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Vessels - Helioscope

Vessels- Helioscope

Make My Day / Al!ve
VÖ: 11.03.2011

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Nekromantik

Ist Postrock wirklich ein totes Genre, so sind Vessels der letzte Nagel im Sarg, nein: Sie tragen den Postrock ganz persönlich zu Grabe. Das war's. Nie wieder Postrock. So hört man einstweilen allerorten. Das ist in etwa so, als versuchte man, Moll zu beerdigen. Oder die sechste Gitarrensaite. Denn eigentlich ist Postrock wenig mehr als Rockmusik mit Überlänge, die sich im Verzicht auf das klassische Schema von Strophe-Refrain übt. Eigen ist ihm meist ein bestimmter Gestus und ein selbstbewusster Ehrgeiz, in einen Song ein bisschen mehr zu packen als dreieinhalb Minuten Hedonismus. Postrock wird gemacht und gehört von Jungs und Mädels in zarten Körpern, die von Öko-Bandshirts mit Baummotiv adrett bekleidet werden. Sie haben ein melancholisches Gemüt, den “Fänger im Roggen“ im Regal und die Zugangsberechtigung für den Magister Kulturwissenschaften an der FU. Oder an der TU Dortmund. Menschen eben, die ihre Songs flaschenpostgleich ins wogende Meer werfen, ihnen eine Träne nachweinen und doch Wert darauf legen, dabei noch recht ordentlich auszusehen.

Vessels haben wenig gemein mit dem Hang zur Stummfilmtheatralik, der so manche Gitarrenband auszeichnet, die ebenfalls Franz Ferdinand nicht für die wichtigste Rockband der letzten zehn Jahre hält. Auch fehlt ihnen die Eitelkeit, das große Understatement vor dem Spiegel zu üben. Und doch ist ihre Musik ohne jeden Zweifel im wahrsten Sinne des Wortes Post-Rock, weil sie ohne Berührungsängste ein klares Geschichtsbewusstsein vergangener Jahrzehnte beweist: Sie klingt, als hätten Pink Floyd Mathrock vorausgeahnt, als würde aus Mogwais postmoderner Ironie plötzlich Ernst, als sei Thom Yorke durch die Zwischenprüfung gefallen und mache nun Musik mit Schaum vor dem Mund. Nicht nur Vessels' Freunde Oceansize versuchen seit einigen Jahren, diese Musik in solcher Perfektion zu schreiben.

Schon die ersten Takte von “Monoform“ schütteln mit ihrem Groove alle Tristesse ab. So berechnend gelingt nur wenigen ein stumpfer Beat-Rempler mit ausgefahrenen Ellenbogen, dem man einfach nicht böse sein kann. Vor allem das Schlagzeug lässt “Helioscope“ in Kinski'scher Raserei so unverwechselbar, so ungemütlich, so wuchtig erscheinen. Selbst in Momenten der Zärtlichkeit wie in “Recur“ ist seine Hyperaktivität zu spüren. Es kann nicht stillhalten, macht sich los, übermalt Gitarrentupfer und Keyboardsprenkler dreist und schießt immer wieder Löcher in die Wall of sound. Vessels übertünchen Gemütlichkeit mit Hektik und scheren sich nicht ums sonst so dicke Postrock-Ende. Sie sind sich viel zu schade für das durchschaubare GZSZ-Schema von laut-leise: Es ist ihnen schlicht scheißegal, ob sie ihn am Schluss bekommt. Die avantgardistische Experimentierfreude und der Hang zur musikalischen Maßlosigkeit sind es, die “Helioscope“ durch einen propevollen Sound und ein mitunter rasendes Tempo aus den Angeln heben. Wie sehr Vessels sich querstellen und einer trägemachenden Bequemlichkeit entsagen, zeigt das an Aereogramme erinnernde “Art/Choke“ mit einiger Wut im Bauch.

Wenn hierzu immer noch die Jungs und Mädels in irgendwelchen Internetforen erzählen, diese Platte könne man bestens auf nächtlichen Autofahrten hören oder auf kalten Winterspaziergängen, mag das nur ein weiteres Beispiel dafür sein, wie eigenständig Vessels' Musik eigentlich ist und wie hilflos all die Versuche, dafür passende Worte zu finden. Die Wahrheit ist: Diese Musik ist weder tot noch sterbend. Hinfort mit den ewig gleichen Bilder von den kathartischen Gitarren und den epischen Ausbrüchen und den wohligen Melodien. Der neue Krach ist da, die Worte fehlen.

(Nicklas Baschek)

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Highlights

  • Monoform
  • Recur
  • Art/Choke

Tracklist

  1. Monoform
  2. The trap
  3. Recur
  4. Later than you think
  5. Meatman, piano tuner, prostitute (feat. Stuart Warwick)
  6. Art/Choke
  7. Heal
  8. All our ends
  9. Spun infinite

Gesamtspielzeit: 48:21 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31724

Registriert seit 07.06.2013

2014-11-30 19:11:08 Uhr
Ohm wieso entdecke ich die jetzt erst?

Okocha

Postings: 20

Registriert seit 14.06.2013

2014-02-01 10:52:54 Uhr
Vielen Dank für den Tipp!
Habe erst vor paar Tagen wieder die Helioscope gehört. Freut mich, dass was Neues kommt. EP ist in der Tat etwas elektronischer, bin auf das Album gespannt.

Max Power

Postings: 75

Registriert seit 14.06.2013

2014-01-31 18:58:53 Uhr
Auch wenn ich hier nur Selbstgespräche führe:

- die neue EP ist klasse geworden
- neue Remixe klingen toll
- das neue Album ist fertig (Hooray!)

Max Power

Postings: 75

Registriert seit 14.06.2013

2013-08-26 22:25:00 Uhr
Scheiß die Wand an, ist das geil, ich freu mich aufs neue Album. Wird anscheinend sehr viel elektronischer werden.

http://vimeo.com/63927854
Max Power
2012-10-17 17:53:46 Uhr
Neues Lied draußen:

http://www.spin.com/articles/vessels-cover-nathan-fakes-the-sky-was-pink-download
Zum kompletten Thread

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