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The Black Dog - Music for real airports

The Black Dog- Music for real airports

Soma / Rough Trade
VÖ: 14.05.2010

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Non-lieux

Genau genommen ist Brian Enos Ambient-Klassiker "Music for airports" weniger die Vertonung eines Airports als vielmehr der Soundtrack für die Zeit nach dem Absturz. Denn so befreit von allem Gewicht, wie Eno Flughäfen klanglich nachzeichnet, vollzieht sich eigentlich nur der Aufstieg in die ewigen Jagdgründe. Das haben sich auch die britischen IDM-Pioniere The Black Dog gedacht und Enos äußerst luftiger Vision eines allmählichen Davonschwebens ihre akustische Vorstellung eines postmodernen Transitortes entgegengestellt. Wo Eno von der ersten Sekunde an abhebt und ein erleichterndes Gefühl der Schwerelosigkeit einsetzt, schieben The Black Dog die Passagiere wie eine Viehherde durch das ganze blankpolierte Labyrinth der Eincheckschalter, Wartehallen, panischen Sicherheitsvorkehrungen, engen Sitzreihen, verspäteten Landungen, Jetlags und Gepäckbänder, bis diese am Zielort endlich wieder ausgespuckt werden aus diesem monströsen Verdauungssystem.

Die Basis für die Neuvertonung des Nicht-Ortes Flughafen liefern den Briten 200 Stunden an Field Recordings, die sie zu einem Album zusammengefügt und parallel in Zusammenarbeit mit den Designern von Human zusätzlich als Multimedia-Kunstprojekt umgesetzt haben. Auch ohne visuelle Begleitung läuft jedoch von der ersten Sekunde an ein Film vor dem geistigen Auge ab, bei dem der Hörer zum Zuschauer wird, der die vielen Menschen um sich herum bei den Freuden und Unglücken beobachtet, die ihnen der Aufenthalt am Airport bringt.

"M1" und "Terminal EMA" schildern mit endlosen Synthesizerdrones, untermalt vom Geräusch an- und abfahrender Busse und Autos, die Ankunft an diesem von einem permanenten Summen erfüllten Ort, der im nie endenden Abheben und Landen der Maschinen noch das hoffnungsfroh stimmende Versprechen auf Abenteuer und Freiheit bereithält. Mit "DISinformation desk" setzt jedoch die erste von vielen Krisen ein, bei der jemand wütend auf die Theke des Informationsstandes einhämmert. Der Blick hinüber zur "Passport control" zeigt eine Menschenschlange, aus der sich wie Werkstücke auf einem Fließband einer nach dem anderen zum Scannen durch den Engpass schiebt. Im anderen Teil der riesigen, von Rolltreppen und Förderbändern durchzogenen Halle aus Metall und Glas warten Menschen zu traurigen Streichern und im Rhythmus der dumpfen Bassdrum von "Wait behind this line" auf ihre Abfertigung.

Obschon das kalte, bedrückende, industriell-metallische Element dominiert auf "Music for real airports", rückt in dieser Weise jeder Track einen neuen Aspekt und eine neue Emotion in den Fokus. Die genervte Hektik der Platzsuche von "Strip light hate" wechselt mit dem gespannten Warten auf das Abheben, das "Future delay thinking" mit mächtigem Schub in den Sitz drückt. Das langsame Tropfen der Zeit in "Delay 9", unterfüttert vom Stimmengewirr der anderen Wartenden, wechselt ab mit den dubbigen, von Basic Channel inspirierten Schleifen von "Sleep deprivation 1", in denen der Jet Meile um Meile zurücklegt. "Sleep deprivation 2" gelingt dann im kreisenden, von Glöckchen begleiteten Rauschen der Turbinen die glückliche Ankunft am Boden, von wo aus der wundervolle Schlusstrack "Business car park 9", dem die Erleichterung über die Entlassung aus der großen Mühle anzumerken ist, in unbekanntes neues Territorium aufbricht.

Vergleicht man "Music for real airports" mit seinem Vorbild, so haben The Black Dog wesentlich mehr zu sagen als Eno. Dieser beschränkte sich seinerzeit darauf, eine schwerelose, ganz mit sich selbst und der eigenen Überwältigung beschäftigte Elegie zu komponieren, die mit geschlossenen Augen alles außer Stress haben wollte. The Black Dog hingegen, unzufrieden mit Enos Eskapismus, zeigen sich skeptisch gegenüber dem Versprechen unbegrenzter Mobilität und hören und schauen mit geschärften Sinnen sehr genau hin. Eine der Reisegeschichten des Jahres.

(Harald Jakobs)

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Highlights

  • DISinformation desk
  • Wait behind this line
  • Sleep deprivation 1
  • Business car park 9

Tracklist

  1. M1
  2. Terminal EMA
  3. DISinformation desk
  4. Passport control
  5. Wait behind this line
  6. Empty seat calculations
  7. Strip light hate
  8. Future delay thinking
  9. Lounge
  10. Delay 9
  11. Sleep deprivation 1
  12. Sleep deprivation 2
  13. He knows
  14. Business car park 9

Gesamtspielzeit: 58:51 min.

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