "Papercuts" ist hier ein guter Anspieltipp, "Unchanging Window", "Until then" und das eingängige "Come on let's go" sind auch noch vorne dabei, der Instrumental-Track "Dead the long year" rundet das Ganze perfekt ab. Habe gerade vergessen, in welcher Netflix-Serie ich Broadcast gehört habe, war aber erfreut, dass man sich nach dem Tod Trish Keenans 2011 noch an sie bzw. die Band erinnert.
ummagumma
2012-06-05 21:20:54 Uhr
Ich bin nach 1 gesamtdurchgang sowie etwa 10mal Papercuts im Moment bei einer 8-9 für das Album.

Das ist phasenweise echt nicht weit weg von Deerhunter/Atlas Sound wenn ich insbesondere an die cryptograms denke.

Bin gespannt wie die Zusammenarbeit mit Atlas Sound und Broadcast geklungen hat
In der Tat
2008-04-08 21:30:24 Uhr
ein großartiges Album!
Mein Name
2006-12-02 14:48:48 Uhr
Tolles Album mit schönen Melodien aus 2000. Der Fokus beim Sound liegt auf Schlagzeug, Bass und der guten Stimmer der Sängerin.
8/10 wären bei der Rezension schon drinnen gewsen, AMG vergibt 4,5 Sterne.

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