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The Bony King Of Nowhere - Eleonore

The Bony King Of Nowhere- Eleonore

Helicopter / Cargo
VÖ: 21.10.2011

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Herz und Knochen

40 Jahre einfach verschwinden lassen? Das gelingt noch nicht einmal Hollywoods ambitioniertestem Schönheitschirurgen. Und wenn er es versuchen würde, dann wäre das Ergebnis wohl kaum mehr als eine schauderhafte Maske. Nicht so bei The Bony King Of Nowhere, der eigentlich Bram Vanparys heißt und mit seiner bestens eingespielten Band erfolgreich am offenen Herzen der frühen Siebziger Jahre operiert. Das zweite Album des Belgiers verdient mit seiner unerschrockenen Natürlichkeit und seiner Hingabe an das Wahre, Schöne, Gute jedes, aber auch wirklich jedes Echtheitszertifikat. Und einen Ehrenplatz in Hörweite der tollsten Alben der Spätsechziger und Frühsiebziger. Man denke an Meisterwerke von Nick Drake, The Band, Tim Buckley und vor allem auch an das 1971 erschienene Soloalbum "Songs for beginners" von Graham Nash. Man könnte Vanparys' elaborierten Vokal-Arrangements ebenso eine Verwandtschaft mit den Fleet Foxes andichten, aber auch die haben sich ja bloß mit großen Augen und noch größeren Ohren in eine Zeitmaschine gesetzt.

Mit anderen Worten: Wenn man nicht wüsste, dass "Eleonore" 2011 erschienen ist, würde man dieser Platte zweifelsohne 40 abgehangene Jahre attestieren. Die Seventies-Jacke, die Vanparys auf dem Coverfoto trägt, wäre immerhin ein deutlicher Beweis. Sein Ausweis spricht allerdings ganz klar dagegen: Der blasse Junge mit dem Kinngrübchen war 1971 ungefähr Minus 16 Jahre alt. Immerhin wurde aber das Album, um das es hier geht, in einem Studio mit Vintage-Equipment aufgenommen, und zwar komplett live. Mal von den ganzen Overdubs abgesehen, die einem vielfach vervielfältigten Vanparys höchste harmoniegesangliche Anmut beschert haben. Es ist nämlich zuallererst seine außergewöhnliche Stimme, die auf "Eleonore" ihre leuchtende Fackel in die Magengrube hält - eine große, nahe, eindringliche, vertrauenswürdige Stimme, der man gerne eine starke Schulter anbieten würde, es dann aber doch nicht macht, weil sie klingt, als wolle sie lieber mit sich alleine sein. Dafür, ihr ein offenes Ohr zu leihen, spricht allerdings eine ganze Menge.

Als 17-Jähriger sang Vanparys immer laut mit, wenn er seine Lieblingsplatten von Bonnie 'Prince' Billy und Radiohead hörte, und es ist natürlich kein Zufall, dass es sich bei seinem Künstlernamen um den Untertitel des Radiohead-Songs "There there" handelt. Als viel spannender erweist sich jedoch die Frage, wer denn eigentlich diese "Eleonore" ist, nach der nicht nur das Album, sondern auch das schönste und ergreifendste der neun Stücke darauf benannt wurde. Sie bleibt ungelöst und "Eleonore" ein Mysterium, ebenso wie das Saiteninstrument, das neben der Akustikgitarre und den beinahe fernöstlich anmutenden, traumverlorenen Chorgesängen im Opener "Sleeping miners" erklingt. Wir tippen mal auf einen Alt- oder Bass-Eierschneider. Vanparys lässt keinen Zweifel daran, dass die Antwort ganz allein der Wind weiß und widmet dem Geheimnisträger gleich die erste Zeile seines Zweitwerks: "Can you hear the wind / How slow it blows?".

Während Vanparys' Texte mit einer beinahe altersweisen Gelassenheit von monumentalen emotionalen Naturgewalten erzählen und betörende Melodien sich durch sanft illuminierte Finsternis schlängeln, widmet sich die Musik der Historienhuldigung - klingt dabei jedoch keineswegs wie eine Kopie. Auch in "Girl from the play" kommt die sagenumwobene Eleonore wieder vor, natürlich in der Rolle der Erlöserin, auch wenn sie immer nur traurige Geschichten erzählt. "The garden" hingegen ist ein wahres Idyll, hat allerdings trotzdem nah am Wasser gebaut: "The lake is very still / And deep and dark and heavy" - man glaubt an dieser Stelle kurz, Jeff Buckley zu hören. "Hear them calling" ist eine weitere düstere Episode von strahlender Schönheit, mit einer Melodie, die gar nicht erst die Wahl lässt, sich ihr entziehen zu können. Interessant ist, dass Vanparys sich vor allem durch das, was fehlt, selbst auf die Spur kommt. Im epischen, sechsminütigen "Mother" verkündet er beispielsweise "Love is a word that I rarely use". Ist aber auch gar nicht nötig - denn in diesem Album steckt so viel Liebe, nicht nur zur mysteriösen Eleonore, sondern auch zu einer anderen Zeit, dass ein vielsagendes Schweigen doch ohnehin viel schöner ist.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights

  • Sleeping miners
  • The garden
  • Hear them calling
  • Eleonore

Tracklist

  1. Sleeping miners
  2. Girl from the play
  3. The garden
  4. Going home
  5. Hear them calling
  6. The poet
  7. Eleonore
  8. Some are fearful
  9. Mother

Gesamtspielzeit: 34:32 min.

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