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Mi Ami - Steal your face

Mi Ami- Steal your face

Thrill Jockey / Rough Trade
VÖ: 09.04.2010

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

SOS

Mi Ami könnten eine vortreffliche Afrobeat-Band abgeben. Gegründet zu einer Zeit, da Gruppen wie Vampire Weekend oder The Very Best heißer Scheiß waren, in ihren Reihen ein Schlagzeuger, der offenbar mit mindestens drei Armen auf mehrere Wagenladungen Drums eindrischt, und eine Maxi namens "African rhythms" gab es auch noch. Fertig ist das neue Tribal-Percussion-Ding. Und wer nun ausgerechnet auf das gerade nicht gewartet hat, dem sei gesagt: alles frei erfunden. Wahr ist immerhin, dass Daniel Martin-McCormick und Jacob Lung früher bei den Dischord-Komplexpunks Black Eyes tätig waren, und dort rappelte es in der Tat auch perkussiv gehörig im Karton.

Bei Mi Ami ebenso. Selbst der dreadlockfrisierte Herr auf dem Cover schaut schon ganz irritiert aus der Wäsche: Wieso benennt sich das Trio eigentlich nach Miami, wenn es doch aus San Francisco kommt? Bezieht sich der Titel etwa auf die unzureichend gewahrte Privatsphäre in einem derzeit boomenden sozialen Netzwerk? Und wenn ja, werden dort künftig nur noch verzerrte Fratzen zu sehen sein? In diesem Fall kann man "Steal your face" ja schon einmal aufmerksam ins Gesicht hören. Es wäre ein Vorgeschmack. Denn auch auf ihrem zweiten Album nach "Watersports" rammen Mi Ami einen mehrstöckigen Lärmpflock aus Hardcore-Geschredder, tosendem Trommelfeuer und Freejazz-Chaos in die Botanik. Extrem strukturierte Rockmusik, mit der man erst einmal klarkommen muss.

Gleich der Opener "Harmonics (Genius of love)" spottet seinem Titel mit gebleckten Zähnen: Die Gitarre mäandert in schrillen Reverbs und vernichtenden Zerr-Eruptionen, dazu bellt, japst, schimpft und zetert McCormick über rotierendem Schlagwerk wie ein renitentes Rumpelstilzchen. "Latin lover" legt zusätzlich einen polymorphen Dancebeat unter das organisierte Chaos und läuft am Ende frontal gegen Handclaps und fleischfressende Acid-Lines, bevor das Stück am Boden zerschmettert wird. "Dreamers" könnte auch von erschöpft in sich zusammengesunkenen Liars auf Pappe stammen, ehe "Secrets" mit raumgreifendem Basslauf und ständig mutierenden Rhythmen eine Art handgemachten Noise-Dub nicht nur versucht, sondern auch bravourös meistert.

Und so hupen bereits nach vier Stücken alle Sinne SOS, was nur ein Anzeichen dafür sein kann, dass die Band bis hierhin alles richtig gemacht hat. Man könnte nun anmerken, dass es ein feiner Zug ist, diesen akustischen Frontalangriff bereits nach sechs Songs zu beenden, zumal die letzten beiden bei gleichbleibendem Niveau dem zuvor Gehörten nichts Neues mehr hinzufügen. Doch wer sich dieses trotz allem ziemlich großartige Album unter Strapazen erkämpft hat, verdient eine Ruhepause. Sicher: Wenn man danach irgendwann zwischen den Trümmern seiner Wohnzimmermöbel aufwacht, hilft auch ein Argument wie "Plattentests.de hat mir vorgeschlagen, ein Fan von Mi Ami zu werden" nicht wirklich weiter. Aber dafür können wir auch nichts. War ja nur so eine Idee.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Latin lover
  • Secrets

Tracklist

  1. Harmonics (Genius of love)
  2. Latin lover
  3. Dreamers
  4. Secrets
  5. Native Americans (Born in the U.S.A.)
  6. Slow

Gesamtspielzeit: 37:30 min.

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